Trailer für die Bundeswehr-Youtube-Serie Mali
Screenshot aus dem Trailer für die Bundeswehr-Youtube-Serie Mali
Geht es um die gezielte Arbeitgeberwerbung zur Gewinnung deutschen Armeenachwuchses, ist offenbar keine Wurst zu teuer. Auf die Internetserie "Die Rekruten" folgte nun die Fortsetzung "Mali".

Bereits die Ankündigung der Serie wirkt wie ein hochwertiger Action-Blockbuster und wird mit entsprechender Abenteuerrhetorik auch in der Bild-Zeitung beworben - befreit von jeglicher journalistischer Einordnung des Geschehens.

Im öffentlichen Raum, dem Nahverkehr, in bestimmten Medien und in der virtuellen Welt war die Vorankündigung in den vergangenen Wochen kaum zu übersehen: Es gibt eine neue YouTube-Serie namens Mali und die Werbung dafür scheint allgegenwärtig. Ist es ein Videospiel? Ein Hollywood-Blockbuster? In erster Linie ist es eine kostspielige Marketing-Aktion, mittels derer die Bundeswehr via so genanntem Employer-Branding um Nachwuchs wirbt, wodurch der Arbeitgeber zu einer Marke wird. Neben mehreren Millionen Euro an Steuergeldern erhielt sie dabei Unterstützung von der auflagenstärksten Tageszeitung Deutschlands, der Bild-Zeitung.

Die Bundeswehr ist also in dem westafrikanischen Land Mali aktiv und bietet in der gleichnamigen YouTube-Serie Einblicke in das Leben der Soldaten vor und während ihres Einsatzes. Die Serie wird seit Anfang dieser Woche jeweils von Montag bis Donnerstag über zwei Monate ausgestrahlt. Damit schließt sie an die zuvor gesendete Internetserie "Die Rekruten" an, welche Soldaten während ihrer Grundausbildung begleitete.

Mit mehr als 250.000 Mitarbeitern gehört die Bundeswehr bereits zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Doch nach eigenem Bekunden durchläuft die Bundeswehr
den umfangreichsten Modernisierungsprozess ihrer Geschichte. Mit einer neuen Personalstrategie, einer stärkeren Professionalisierung und mehr Familienfreundlichkeit will sie als Arbeitgeber punkten.
Um mithilfe der von Verteidigungsministerin von der Leyen ausgerufenen "Trendwende Personal" die Zielmarke zu erreichen, bis zum Jahr 2023 ganze 14.300 neue Soldaten und 4.400 zivile Mitarbeiter einzustellen, wurden gleich 16 bundesweite Karrierecenter und 110 Karriereberatungsbüros eingerichtet. Außerdem setzt das Ministerium auf Werbung und nochmals Werbung - mit innovativeren Methoden als im Feld.

Im Herbst werde es ein neues Web-TV-Format zur Nachwuchsgewinnung geben, hatte eine Sprecherin vor einigen Monaten angekündigt. Dafür habe das Ministerium bereits ein Millionen-Budget bereitgestellt.

Die hohen Kosten für die Werbeaktion der Bundeswehr waren bereits zuvor ein Kritikpunkt in der öffentlichen Debatte, nicht so jedoch für das Springer-Tagesblatt Bild-Zeitung.

Denn wie der großzügigen ganzseitigen Vorankündigung der Samstagsausgabe der Bild-Zeitung zu entnehmen war, startete am 16. Oktober bei YouTube "Bundeswehr Exclusive":
Erstmals berichten deutsche Soldaten direkt von einem Auslandseinsatz. [...] Wie sie sich in Deutschland auf ihren Einsatz vorbereiten. Wie sie sich von ihren Lieben verabschieden.
Raus in die Mission Impossible, auf den "Abenteuerspielplatz" Mali
Wir machen den Einsatz erlebbar, zeigen ihn aus der Perspektive unserer Soldatinnen und Soldaten", so der Bundeswehr-Sprecher Dirk Feldhaus. "Über den Facebook-Messenger können die Zuschauer Nachrichten, Videos und Bilder aus dem Einsatz bekommen - ganz so, als wäre ein Freund im Einsatz dabei."
Der Trailer ist bereits vielversprechend - ungewöhnliche Kameraperspektiven, zackige Schnitte, Kriegsspiel-Ästhetik und Exotik inklusive afrikanischer Kinder (noch lebendig), unterlegt mit Bassrhythmen, mächtig wie das rollende Kriegsfahrzeug - alles in allem mutet das Ganze wie eine kostspielige Abenteuerfilmproduktion an.


