Y-Chromosomen der Männer zeigen Populationsexplosion in der BronzezeitNur eine Handvoll Urväter: Zwei Drittel aller europäischen Männer stammen von nur einer Handvoll männlicher Vorfahren aus der Bronzezeit ab. Das jedenfalls legen Vergleichsanalysen der Y-Chromosomen von Männern aus 17 Volksgruppen Europas nahe. Wer diese Urväter waren und warum in der Bronzezeit die Bevölkerung plötzlich stark anwuchs, ist bisher noch rätselhaft, wie die Forscher im Fachmagazin
Nature Communications.
© Bundesarchiv Bild 101I-121-0005-05
Die Abstammungs-Geschichte der Europäer ist reichlich komplex. Denn unter unseren Vorfahren waren nicht nur urzeitliche Jäger und Sammler dieser Region, sondern auch verschiedenste Einwanderer. So brachten jungsteinzeitliche Bauern aus dem Nahen Osten die Landwirtschaft mit und
mischten sich mit den Ureinwohnern. Aber auch Steppenbewohner Zentralasiens hinterließen ihre Spuren in unserem Erbgut - und könnten uns
unsere Sprache gebracht haben.
Mit Hilfe von DNA-Analysen haben Chiara Batini von der University of Leicester und ihre Kollegen nun ein weiteres Puzzleteil unserer Herkunft aufgedeckt. Für ihre Studie analysierten und verglichen sie Sequenzen vom Y-Chromosom von 334 Männern aus 17 verschiedenen Volksgruppen Europas und des Nahen Ostens. Weil das männliche Geschlechtshormon nur von Vätern an ihre Söhne weitergegeben wird, lässt sich die Abstammungsgeschichte über die männliche Linie besonders gut ermitteln.
Umbruch in der BronzezeitDie Ergebnisse zeigten Überraschendes: Neben der schon bekannten Einwanderung von jungsteinzeitlichen Bauern aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Europa fanden die Forscher auch Hinweise auf einen späteren Umbruch: In 13 von 17 Volksgruppen erreichten die Männer vor rund 4.200 bis 2.100 Jahren einen Bevölkerungs-Engpass. Anschließend wuchsen die Populationen rapide an.
"Diese Populations-Explosion reichte vom Balkan bis zu den Britischen Inseln", so die Forscher.
Seltsamerweise scheint sie vor allem den männlichen Teil der Bevölkerung betroffen zu haben. Denn frühere Studien an weiblichen mitochondrialen Genen fanden keine Hinweise auf ein solches bronzezeitliches Bevölkerungswachstum. Klar scheint nur, dass
diese Veränderungen viel zu spät stattfanden, um mit der Verbreitung der Landwirtschaft erklärbar zu sein. "Angesichts des geringen Alters und eines fehlenden geografischen Musters muss dieser Wandel aber auf anderes als das Aufkommen der Landwirtschaft zurückgehen", so die Forscher.
Nur drei UrväterNoch spannender: Zwei Drittel der untersuchten heutigen Männer gehen offenbar
auf nur drei Vorfahren zurück, die vor maximal 7.300 Jahren lebten. Wer diese sind und warum das so ist, bleibt allerdings
bisher rätselhaft. "Angesichts der kulturellen Komplexität der Bronzezeit ist es schwierig, diesem Geschehen ein spezifisches Ereignis zuzuordnen", sagt Batini.
Eine Vermutung haben die Forscher aber durchaus: Sie sehen eine Verbindung zur Einwanderung von Reiternomaden aus den eurasischen Steppengebieten. Deren charakteristische Grabhügel tauchen etwa ab 3.100 vor Christus zwischen den Karpaten und dem Kaspischen Meer auf und reichen bis ins europäische Donautal hinein. Genanalysen von Toten dieser Jamnaja-Kultur zeigten, dass sie genetisch den heutigen Europäern sehr ähnlich waren.
Dominante Nomaden-Männer?Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte es in der Bronzezeit aber auch einen sozialen Wandel gegeben haben, der die Bevölkerungsstruktur der Europäer veränderte. "Das Bevölkerungswachstum fällt in eine Zeit, in der es einen Wandel der Begräbnissitten gab, sich das Reiten in Europa ausbreitete und es neue Entwicklungen bei Waffen gab", erklärt Seniorautor Mark Jobling von der University of Leicester.
Möglicherweise brachten die Reiternomaden auch ihre Sitten in Bezug auf die Partnerwahl und Familie mit. "Dominante Männer, die mit diesen neuen Kulturen verbunden waren, könnten durchaus für die heute sichtbaren Genmuster der Y-Chromosomen verantwortlich gewesen sein", so Jobling. Ähnlich
wie in Asien könnten die Clanführer besonders viele Nachkommen gezeugt haben und so ihre Gene überproportional stark verbreitet haben.
(Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms8152)(University of Leicester, 20.05.2015 - NPO)
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