Die verabschiedete Völkermord-Resolution erzürnt Ankara: Der türkische Botschafter wird aus Berlin abgezogen. Zudem wird ein Vertreter der deutschen Botschaft in Ankara zum Gespräch einbestellt.
Erdogan leugnet Genozid Armenien
© worldaffairsjournal.orgGenozid in Armenien: "Es ist nie passiert. Darum werden wir so wütend, wenn ihr darüber sprecht."
Aus Protest gegen die Armenier-Entschließung des Bundestages ruft die Türkei ihren Botschafter aus Berlin zurück. Botschafter Hüsein Avni Karslioglu werde "zu Konsultationen" nach Ankara gerufen und noch am Donnerstagnachmittag das Flugzeug besteigen, teilte Ministerpräsident Binali Yildrim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit. In einer Rede in Ankara sprach er von einer "rassistischen armenischen Lobby", die für die Entscheidung verantwortlich sei.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bestätigte den Vorgang bei einem Besuch in Kenia während einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Er sagte in Nairobi, er habe wegen der Bundestagsresolution mit Yildirim telefoniert. Nach seiner Rückkehr in die Türkei werde über die Angelegenheit beraten werden.

"Die Entscheidung, die das deutsche Parlament soeben getroffen hat, ist eine Entscheidung, die die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ernsthaft beeinflussen wird", fügte Erdogan hinzu.

Unterdessen hat das türkische Außenministerium den Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Ankara einbestellt werde. Der deutsche Botschafter Martin Erdmann hält sich derzeit nicht in der türkischen Hauptstadt auf.

Türkei fühlt sich "angeschwärzt"

Vizeministerpräsident und Regierungssprecher Numan Kurtulmus nannte die Verabschiedung der Völkermord-Resolution im Bundestag einen "historischen Fehler". "Als Türkei werden wir auf diese Entscheidung natürlich auf jeder Plattform die nötige Antwort geben", teilte er auf Twitter mit.

Die Verabschiedung der Resolution passe nicht zur Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland. Die Resolution sei "null und nichtig".

Außenminister Mevlüt Cavusoglu kritisierte die Bundestagsentscheidung auf Twitter als "unverantwortlich und haltlos". Cavusoglu warf Deutschland vor, die dunklen Kapitel der eigenen Geschichte überdecken zu wollen, indem "die Geschichte anderer Länder angeschwärzt wird".

"Sabah" meldete zudem, die Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan wolle als Antwort auf die Bundestagsresolution die im Parlament von Ankara vertretenen Parteien zu einer gemeinsamen Erklärung bewegen. Eine Bestätigung der türkischen Regierung für die Meldungen lag zunächst nicht vor.

Merkel bekräftigt gute Beziehungen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unterdessen die freundschaftlichen und strategischen deutsch-türkischen Beziehungen hervorgehoben. Deutschland und die Türkei verbinde vieles, auch wenn man in einzelnen Fragen unterschiedlicher Meinung sei, sagte Merkel in Berlin.

Die Bundesregierung möchte dazu beitragen, gerade vor dem Hintergrund der Ereignisse vor 101 Jahren, einen Dialog zwischen der Türkei und Armenien zu befördern. Den Menschen türkischer Abstammung in Deutschland wolle sie sagen, dass sie hier nicht nur willkommen seien, sondern ein Teil des unseres Landes seien und blieben, betonte Merkel.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, die Nato sei hier nicht beteiligt. Aber er hoffe sehr, dass es so früh wie möglich eine Normalisierung zwischen beiden Staaten geben werde. Man müsse auch einer weiteren Eskalation vorbeugen. Die Türkei sei ein Nato-Verbündeter, Armenien sei ein geschätzter Partner der Nato.

Türkei hatte vor Abstimmung wiederholt protestiert

Die Türkei hatte nach der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch andere Länder in den vergangenen Jahren ebenfalls mit der vorübergehenden Rückbeorderung ihrer Botschafter reagiert.

Der Bundestag hatte zuvor fast einstimmig den Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid eingestuft. Die türkische Regierung hatte Deutschland vor einer Annahme des parteiübergreifenden Entwurfs gewarnt und mit Folgen für das deutsch-türkische Verhältnis gedroht.

AFP/epd/ott/ith