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Kortisolmenge spielt wichtige Rolle bei Verhaltensweisen

Ob ein Kleinkind eine brave, schüchterne „Taube“ oder ein frecher, mutiger „Habicht“ ist, hängt auch von seiner Hormonreaktion ab. Das zeigt eine Studie britischer Forscher an 200 Zweijährigen. In Stress-Situationen produzierte der Stoffwechsel der Kinder unterschiedlich große Mengen Kortisol. Hoch war die Konzentration des Stresshormons bei den eher passiven „Tauben“, geringer bei den aggressiveren „Habichten“.

„Diese Ergebnisse geben uns Aufschluss darüber, dass und wie Verhaltensmuster auch chemische Muster sind. Unterschiedliche Reaktionen - sowohl im Verhalten als auch chemisch - könnten eine evolutionäre Anpassung an Stress sein“, sagt Studienleiter Patrick Davies von der Universität Rochester. Diese Sichtweise liefere auch einen wichtigen Widerspruch zur gängigen Theorie in der Verhaltenspsychologie. Nach dieser gibt es nur einen gesunden Weg im Leben und alle Verhaltensweisen sind entweder daran angepasst oder nicht. „Wenn es um gesundes psychisches Verhalten geht, passt eine Größe aber nicht für alle“, konstatieren die Forscher im Fachmagazin „Development and Psychopathology“.

Ängstliche Kinder produzieren mehr Kortisol

Nach Erfahrung vieler Eltern entfalten Kinder ihre Persönlichkeit schon früh. Die Studie der britischen Forscher bestätigt dies und enthüllt zudem eine biochemische Komponente des Verhaltens. Im Experiment beobachteten die Wissenschaftler zunächst die Reaktion von 201 zweijährigen Kindern auf ungewohnte Situationen. Einige der Kinder reagierten schüchtern und ängstlich, andere dagegen stellten sich den Herausforderungen neugierig und furchtlos. Alle kamen aus vergleichbaren, eher schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen.

Im nächsten Test simulierten die Eltern der Kinder einen heftigen Streit. Die Forscher beobachteten erneut das Verhalten und maßen dabei gleichzeitig die Konzentration des Stresshormons Kortisol im Blut der Kinder. Reagierten diese ängstlich und eingeschüchtert, waren auch ihre Hormonwerte deutlich erhöht. Die mutiger agierenden Kinder dagegen schienen ihre Kortisolwerte eher gedrosselt zu haben. Für die Forscher ist dies ein Hinweis auf eine geringere Stressempfindlichkeit.

Vor- und Nachteile beider Persönlichkeitstypen

„Diese biologischen Reaktionen könnten unseren Vorfahren wertvolle Überlebensvorteile geliefert haben“, vermuten Davies und seine Kollegen. Auch heute biete die unterschiedliche Hormonreaktion Vor- und Nachteile in der Entwicklung der Kinder. Ein hoher Kortisol-Spiegel könne zwar das Risiko für Angst und Depressionen erhöhen, steigere aber die Aufmerksamkeit. Ein niedrigerer Pegel des Stresshormons dagegen verringere die Angst. Gleichzeitig aber neigten diese Kinder zu riskanterem Verhalten, Aufmerksamkeitsdefiziten und Hyperaktivität. „Je nach Art der schwierigen Familienverhältnisse könnte manchmal die Folgsamkeit der ‚Tauben‘ besser sein und manchmal die Aggression der ‚Habichte‘“, sagen die Forscher. (Development and Psychopathology, 2011)

(Development and Psychopathology / Universität Rochester / dapd, 11.07.2011 - NPO)