Für die neue YouTube-Serie kommt auch ein Chatbot zum Einsatz. Der "Mali-Bot", ein Chatbot auf Facebook-Messenger, hat die Zielgruppe bereits im Vorfeld über zwei Wochen hinweg kontaktiert und dient dazu, die Zuschauer mit Echtzeitnachrichten "abzuholen" und sie in das Geschehen hineinzuziehen. Insgesamt soll "Mali" eine immersive Erfahrung bieten, samt Handy-Filmen aus dem Wüstencamp, GIFs oder Echtzeit-Bildern "zum Beispiel von dem Abschießen einer Leuchtrakete". Passend im Werbesprech ist auch der Titel des Kommunikations-Beauftragten Feldhaus gewählt - er ist für die "Kommunikation der ArbeitgebermarkeBundeswehr" zuständig.

Rechtfertigung: gestiegene Bewerberzahlen und Interesse auch auf dem Schulhof

Laut dem Verteidigungsministerium habe die mit knapp acht Millionen Euro recht kostspielige Internetserie "Die Rekruten" bereits ihren Zweck erfüllt: Die Personalanwerbungsseite der Armee habe während der Ausstrahlung 40 Prozent mehr Zugriffe verzeichnet und die Bundeswehr gut 20 Prozent an zusätzlichen Bewerbungen für die Mannschafts- und Unteroffizierslaufbahn erhalten. Dabei brüstet sich der Kommunikationschef der Werbekampagne sogar mit Werbeerfolgen bei Minderjährigen:
Es ist uns gelungen, die Bundeswehr zum Pausengespräch auf vielen Schulhöfen in Deutschland zu machen", sagt Bundeswehr-Kommunikationsbeauftragter Dirk Feldhaus.
Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), betont in einem Interview mit der Zeitung Merkur, es sei
nicht in Ordnung, wenn die Bundeswehr auf diese Art und Weise für sich wirbt.
Denn der Trailer wirke,
als wenn es bei einem Auslandseinsatz auf einen Abenteuerspielplatz geht.
Die Pädagogin forderte die Bundeswehr auf, "ganz objektiv" über ihre Arbeit aufklären und auch mehr außenpolitische Hintergründe zu liefern, sonst sei es keine ausgewogene Information:
Das sollte viel nüchterner als in einer solchen Serie geschehen.
Die Plakatwerbung sei darüber hinaus
im Stil von Mission Impossible gestaltet. Eine solche Serie ist dem Ernst der Lage nicht angemessen",
so die für den Bereich Schulen bei der GEW zuständige Hoffmann.

Betreibt die Bild-Zeitung Kriegspropaganda statt Journalismus?

Zum Auftakt der neuen Serie "Mali" spendierte die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands, die Bild-Zeitung, der jüngsten Rekrutierungskampagne der Bundeswehr beinahe ihre gesamte Seite drei. Dabei wurde das, was sowohl die Bundeswehr als auch die Werbewelt als gelungene Werbekampagne ansehen, ohne journalistische Einordnung übernommen.

