Der französische Präsident Emmanuel Macron
© Reuters Francois MoriBekommt heftigen Gegenwind nach seinen Reformplänen: Der französische Präsident Emmanuel Macron.
Selten wurde ein junger Politiker so über den grünen Klee gelobt, wie der französische Präsident Emmanuel Macron. Doch das war bevor er zum Präsidenten gewählt wurde. Mittlerweile befinden sich seine Umfragewerte im freien Fall. Auf den Straßen Frankreich gärt es wieder.

Noch ist man von einer Revolution in Frankreich weit entfernt. Aber Emmanuel Macron schaut beunruhigt auf die immer häufigeren Zeichen sozialer Mobilisierung. Am 10. Oktober waren die Beamten zum Streik aufgerufen und gingen im ganzen Land auf die Straße. Die Polizei berichtete von insgesamt 209.000 Demonstranten, die französische Gewerkschaft CGT von 400.000.

Es ist zehn Jahre her, dass ein solches Niveau zuletzt erreicht wurde. Im Übrigen haben die neun Gewerkschaften, bei denen Beamte des öffentlichen Dienstes organisiert sind, seit zehn Jahren nicht zusammen demonstriert. Ein Zeichen. Die Unzufriedenheit währt schon lange, hat sich aber in letzter Zeit verstärkt. Der Präsident hat nicht verschwiegen, dass er in den nächsten fünf Jahren 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen will.

Die Demonstranten jedoch wissen bereits jetzt von dramatischen Situationen in Krankenhäusern, Schulen und Gerichten zu berichten, in denen manchmal selbst elementare Mittel fehlen. Die Kaufkraft lässt immer mehr nach; für viele wird das unerträglich. Außerdem wurden verschiedene Maßnahmen wie die Erhöhung des CSG (allgemeiner Sozialbeitrag) angekündigt.

Auf der Gehaltsabrechnung dürfte sie sich als Verringerung des Nettoeinkommens bemerkbar machen. Es ist ebenfalls vorgesehen, Restriktionen für krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuerlegen. Ende Oktober könnte sich die Bewegung wieder bemerkbar machen. Sie reiht sich unter anderem in die vielen Demonstrationen gegen die "Verordnungen" ein. Dabei handelt es sich um direkt von der Exekutive verfasste Gesetzestexte, die sich in diesem Fall auf das französische Arbeitsrecht beziehen.

Es ist wohl nicht übertrieben anzumerken, dass die in hundert Jahren Arbeiterkampf von den Arbeitnehmern errungenen Garantien auf dem besten Weg sind, einfach so zerschmettert zu werden. Es stimmt schon, dass die Bewegung bereits unter der Regierung von François Hollande und sogar davor begonnen hatte. Doch der gegenwärtige Herr im Elysée-Palast will die Arbeit zu Ende bringen. Auf dem Programm stehen: "Auflockerung" des Kündigungsschutzes; Erleichterungen für die Arbeitgeber, wenn es darum geht, Vergütung und Arbeitszeit nach unten zu korrigieren; Verringerung der Arbeitnehmervertretungsinstanzen in den Unternehmen.

Zudem hat Emmanuel Macron bereits angekündigt, dass bald auch die soziale Absicherung (Renten, Arbeitslosengeld) und die Berufsausbildung "reformiert" werden sollen. Der ehemalige Rothschild-Bankier greift aber nicht nur auf sozialer Front ein. Vor einer Woche hat er bereits abgesegnet, dass der Siemens-Konzern das Aushängeschild der französischen Eisenbahnbranche, Alstom, übernimmt. 2014 war er als Wirtschaftsminister bereits daran beteiligt, als Alstom-Energie an den amerikanischen Riesenkonzern General Electric verschachert wurde.

Die großen französischen Werften werden unter die Kontrolle der italienischen Unternehmensgruppe Fincantieri gelangen. Monopoly-Spielzüge in der Verteidigungsindustrie dürften noch folgen. Diese Maßnahmen haben ausnahmslos direkt mit der europäischen Integration zu tun. Sowohl beim Arbeitsrecht als auch bei den Sparmaßnahmen ist es die Kommission, die vergleichbare Gesetze in allen Mitgliedsstaaten der EU organisiert, wie noch vor Kurzem in Italien der Fall war, in Spanien und morgen in den Niederlanden, so verkündete es die am 10. Oktober neu gegründete Koalition.

Natürlich lassen sich weder Emmanuel Macron noch seine Kollegen aus den anderen Ländern lang bitten. Sie setzen sehr wohl ihre Orientierung zugunsten der europäischen Oligarchien in die Tat um. Sollten aber neue Mehrheiten oder neue Regierungschefs das Abenteuer wagen wollen, eine andere Richtung einzuschlagen, würden die europäischen Verträge und Mechanismen sie sofort daran hindern.

Dieser zwingende Rahmen ist kein Mangel der Europäischen Union, sondern deren Daseinsberechtigung: Jedem Volk die Freiheit entziehen, eine andere Orientierung haben zu wollen als die der "Schicksalsgemeinschaft". Seit ihrer Gründung im Jahre 1958 war der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital ein erklärter und existenzieller Grundstein der EWG.

Es wäre müßig, an eine Veränderung der EU von innen heraus zu glauben. Da könnte man auch davon träumen, die Mafia in eine humanitäre Organisation zu verwandeln, indem man einfach Paten an deren Spitze setzt, denen das soziale Wohlergeben etwas mehr am Herzen liegt. Die französischen Demonstranten gehen also auch - zwar nicht alle, aber schon viele bewusst - gegen die Logik der europäischen Integration auf die Straße. Das wird dem französischen Präsidenten kaum gefallen, nachdem er versucht hatte, sich den Anschein eines Jupiters zu geben, um in Athen die "europäische Ambition" zu preisen.

Könnte sein, dass er schnell von seiner Wolke herunterklettern muss.