Die Biotech-Industrie zahlt freundlich gesinnten Forschern grosszügig Reisen und Auftritte. Das enthüllen vertrauliche E-Mails.
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Das Geschäft mit Saatgut und Lebensmitteln ist ein Milliardengeschäft. Entsprechend hart wird um Marktanteile und gentechnikfreundliche Gesetze gekämpft. Zwischen den globalen Biotech-Konzernen und ihren Gegnern tobt weltweit ein Kampf um die Zulassung genetisch veränderter Lebensmittel.

Derzeit vor allem in den USA. Dort schickt sich der Senat gerade an, ein Gesetz zu verabschieden, das den einzelnen US-Bundesstaaten verbieten würde, für genveränderte Lebensmittel eine Deklaration vorzuschreiben.

E-Mails enthüllen, wie die Industrie Wissenschaftler für ihre Zwecke einsetzt

Eine wichtige Rolle im «Food War» spielen Wissenschaftler. Ihre Expertise ist gefragt, was unabhängige Experten zu gesuchten Fürsprechern macht. Tausende vertraulicher E-Mails, die die New York Times (NYT) im September ausgewertet hat, ermöglichen einen Einblick in die Vorgehensweisen der Lebensmittelindustrie und zeigen, wie die Industrie Akademiker für ihre Zwecke einsetzt.

Die Herausgabe der E-Mails hat die Non-Profit-Organisation «U.S. Right to Know» aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes «Freedom of Information Act» erzwungen. Die NGO wird von Herstellern von Biolebensmitteln finanziert. Die Analyse der NYT stellt die Unabhängigkeit der beteiligten Wissenschaftler in Frage.

Einfluss auf Abgeordnete und Aufsichtsbehörden

Derzeit liegen die Gegner von genveränderten Nahrungsmitteln in der öffentlichen Debatte vorn. Mehrere Lebensmittelhersteller haben Zutaten aus genmanipulierten Pflanzen in ihren Produkten reduziert oder verzichten ganz darauf - eine Entwicklung, welche die Marktposition von Unternehmen wie Monsanto gefährdet.

Die Industrie versucht im Gegenzug mit Informationskampagnen gegen «Falschinformationen» vorzugehen. Dabei stützt sie sich nicht nur auf Aussagen von Forschern, die sich positiv zur Gentechnik äussern, sondern motiviert und finanziert solche Wissenschaftler, sich für die Gentechnik einzusetzen.

«Es ist im öffentlichen Interesse, dass Akademiker nicht nur beim Konsumenten ein Wort einlegen, sondern auch bei Abgeordneten und Aufsichtsbehörden», begründet eine Sprecherin von Monsanto in der NYT.

Forschungsgelder für Befürworter der Gentechnik

Diese Strategie hat sich bereits ausbezahlt. Das geht aus den E-Mails hervor, welche die NYT auswertete. «Unabhängige» Experten haben sich demnach aktiv und erfolgreich in Zulassungsverfahren von genmanipuliertem Saatgut eingemischt.

Monsanto zahlte Forschungsgelder in unbekannter Höhe an gentechnikfreundliche Wissenschaftler. Einer der Empfänger ist Professor Kevin Folta, Direktor des Instituts für wissenschaftlichen Gartenbau an der University of Florida. Bis zur Herausgabe des E-Mail-Verkehrs verschwieg Folta seine Beziehungen zu Monsanto.


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Selten gelangen solche internen Dokumente an die Öffentlichkeit. Doch bis heute haben die grossen Medien in der Schweiz über diesen enthüllten E-Mail-Verkehr zwischen Monsanto und gentech-freundlichen Professoren nicht informiert.

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«Wir schätzen unabhängige Wissenschaftler sehr»

Der Molekularbiologe Folta gilt als einer der vehementesten Befürworter der Biotechnologie. Monsanto finanzierte ihm unter anderem Vortragsreisen. «Ein grossartiger Weg, um die nötige Unterstützung zu erreichen», schrieb ihm Michael Lohuis, Leiter der Pflanzenbiometrie bei Monsanto.

Folta forscht seit mehr als zehn Jahren über die Genetik von Obstpflanzen. Vor zwei Jahren hatte ihn Monsanto aufgrund eines Blogartikels angesprochen. «Wir schätzen unabhängige Wissenschaftler, die daran arbeiten, die Öffentlichkeit aufzuklären sehr», schrieb ihm im April 2013 ein Mikrobiologe, der für Monsanto arbeitet,.

Einige Wochen später meldete sich der «Council for Biotechnology Information» bei Folta. Diese Organisation, hinter der die Unternehmen Bayer, Dow Chemical, DuPont, Monsanto und die BASF stehen, fragte an, ob er sich zusammen mit anderen Wissenschaftlern an einer Webplattform beteiligen wolle.

