Menschen, die auf der Straße leben, sollen nachts künftig Notquartiere in den U-Bahnstationen am Moritzplatz und im Bahnhof Lichtenberg finden
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© imago/Jürgen Ritter
Die Entscheidung der BVG kam am Dienstagnachmittag überraschend. Sie ist nun doch bereit - und zwar schon ab dem heutigen Mittwoch - zwei U-Bahnhöfe als Notquartier für Obdachlose zu öffnen. Der U-Bahnhof Moritzplatz in Kreuzberg und der Bahnhof Lichtenberg sollen es werden - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich der Senat um alles kümmert. Er soll Sozialarbeiter und Reinigungskräfte stellen sowie Dixi-Klos besorgen. Der U-Bahnhof Moritzplatz eignet sich, weil er zentral gelegen ist und ein Zwischengeschoss hat, von dem mehrere Ausgänge abgehen. Der Bahnhof Lichtenberg war im vergangenen Winter bereits für Obdachlose geöffnet worden.

Das Problem führte zu Zoff im Senat

Vorausgegangen war eine tagelange Debatte, die schließlich zu Missstimmungen zwischen Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) und der BVG - und dem Vernehmen nach auch zu Zoff im Senat - geführt hatte. Wie berichtet hatte die BVG einen ehemaligen Fußgängertunnel am Alexanderplatz als Notquartier vorgeschlagen. Dies hatte jedoch Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) abgelehnt.

Wenige Stunden vor der Mitteilung, dass nun doch zwei Bahnhöfe geöffnet werden sollten, hatte BVG-Chefin Sigrid Nikutta gesagt: "Wir hoffen noch auf irgendeine andere Lösung." Die BVG sei doch nur ein Platz für Obdachlose "wenn sonst nichts anderes mehr geht". Sie sagte aber auch: "Wenn man uns bittet, dann machen wir das" - und vermied das Wort "zwingen".

Das Angebot richtet sich besonders an Obdachlose mit Hunden

Auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach sprach bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Dienstag nicht von "zwingen". Sie sagte stattdessen: "Der Senat ist der Ansicht, dass die BVG als Landesunternehmen eine soziale Verantwortung für die Stadt hat." Der Senat "erwarte" deshalb, dass die BVG wieder ein Angebot für diejenigen Obdachlosen macht, die die Angebote der Kältehilfe nicht nutzen können. Es gehe um etwa 80 bis 100 Personen, die aus verschiedenen Gründen die Notunterkünfte der Kältehilfe nicht in Anspruch nehmen: weil sie ihre Hunde nicht mitnehmen dürfen, nicht auf Alkohol verzichten können oder zu krank seien.

Wer übernimmt die Reinigung? Darum wird noch gerangelt

Breitenbach sagte, dass sie mit BVG-Chefin Nikutta über das Problem sprechen und eine Lösung finden wolle. Bei einem solchen Gespräch dürfte es dann um die Bedingungen der BVG gehen. Denn diese will beispielsweise, dass der Senat Betreuung und Reinigung übernimmt. Breitenbach sagte, dass es bereits eine Vereinbarung gebe, nach der das Land Toiletten und Sozialarbeiter zur Verfügung stelle. Über das Thema Reinigung wolle sie noch einmal mit der BVG sprechen, sagte aber auch: "Die BVG bekommt eine Menge Zuschüsse, da müsste vielleicht eine Reinigung möglich sein."

Die Notplätze der Kältehilfe sind weitgehend belegt

Unterstützung für die BVG versprach der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach der Senatssitzung. Man werde die BVG nicht damit "allein lassen". Aber man könne sonst nicht verhindern, dass eine kleine Gruppe von Menschen sich möglicherweise einen illegalen Zugang zu Bahnhöfen oder Tunneln verschaffen würden. "Es ist selbstverständlich, dass das nur ein kleiner Baustein ist. Wir bieten 1200 Plätze in der Kältehilfe an, brauchen aber noch mehr Plätze", sagte Müller. Das Angebot werde "ausgebaut." Laut Breitenbach sind die 1200 Notplätze der Kältehilfe derzeit zu rund 80 Prozent belegt.

Sind Tempohomes eine geeignete Alternative?

Müller sagte, auch Tempohomes werden beim Ausbau eine Rolle spielen. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hatte Medienberichten zufolge vorgeschlagen, diese auch für Obdachlose zu nutzen. Sozialsenatorin Breitenbach sprach sich aber dagegen aus. "Die Tempohomes eignen sich nicht für die Zielgruppe, die die Kältebahnhöfe nutzt", sagte sie. Pop, die auch BVG-Aufsichtsratsvorsitzende ist, hatte in der Senatssitzung am Dienstag dem Vernehmen nach die Position der BVG verteidigt, aufgrund der Probleme mit Sicherheit und Hygiene keine Bahnhöfe über Winter mehr nachts geöffnet zu lassen. Dagegen wandten sich die Linken empört. "Eine emotionale Diskussion folgte", wie übereinstimmend berichtet wurde. Am Ende habe sich der Senat der Position von Breitenbach angeschlossen, sagte Müller.

Im letzten Jahr, als weit mehr Obdachlose in den beiden "Kältebahnhöfen" Südstern und Lichtenberg übernachteten, waren immer wieder Obdachlose zum Urinieren unter Gefahr in die Gleise geklettert. Es verläuft dort eine Stromschiene mit 750 Volt Spannung. In den jetzt vorgesehenen Bahnhofsräumen am Moritzplatz und in Lichtenberg gibt es laut BVG keinen Zugang zu den Gleisen.