traum
© Franz Marc

Heilpraktiker Daniel Reinemer im Gespräch über träumerische Abenteuer und das tief Verborgene in uns.

Daniel Reinemer studierte am C.G. Jung Institut in Zürich Psychologie und ist heute ein Experte für Träume. Im Interview spricht er über den Traum, seine Bedeutung für die menschliche Seele und was er uns sagen will.

Wozu träumen wir?

Es gibt Theoretiker, die sagen, man träumt ausschließlich um zu verarbeiten und man muss seinen Träumen auch in keinster Weise weitere Beachtung schenken. Andere sagen, man produziere im Traum Unbewusstes, was einen tief im Inneren beschäftigt und im Traum bildhaft Hinweise darauf gibt, Lösungen zu finden. Das geht in Richtung Botschaft.

Ich glaube, es ist ein bisschen was von beidem: Es ist viel Tagesgeschäft, da geht es einfach um die Verarbeitung des am Vortag Geschehenen. Viele Träume geben aber sicherlich Hinweise auf Verborgenes in uns und sind deshalb wichtig zu beachten.

Wovon hängt es ab, ob jemand eher der Alltags-Träumer oder der Botschaften-Träumer ist?

Es gibt bei jedem Menschen beides. Und es gibt natürlich Menschen, die von sich sagen, sie träumen gar nicht, was vor allem in das Schema der Verdrängung passt. Ich glaube, beobachtet zu haben, dass bei Menschen, die sehr reflektiert in ihrem Leben sind, eher die Träume Überhand haben, die an das Tagesgeschehen gekoppelt sind. Grundsätzlich würde ich dennoch sagen, die unterschiedlichen Traumebenen kommen Phasenweise, je nachdem, wo der Mensch gerade steht. Oft steckt auch in einem vermeintlich „banalen“ Alltagstraum etwas viel Tieferes.

Warum erscheinen uns alltägliche Dinge im Traum oft in ganz abgewandelter Form?

Viele Menschen träumen von ihrem Zuhause und es sieht ganz anders aus als im reellen Leben: Ein abgewandeltes Haus ist meistens das Symbol für die eigene Persönlichkeit. Alle Zimmer sind bekannte und verborgene Teile des eigenen Ichs.

Bei Personen ist es ähnlich: Manchmal träumt man von Freunden und die sehen ganz anders aus als in Wirklichkeit. Sie können ganz einfach für sich selbst in abgewandelter Form stehen. Sie können aber auch für eine bestimmte Eigenschaft unserer Persönlichkeit stehen. Personen, die man nicht kennt, stehen im Traum klassischer Weise für Anteile des eigenen Ichs, die man von sich selbst noch nicht kennt.

Gibt es bestimmte Kategorien von Träumen?

Klassischer Weise wird zwischen großen und kleinen Träume unterschieden. Kleine Träume sind eher an den Alltag gekoppelt und große Träume sind die, an die man sich immer erinnert, die man nicht vergisst. Das sind Träume, bei denen man aufwacht, und selbst wenn man nicht mehr weiß, worum es ging, spürt man, dass es etwas Wichtiges war.

Gibt es dennoch Träume, die gar nichts mit uns zutun haben?

Ich glaube schon, dass alles was man träumt, alle Phantasien die man tagsüber hat und oft nicht zulässt, etwas mit uns zu tun haben. Neurobiologisch würde man sagen: Diese Träume werden ja von unseren eigenen Neuronen produziert und die würden nicht produziert werden, wenn sie nichts mit uns zu tun hätten.

Gibt es klassische Träume, die ganz viele Menschen haben?

Es gibt sehr eindeutige Traumsymbole, die aber dennoch ganz viele Bedeutungen haben können. Jeder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen und demnach auch ganz individuelle Symbole. Viele Menschen träumen vom Berg: Das steht symbolisch dafür, von unten nach oben zu steigen, eine Schwierigkeit zu überwinden, von der Krise aufzustehen.

Wasser steht symbolisch für unbewusste Prozesse. Wenn man irgendwo eintaucht, etwas von Grund hervortaucht, steht das oft dafür, dass der Mensch sich gerade mit sich selbst stark beschäftigt.

Tiere stehen meistens für etwas Triebhaftes, Animalisches, für Seiten, die man sich im reellen Leben vielleicht nicht so gerne eingesteht. Beim Fliegen in Träumen fehlt erstmal der Bezug zum Boden. Das wird oft als sehr leicht und schön empfunden, aber man steht nicht da im Leben, wo man sein sollte, sondern fliegt einfach darüber hinweg.

Verfolgung im Traum steht oft dafür, dass einen eine Idee nicht loslässt, ein Wunsch, den man hat und sich nicht eingestehen will, er verfolgt einen so lange im Traum, bis man ihn endlich einmal wahrnimmt. Im Traum passiert also etwas vermeintlich Schlimmes, der Gehalt ist aber vielleicht ein ganz Positiver.

Widerstrebt das Bewusstsein tatsächlich von Natur aus erstmal dem Unbewussten, Unbekannten?

Ich glaube schon. Obwohl man sich beim Aufwachen noch ganz genau an den Traum erinnert, weil er so intensiv war, hat man ihn doch oft nach fünf Minuten vergessen. Das ist genau dieses Widerstreben des Bewusstseins gegen das Unbewusste. Wenn man dem Unbewussten eine Gestalt geben müsste, wäre das wahrscheinlich jemand, der irgendwo in einer Ecke sitzt und nicht bemerkt werden möchte

Kann man überhaupt sein Leben lang weglaufen oder holt es einen so oder so irgendwann ein?

Ich glaube schon, dass es Menschen gibt, die in ihrem Leben so gut verdrängen, dass sie es gar nicht mehr merken. Und das sage ich ganz wertfrei: Verdrängen kann manchmal sehr wichtig sein. Es ist ein Vorgang, der den Menschen schützen kann. Natürlich ist die Vergangenheit unglaublich wichtig für unseren Werdegang, aber man sollte manchmal vielleicht auch akzeptieren, dass es Momente gibt, in denen Dinge einfach unangetastet bleiben sollten, weil der Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, sie hochzuholen und zu verarbeiten.

Kann man es trainieren, seinen Träumen im reellen Leben mehr Platz zu geben?

Jeder kann ein Traumtagebuch führen. Man kann den Traum auch malen. Es ist interessant, zu sehen, welche Form der Traum annimmt, wenn man ihn in das reelle Leben zieht. Bei wiederkehrenden Träumen kann es dann oft sein, dass man nicht mehr davon träumt, weil man dem Traum ein Gesicht gegeben hat. Wenn man sich selbst mit seinen Träumen überfordert fühlt, kann man sich natürlich professionelle Hilfe zur Unterstützung suchen. Schön wäre es erstmal, überhaupt damit anzufangen, die Träume in uns anzunehmen und sie nicht abzuspalten. Man kann dabei eigentlich nur gewinnen.