In der jüngsten Sitzung des UN-Sicherheitsrats hat der stellvertretende Botschafter Russlands bei den Vereinten Nationen, Pjotr Iljitschow, eine Liste von nach Auffassung Moskaus besonders gravierenden Fällen der Vernachlässigung der Völkerrechtsnormen durch die westlichen Länder verlesen.
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© AFP 2016/ Jean-Philippe Ksiazek
In diesem Kontext nannte der Diplomat die Nato-Bombenangriffe gegen Jugoslawien (1999), die Invasion der US-Truppen auf Grenada (1983) und in den Irak (2003), die Destabilisierung der Situation in Libyen. Das war Moskaus Reaktion auf die Vorwürfe in seine Richtung wegen des Referendums auf der Krim im März 2014 und der Ereignisse in der Ukraine.

„Einige Delegationen sprachen heute von einer Verletzung der UN-Charta und warfen das unbegründet Russland vor“, sagte Iljitschow zu Beginn der Debatte. „Damit diese Fantasien niemandem einen falschen Eindruck vermitteln, darf ich eine Art ‚Schnellübersicht‘ der frappantesten Fälle präsentieren, bei denen die Völkerrechtsnormen, darunter die Ziele und Prinzipien der UN-Charta, in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt wurden.“

Der Diplomat zählte diverse Ereignisse seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf. Unter anderem verwies er auf einen britischen Bombenangriff gegen Harib (Jemen) im Jahr 1946 und erinnerte, dass der UN-Sicherheitsrat dieses Vorgehen in seiner Resolution 188 verurteilt und „die Unvereinbarkeit von Repressalien mit den Zielen und Prinzipien der UN-Charta“ hervorgehoben hatte.

„1983 unternahmen die USA eine bewaffnete Invasion auf Grenada. Die UN-Vollversammlung nannte in ihrer Resolution 37/8 das Vorgehen der USA ‚eine grobe Verletzung des Völkerrechts‘. Viele wissen wohl von der Reaktion des damaligen US-Präsidenten (Ronald Reagan) auf dieses Dokument: Diese Nachricht hatte ihm den Appetit beim Frühstück keineswegs verdorben“, so Iljitschow. Zudem erinnerte er an die Angriffe der USA auf Libyen (1986) und Panama (1989). Auch diese beiden Fälle seien von der UN-Vollversammlung als Verletzungen des Völkerrechts bewertet worden.

Der Diplomat erinnerte ferner, dass auch der Internationale Gerichtshof öfter festgestellt habe, dass die UN-Charta verletzt worden sei. „Als das Gericht sein allererstes Urteil fällte, nämlich über den Korfu-Kanal 1946, räumte es eine Verletzung der Souveränität Albaniens durch Großbritannien ein. Allgemein bekannt ist auch das Urteil über den Fall Nicaragua gegen die USA im Jahr 1986. Damals verwies das Gericht direkt darauf, dass die USA die Souveränität Nicaraguas und die Normen bezüglich der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und des Verzichts auf Gewaltanwendung verletzt hatten.“

Ferner erwähnte Iljitschow die Bombenangriffe gegen Ex-Jugoslawien von 1999, die Invasion in den Irak 2003 und in Libyen, wo „unter dem Vorwand der angeblich uneigennützigen Hilfe von außerhalb ein Brand ausbrach, der den Staat vernichtet hat, und an seiner Stelle nur Asche und Chaos geblieben sind.“ Gerade diese „illegale Einmischung in Form von illegitimen Luftschlägen bzw. Waffenlieferungen an bewaffnete Gruppierungen“ habe auch in Syrien die Radikalisierung der Stimmungen ausgelöst und am Ende zum Erstarken der Terrormiliz "Islamischer Staat" geführt, so der russische Diplomat.

70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden die Basisprinzipien, die dem System der internationalen Beziehungen zugrunde liegen, für einige Kräfte zu einem Hindernis und werden von ihnen unterschiedlich interpretiert oder einfach ignoriert, sagte Iljitschow weiter. „Die Präsumtion der eigenen Auserwähltheit gestattet es offenbar einigen Staaten, sich selbst über die Ziele und Prinzipien der UN-Charta zu stellen.“

Sein Auftritt fand vor dem Hintergrund der andauernden Vorwürfe gegen Russland wegen des Referendums auf der Krim im Frühjahr 2014 und der Einmischung Russlands in die Situation in der Ostukraine statt. In Moskau ist man jedoch überzeugt, dass der Volksentscheid auf der Krim am 27. März 2014 absolut legitim verlaufen sei. Was die Situation im Donezbecken angeht, so verweist die russische Führung darauf, dass Russland kein Teilnehmer dieses Konflikts sei.