Diese Form der Werbung reiht sich ein in eine Vielzahl von Artikeln, mit denen die Bild-Zeitung Werbung für die Bundeswehr und deren Einsätze macht, größtenteils frei von journalistischer Kritik oder Informationen über den Einsatz an sich. Die Bild-Zeitung war selbst in Mali und stellt auf dem Großteil der prominenten dritten Seite Protagonisten vor, die sich im Einsatz filmen ließen. Ein Oberfeldwebel, den die Bild-Zeitung zu Wort kommen ließ, sicherte eine Unfallstelle. Heldenhaft teilt er der deutschen Öffentlichkeit über das Boulevard-Sprachrohr mit, wie selbstlos der deutsche Mustersoldat ist und meint, in dem Moment
denke man nicht an die eigene Sterblichkeit.
Gezielt werden Sympathien für "unsere" Jungs geweckt, die auch mal ohne Socken, bei ungenügender Heizung oder unter knallharten Bedingungen in der Sahara, fern von Familie und Heimat, irgendwie klar kommen müssen. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung fallen Menschen
heute genauso auf Kriegspropaganda herein wie Generationen vor ihnen. Propaganda hat einen großen Anteil daran, dass Kriege geführt werden. Bedrohungsszenarien und Feindparolen, die durch Medien verbreitet werden, schüren die Kriegsbereitschaft.
Die Vorgehensweise sei somit jeher ähnlich geblieben. Zunächst wird der Kriegsbereitschaft einer durch bewusste Angsterzeugung in der Bevölkerung der Boden bereitet.
Menschen lassen sich am ehesten von der Notwendigkeit eines Militäreinsatzes überzeugen, wenn sie sich einem besonders bedrohlichen Gegner ausgesetzt sehen. Mit der Angst vor dem Verlust des Besitzes oder gar des eigenen Lebens steigt die Bereitschaft, einen Krieg zu befürworten. Diese Angst kann sich schnell in Wut wandeln und in Hass auf den vermeintlichen Feind umschlagen. Daher ist es äußerst wirksam, einen Zustand zu schaffen, in dem die Bedrohung von außen allgegenwärtig erscheint.
Weiterhin kommt dabei das Mittel der sprachlichen Verzerrung zum Einsatz, um den "Krieg als gute Sache gegen einen bösen Gegner erscheinen zu lassen".

Dem klaren Feindbild, welches bewusst durch mit Unbehagen verknüpfte Begriffe wie Regime, Diktator, Terrorismus aufgebaut wird, steht eine positiv konnotierte Welt gegenüber, beschrieben mit Begriffen wie Sicherheit, Frieden, Gerechtigkeit, Humanität etc., welche notwendigerweise verteidigt werden soll. Weiterhin werden in der sprachlichen Schönfärberei bestimmte Wörter, im Fall des Employer-Branding wohl auch Bilder, im Zusammenhang mit Krieg bewusst vermieden, welche die Grausamkeit und Barbarei des Einsatzes zutagetreten lassen.

Laut Bild-Zeitung unterstützen die Soldaten in Mali die UN-Blauhelmmission und
sollen für Frieden in der Region sorgen.
Dabei agieren sie also friedlich inmitten eines wahrhaftigen Bedrohungszenarios. Zu dem Einsatz der deutschen Bundeswehr heißt es:
Mali gilt als eines des gefährlichsten Länder der Welt. Dort bekämpfen sich kriegerische Stämme. Islamistische Räuberbanden tyrannisieren die Bevölkerung.
Die teils dysfunktionalen und dadurch für Soldaten lebensgefährlichen Rüstungsgüter, von denen unter anderemvier "Tiger"-Kampfhubschrauber und vier Transporthelikopter des Typs NH90in Mali stationiert sind, kommen laut Bild-Zeitung lediglich zum "Schutz und zur Versorgung der Truppe" zum Einsatz, genau, wie es die Bundeswehr selbst beschreibt. Unkritisch und ohne weitere Hintergründe des Einsatzes journalistisch zu beleuchten, wird der Fokus auf die heldenhaften Soldaten gelegt - so zum Beispiel bei dem bis jetzt ungeklärten Absturz des "Tiger"-Hubschraubers im Juli, bei dem zwei deutsche Soldaten starben.

Außenpolitische Hintergründe - Was ist eigentlich die Mission?

Bei der Bild-Zeitung wird der Leser aufgeklärt, dass "islamistische Räuberbanden" das Land und die Region tyrannisierten. Es gilt also den Terrorismus, den alle gesellschaftlichen Kräfte einenden Feind, zu besiegen und dadurch Deutschland zu verteidigen, schließlich gilt laut Grundgesetz einzig die Landesverteidigung als Grund für den Einsatz der Bundeswehr. Im Februar des Jahres 2013 hatte der Bundestag die Entsendung von Soldaten nach Mali zur Beteiligung an dem mittlerweile größten Blauhelm-Einsatz der UNO beschlossen. Verlängert wurde das Mandat für die so genannte Stabilisierungsmission MINUSMA unter UN-Führung zuletzt am 26. Januar 2017.