Wissenschaftler übernahm vorgegebene Antworten

Die Webpage «GMO Answers» beantwortet Fragen von Konsumentinnen und Konsumenten zu genmanipulierten Organismen (GMO). Fragen wie «Bekommt man von genetisch manipulierten Organismen Krebs?» werden dort von Wissenschaftlern online beantwortet.

Das PR-Unternehmen Ketchum, das für Monsanto tätig ist, stellte Professor Folta gleich vorgefertigte Antworten zur Verfügung. E-Mails zeigen, dass Folta diese in einigen Fällen so gut wie unverändert übernahm. «Ein Fehler», sagt er heute. Inzwischen bestehe er darauf, seine Antworten selbst zu schreiben.

Bald wurde der promovierte Molekularbiologe Mitglied eines strategischen Zirkels aus Lobbyisten, Beratern und Führungskräften. Zusammen erarbeitete man Vorschläge, wie die Deklarationspflicht für genmanipulierte Lebensmittel verhindert werden könnte. Im Hinblick auf das neue Gesetz beriet man vor Kurzem auch, wie der US-Kongress dazu bewegt werden könne, die Kennzeichnung in allen Bundesstaaten zu verbieten.

«Bitte schicken Sie uns alle Belege»

Folta behauptet, sich inhaltlich nie angepasst zu haben. «Ich möchte betonen, dass ich keine persönlichen Honorare beziehe», sagte er auf einem Hearing in Hawaii. Allerdings wurden Reisen zu Anhörungen und Vorträgen in Pennsylvania und Hawaii, wo er für die Gentechnik eintrat, grosszügig gesponsert.

Den Industrievertretern, die seine Reisen und Spesen bezahlten, rapportierte Folta regelmässig. Er berichtete auch darüber, was seine Kontakte mit Gegnern der Gentechnik ergaben. Bei der Industrie kam das gut an. «Ihre Mail hat meinen Tag gerettet», schrieb eine stellvertretende Vorsitzende der «Biotechnology Industry Organisation» BIO als Antwort auf einen Bericht Foltas über ein parlamentarisches Hearing in Pennsylvania im Oktober 2014. «Bitte schicken Sie uns alle Belege, wenn Sie dazu kommen. Es eilt nicht», fügte sie hinzu.

Kevin Folta: «Handfeste Gegenleistung für die Investition»

Für einen Beitrag von 25'000 Dollar, den Folta im August 2014 zur Finanzierung seiner Reisen erhielt, bedankte er sich bei Monsanto wie folgt: «Ich bin dankbar für diese Chance und verspreche eine handfeste Gegenleistung für diese Investition».

Der NYT sagte Folta, er habe eine Kampagne «Biotechnology Outreach» aus freien Stücken unterstützt, weil sie seinen Überzeugungen entspreche. Sich öffentlich für Gentechnik einzusetzen, sehe er als Wissenschaftler als seine Aufgabe an. Doch das Ausmass seiner Beziehungen zu Monsanto legte der Wissenschaftler erst offen, nachdem seine E-Mail-Korrespondenz mit dem Saatgutunternehmen vor zwei Monaten öffentlich wurde.

«Niemand sagt mir, was ich tun oder denken soll. Alles, was ich sage, kann ich belegen», sagte er, gab aber zu, dass sein Engagement auch anders gesehen werden könne. Monsantos Gelder wolle seine Universität nun an eine Tafel spenden.


Ein Fall von vielen

Kevin Folta ist nur einer unter vielen Akademikern, die von der Biotech-Industrie als Lobbyisten rekrutiert wurden, zeigen die E-Mails. Teilweise durchaus im gegenseitigen Nutzen. «Wenn die Industrie jemanden findet, der sich in ihrem Sinne äussert, sorgt sie dafür, dass er gehört wird», sagt Professor Bruce M. Cassy von der University of Illinois gegenüber der NYT. Cassy machte von Monsantos Netzwerken Gebrauch, um Einfluss auf die US-Umweltbehörde EPA zu nehmen und eine stärkere Regulierung von Pestiziden zu verhindern. Auch seine Korrespondenz hat die NYT analysiert und in der Online-Version ihres Artikels verlinkt

Gegenseite mit winzigem Bruchteil der Mittel

Zu ähnlichen Mitteln wie Monsanto und Co. greift im Genfood-Streit auch die Gegenseite. In Lebensmitteln, die in den USA als «organic» (bio) bezeichnet werden, dürfen sich keine genveränderten Bestandteile befinden. Gegenspieler von Monsanto und Co. sind deshalb vor allem Unternehmen, die Bio-Produkte herstellen.

Hersteller von Bio-Produkten finanzieren «The Organic Center» in Washington, das wissenschaftliche Arbeiten über Bio-Produkte finanziert und auf der Webseite eine Reihe von Wissenschaftlern vorstellt, welche der Bioproduktion wohlgesinnt sind. Allerdings verfüge die Bio-Seite nur über einen «winzigen Bruchteil» der Mittel der Genindustrie, schreibt die NYT.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund der Recherchen der «New York Times» erstellt.