Kairo. Bei einer Demonstration von koptischen Christen in Kairo sind am Sonntagabend mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen. Bei den Zusammenstößen zwischen Kopten, Muslimen und Sicherheitskräften seien zudem mehr als 170 Menschen verletzt worden, meldete das Staatsfernsehen. Es waren die schwersten Ausschreitungen in Ägypten seit dem Sturz von Ex-Präsident Husni Mubarak, Regierungschef Essam Scharaf sagte, das Land sei "in Gefahr".
ägypten, feuer
© EPA/dpaDie Gewalt in Kairo eskaliert, nachdem koptische Christen auf die Straße gingen. Mehr als 20 Menschen starben.
Mehrere tausend koptische Christen hatten am Abend zunächst friedlich gegen einen Brandanschlag auf eine Kirche in der Region Assuan demonstiert. Kurz nachdem der Demonstrationszug das Gebäude des staatlichen Fernsehens erreicht hatte, kam es aus zunächst ungeklärter Ursache zu ersten Zusammenstößen.

Demonstranten warfen Steine auf Polizisten und Soldaten, die das Gebäude bewachten, und setzten Autos in Brand. Die Sicherheitskräfte gaben Schüsse in die Luft ab und setzten Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben.

Wie das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium berichtete, wurden mindestens 24 Menschen getötet und 174 weitere verletzt. Ein APF-Korrespondent sah 17 Leichen in einem Krankenhaus. Laut einem koptischen Priester starben allein fünf Demonstranten, als sie von einem Armeefahrzeug überfahren wurden. Weitere Opfer wiesen Schusswunden auf.

Auf ihrem Demonstrationszug quer durch die Stadt hatten die Kopten Kreuze geschwenkt und "Nieder mit dem Marschall" skandiert, womit sie Armeechef Hussein Tantawi meinten, den derzeitigen Leiter des regierenden Militärrats.

Später gingen Kopten und Muslime in der Nähe des Krankenhauses im Stadtzentrum, in das die Toten und Verletzten der abendlichen Ausschreitungen gebracht worden waren, mit Stöcken und Steinen aufeinander los. In einer benachbarten Straße standen mehrere Autos in Flammen. Einige Demonstranten zapften Benzin aus parkenden Autos, um Brandsätze daraus zu basteln.

Nächtliche Ausgangssperre in Kairo

Die Behörden verhängten eine nächtliche Ausgangssperre über Teile der Hauptstadt. Die fünfstündige Ausgangssperre gilt bis 07.00 Uhr am Montagmorgen, wie das Staatsfernsehen berichtete. Betroffen seien die Viertel von Maspero, wo das Gebäude des staatlichen Fernsehens liegt, bis zum Abassija-Platz in der Nähe der koptischen Kathedrale.

Ägyptens amtierender Regierungschef Scharaf forderte Christen und Muslime zu "Zurückhaltung" auf. Es handele sich jedoch nicht um religiöse Auseinandersetzungen, sondern um den Versuch, "Chaos zu verursachen".

Das Ziel des "Komplotts" sei, die für Ende November geplanten Wahlen zu behindern. Scharaf steht der nach dem Sturz Mubaraks im Februar eingesetzten Übergangsregierung vor, die eigentliche Macht liegt jedoch beim Militärrat.

Bereits vor eine Woche waren hunderte koptische Christen nach der Brandstiftung an der Kirche in Assuan auf die Straße gegangen. Sie war von jungen Muslimen in Brand gesetzt worden, nachdem der örtliche Gouverneur erklärt hätte, das Gotteshaus sei ohne behördliche Zustimmung errichtet worden.

Seit Monaten mehren sich in Ägypten die Angriffe auf die Kopten, die bis zu zehn Prozent der Bevölkerung stellen. Sie klagen seit langem über Diskriminierung und warnen, dass seit Mubaraks Sturz der Einfluss der Islamisten gestiegen sei.