Die Bundeswehr selbst wolle laut Feldhaus mit "Mali" auf das zuvor kritisierte Versäumnis der Verharmlosung der Soldatentätigkeit reagieren. Insbesondere wolle sie
die Scheu und die Bedenken vor Auslandseinsätzen abbauen [...], indem wir ein realistisches Bild von den Auslandseinsätzen zeigen, auch den banalen, langweiligen Alltag im Camp.
Die Truppe bezeichnet die Mission in Mali selbst als einen "gefährlichen Einsatz für den Frieden". Also der gute Zweck des Friedens heiligt die finanziell intensiven militärischen Mittel, einschließlich des Bedarfs an jungen, freiwilligen Einsatzkräften, die zunächst durch teure Werbemaßnahmen angelockt werden müssen.

UNO: Sicherheitslage in Mali besorgniserregend verschlechtert

Ob die westlichen Streitkräfte ihren proklamierten Zielen, den Frieden zu gewährleisten und den Terrorismus einzudämmen, näherkommen, ist jedoch fraglich. In der Tendenz geht die Entwicklung der Region weiter gen Destabilisierung, trotz des Einsatzes von rund 11.000 Blauhelmsoldaten, 1.500 Polizisten und Zivilpersonal aus 50 Nationen in der "Stabilisierungsmission" der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA). Dabei war der Einsatz bereits Anfang dieses Jahres als gefährlich einzustufen. So berichtete eine Afrika-Korrespondentin im Magazin Das Parlament:
Die MINUSMA ist die gefährlichste UN-Mission weltweit; 70 Soldaten wurden bereits im Einsatz getötet.
Die Mission komme nicht voran, stattdessen sind
gewaltsame Auseinandersetzungen an der Tagesordnung.
Dieser Aspekt der tödlichen Gefahr wird aber sowohl in der Internetserie des Bundeswehr als auch in der Bild-Zeitung ausgeblendet.

UN-Generalsekretär António Guterres hatte Anfang Oktober darauf hingewiesen, dass sowohl das politische Umfeld als auch die Sicherheitslage in Mali sich in besorgniserregender Weise verschlechtert haben.

Aus einem Bericht für den UN-Sicherheitsrat von Ende September geht hervor, dass die Umsetzung des Friedensabkommens mit verschiedenen bewaffneten Gruppen insbesondere im Norden Malis von Rückschlägen geprägt und sowohl die UN-Mission MINUSMA als auch die malischen Streitkräfte gehäuft Ziel von Anschlägen sei - wobei vor allem die Zivilbevölkerung unter der verschlechterten Sicherheitslage leide.

Weder diese Fakten noch die Hintergründe, wodurch die Region überhaupt destabilisiert wurde, finden bei der Bundeswehr-Erklärung des Einsatzes Erwähnung, erst recht nicht bei dem sich als journalistisches Medium verkaufende Springer-Blatt namens Bild-Zeitung.

Sowohl die vermehrten und lebensgefährlichen Flüchtlingsbewegungen aus Afrika gen Europa als auch die Bedrohung durch bewaffnete Söldner in den Staaten südlich Libyens gehen zu einem großen Teil auf den Zerfall des Landes nach dem NATO-Einsatz im Jahr 2011 zurück. Seitdem die USA, Großbritannien und Frankreich mit vereinten Kräften den libyschen Staatsführer Muammar Al-Gaddafi aus dem Amt gejagt und dessen Tötung zumindest begünstigt hatten, hat nicht nur das Land selbst mit dem daraus resultierenden Chaos zu kämpfen, sondern auch dessen südliche Nachbarn. Stattdessen übernimmt die Bild-Zeitung die Reklamebotschaften des beworbenen Arbeitgebers und verabsäumt dabei jegliche journalistische Bemühung um ausgewogene Berichterstattung.

Abgesehen von diesen multiplen Schwierigkeiten bei der kostspieligen PR-Aktion des Bundesverteidigungsministeriums sowie in der Werbung dafür durch die Bild-Zeitung erinnert die Gewerkschaftsvorsitzende Dr. Ilka Hoffmann daran, dass es in anderen essentiellen Bereichen in Deutschland ebenfalls schwierig ist, Nachwuchs zu gewinnen. Ob beispielsweise der Pflegenotstand oder der Lehrermangel durch eine PR-Kampagne gemindert werden könnte oder eher von fairer Entlohnung oder Arbeitsbedingungen profitieren würden, erscheint als berechtigte Frage.