Angesichts neuer Massaker-Berichte und heftiger Angriffe von Assad-Truppen auf Rebellenstädte gilt die Beobachter-Mission in Syrien als so gut wie gescheitert. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnt vor der akuten Gefahr eines Bürgerkriegs. Viele Beobachter glauben: Er hat längst begonnen.

Damaskus/Düsseldorf - Es ist ein lebensgefährlicher Job und wohl auch eine unmögliche Mission. Trotzdem kletterten die Männer mit dem blauen Barett in Damaskus wieder in die weißen Geländewagen mit dem UN-Logo. Diesmal gelang es ihnen, sich durchzuschlagen ins Dorf Masraat al Kubeir in der Provinz Hama. Dort waren am Mittwoch nach Angaben von Oppositionellen 78 Zivilisten erschossen, erstochen oder verbrannt worden, darunter viele Kinder und Frauen. Am Donnerstag hatten Soldaten und Bewaffnete in Zivil die UN-Beobachter noch gehindert, die Massaker-Berichte vor Ort zu überprüfen. Als käme es jetzt darauf noch an, mordet das Assad-Regime doch immer ungenierter.


Kommentar: Dies sind nur die Aussagen vieler Medien, dass es sich tatsächlich um das Assad-Regime handelt.


In Masraat al Kubeir boten sich den UN-Beobachtern nach der Schilderung eines BBC-Reporters "grauenhafte Szenen". Schon am 25. Mai hatte ein von regulären Truppen und Regime-Milizen in der Stadt Hula angerichtetes Blutbad mit 100 Toten, darunter ebenfalls viele Frauen und Kinder, weltweit Entsetzen ausgelöst. Schwere Gefechte wurden auch aus Damaskus gemeldet. Gestern begannen syrische Truppen, ein seit Monaten von Rebellen kontrolliertes Viertel in der Stadt Homs sturmreif zu schießen. Selbst der erfahrene Berufsdiplomat und UN-Sondergesandte Kofi Annan musste nun einräumen, dass sein Sechs-Punkte-Plan für Syrien nicht umgesetzt wird. Annan ließ auch keinen Zweifel daran, wen er als Verantwortlichen für das Scheitern seines Friedensplans sieht: den syrischen Präsidenten Baschar al Assad.

Annan, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil el Arabi, warnten vor der "Gefahr eines regelrechten Bürgerkriegs, mit katastrophalen Folgen für Syrien und die Region". Viele Beobachter glauben freilich, dass das Land die Schwelle dazu längst überschritten hat. Es mehren sich die Anzeichen, dass die Gewalt sich nicht mehr nur entlang der Frontlinien zwischen Regime und Opposition abspielt, sondern es immer mehr auch zu Racheakten zwischen den verschiedenen Volksgruppen kommt.

Dabei stehen vor allem Sunniten gegen Alawiten, die in Syrien die Minderheit bilden und denen auch Assad angehört. Aus den Reihen der Alawiten rekrutieren sich vorwiegend auch die berüchtigten Schabiha-Milizen, die für die jüngsten Massaker verantwortlich gemacht werden. Diese bestialischen Morde, bei denen Wehrlose mit Messern und Knüppeln abgeschlachtet oder aus nächster Nähe erschossen wurden, legen den Schluss nahe, dass Assad sich längst auf eine Alles-oder-Nichts-Strategie verlegt hat: Sieg oder Untergang.

Die internationale Diplomatie reagiert bisher hilflos. Der UN-Sicherheitsrat ist gelähmt, weil Russland und China eine scharfe Verurteilung des syrischen Regimes ebenso verhindern wie mögliche Sanktionen. Zwar schloss der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin Sanktionen zuletzt nicht mehr kategorisch aus. Er beschuldigte den Westen indes erneut, parteiisch zu sein und die Schuld an der Gewalt allein der syrischen Regierung zu geben.

Nun sucht der Sondergesandte Annan nach neuen Möglichkeiten, auch unter Umgehung des Sicherheitsrates Druck auf Assad auszuüben. Annan setzt auf die Bildung einer neuen Kontaktgruppe. Neben den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China sollen darin auch regionale Mächte mit Einfluss auf Syrien eingebunden werden. Dazu gehört vor allem der Iran, neben Russland der wichtigste Verbündete Assads. Dabei ist freilich zweifelhaft, ob Teheran überhaupt in der gewünschten Weise auf Assad einwirken will. Iranische Berater sollen den Diktator zu Beginn der Proteste sogar zu einem harten Vorgehen gegen die Opposition gedrängt haben. Ganz offenbar beliefert das Mullah-Regime Assad auch weiterhin mit Waffen - ebenso wie Russland.

Militärische Ausrüstung wird allerdings auch an die Rebellen geliefert, bezahlt mit Petro-Dollars. In Syrien bahnt sich damit ein Stellvertreter-Krieg zwischen den sunnitischen Golf-Monarchien und der schiitischen Republik Iran an. Und der Konflikt schwappt bereits über die Grenze in den benachbarten Libanon. Ein Dutzend Tote haben bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen (sunnitischen) Gegnern und (schiitischen) Anhängern Assads allein seit Ende Mai gefordert. Viele Menschen in dem kleinen Zedernstaat, der bis heute die Narben von 15 Jahren Bürgerkrieg trägt, haben jetzt Angst, dass sich der Alptraum wiederholt.