»Ein Feind, ein guter Feind, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt!«, trällerte einst Heinz Rühmann. Pardon: Ein guter Freund, natürlich. Doch so absurd ist der Gedanke nicht. Denn über einen guten Feind geht ebenfalls nichts, wie Israels Unterstützung der islamischen Widerstandsbewegung Hamas beweist...
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»Liebet eure Feinde!«, forderte einst Jesus Christus. Die Geheimdienste und Politiker dieser Welt würden das sofort zustimmen. Wobei es bei ihnen vollständig heißt: »Gründe deine Feinde!« Anschließend: »Steuere deine Feinde!« Und dann erst: »Liebet eure Feinde!«. Denn da Staaten nun mal Feinde brauchen, ist es doch besser, sich gleich selbst ans Ruder zu setzen als wirkliche und natürliche Feinde entstehen zu lassen. So gehen Freund und Feind bzw. Feind und Feind jahrzehntelange erfolgreiche Symbiosen ein, denn ein guter Feind ist fast noch wichtiger als ein guter Freund: Der Feind suggeriert dem eigenen Lager, wie sehr man als Regierung gebraucht wird und schweißt Regierung und Bevölkerung zusammen. Denn schließlich geht nichts über einen permanenten Krieg, der keinen Sieg und demzufolge auch kein Ende kennt - denn sonst wäre der jeweilige Feind ja weg. Entweder durch Vernichtung oder durch einen Friedensvertrag. Das wusste schon George Orwell. Und wer das nicht glaubt, hat noch nie etwas von Dialektik gehört. Beziehungen zwischen Feinden können viel stabiler sein als Beziehungen zwischen Freunden oder Ehepaaren, wie man am Beispiel Sowjetunion/USA oder Israel/Palästinenser erkennen kann. Jahrzehntelang beharkt man sich gegenseitig; der eine liefert den Vorwand für das Handeln des anderen, und wenn sie nicht gestorben sind - wie die Sowjetunion - , dann beharken sie sich noch heute.

Eine üble bzw. übliche Verschwörungstheorie

Halt! Israel steuert die islamische Widerstandsbewegung Hamas? Hat sie womöglich gegründet? Das ist natürlich eine übliche - pardon: üble Verschwörungstheorie! Und zwar so übel bzw. üblich, dass man sie sogar bei Wikipedialesen kann: »Einige Publikationen und Personen verweisen bei der Gründung der Hamas Ende der 80er Jahre auch auf den - umstrittenen - Einfluss staatlicher, israelischer Stellen. ... Vor allem auch linke Gruppen und Periodika sprechen immer wieder davon, dass die Politisierung (und damit auch Militarisierung) der Muslimbruderschaft aus der die Hamas 1987 hervorging etwa vom israelischen Geheimdienst unterstützt wurde.« Dieser Meinung ist zum Beispiel auch der jüdische Historiker und Oxford-Professor Avi Shlaim, früher ein loyaler Soldat der israelischen Armee, wie er betont. Shlaim zufolge spielt Israel das alte Spiel des Teilens und Herrschens mit den verschiedenen Palästinenser-Fraktionen. »In den späten 80er Jahren unterstützte Israel die entstehende Hamas, um die von Jassir Arafat geführte weltliche Nationalbewegung Fatah zu schwächen.« Mit Erfolg. Arafat starb (unter mysteriösen Umständen) am 11. November 2004; die Hamas eroberte nur ein gutes Jahr später, im Januar 2006, die Mehrheit im palästinensischen Parlament. Operation gelungen, Patient tot, kann man da nur sagen.

Die wichtigste Machtbasis ist der Feind

Papperlapapp - Israel und die Hamas bekämpfen sich doch bis aufs Messer! Ja und nein. »Bekämpfen«: ja. »Bis aufs Messer«: nein. Sowohl die israelische als auch die palästinensische Regierung (der Hamas) stützen ihre Macht auf den ewigen Krieg. Er verschafft ihnen Loyalität, Legitimation und natürlich auch internationale Unterstützung in Form von Geld und Waffen. Die wichtigste Machtbasis der israelischen bzw. palästinensischen Regierung ist daher der Feind. Auf eine Vernichtung dieses »Feindes« hat man es deshalb gar nicht abgesehen. Die Hamas baut deshalb hauptsächlich Raketen, die zwar öffentlichkeitswirksam sind, aber - bis auf einige beklagenswerte Opfer - keine ernsten zivilen oder gar militärischen Schäden anrichten können.

Nicht doch. Schließlich tötete am 14. November 2012 eine israelische Rakete den Kommandeur des militärischen Arms der Hamas, Ahmad al-Jabari. »Israels Inlandsgeheimdienst "Schin Bet" bezichtigt al-Jabari in einem ersten Statement ›für alle terroristischen Aktivitäten aus Gaza gegen Israel‹ verantwortlich zu sein«, schrieb dazu der österreichische Standard (online). Allerdings war al-Jabari keineswegs der Kriegstreiber, als den ihn die Propaganda hinzustellen versucht. Vielmehr wurde damit ausgerechnet jener Mann weggebombt, der mit Israel über einen Waffenstillstand verhandelte, behauptet der israelische Friedensaktivist Gerschon Baskin. Israel dreht der Hamas nicht wirklich den Hahn zu, indem es beispielsweise den Raketenbau in dem überschaubaren Gazastreifen unterbinden würde. Dann müsste man sich ja plötzlich mit den hausgemachten Problemen beschäftigen.

Es gibt auch entschiedene Gegner dieser Idee. So schrieb beispielsweise der Journalist Ulrich W. Sahm Ende 2011 »von der Mär der Unterstützung der Hamas durch Israel«, wie man ebenfalls auf Wikipedia lesen kann. Nicht lesen kann man in diesem Lexikonartikel, dass Sahm nicht nur in Israel studiert hat, sondern auch dort lebt und mit einer israelischen Frau verheiratet ist. Was weder verwerflich noch verboten ist, sondern lediglich den Hintergrund illustriert. Sahms Bücher erscheinen unter anderem in israelischen Verlagen und enthalten mitunter ein Geleitwort des deutsch-israelischen Journalisten Henryk Broder. Auf seiner Website benennt Sahm den Lügenbaron Münchhausen als seinen Vorfahren - von dem Sahm sich entschieden distanziert, versteht sich.