Freiwillige, die im illegalen Flüchtlingslager Calais arbeiten, werden der „sexuellen Ausbeutung“ von Flüchtlingen beschuldigt. Darüber berichtet die Zeitung „The Independent“ am Donnerstag.
Flüchtlingslager
© AFP 2016/Philippe Huguen
Zum Anlass wurde eine erbitterte Facebook-Diskussion, in der Freiwillige die Zulässigkeit von sexuellen Beziehungen zwischen Freiwilligen und den Migranten erörterten und über die ihnen bekannte Vorfälle des Geschlechtsverkehrs zwischen Mitarbeitern der Hilfsorganisationen und Flüchtlingen, darunter minderjährigen Migranten, berichteten. Später wurde die entsprechende Diskussion in der Facebook-Gruppe „Calais People to People Solidarity" gelöscht, so die Zeitung, die eine Kopie der Beiträge beibehalten haben will.

So schrieb ein Mann beispielsweise:
„Ich habe von Jungen gehört, die das Einwilligungsalter noch nicht erreicht hatten und Sex mit Freiwilligen hatten. Ich habe auch Geschichten von Männern gehört, die Prostituierte vom „Dschungel" ausnutzten. Ich habe von Freiwilligen gehört, die Sex mit mehreren Partnern täglich hatten. Und dies ist nur ein kleiner Teil dieser Geschichten des sexuellen Missbrauchs."
Daraufhin reagierte die UN —Flüchtlingsagentur UNHCR, indem sie die Wohltätigkeitsorganisationen von Calais aufforderte, eine Politik der „Nulltoleranz" in Bezug auf die jeweiligen Formen der sexuellen Ausbeutung durchzuführen und die Integrität der Freiwilligenarbeit aufrechtzuerhalten.

Die Chefs dieser Organisationen erkannten das Problem an. Es gebe zwar unter den Freiwilligen Personen, sowohl Männer als auch Frauen, die sich „raubtierhaft" verhalten, sie unterlägen aber keiner Kontrolle, sagten sie. Der „Dschungel" werde ja weder von den Vereinigten Nationen noch vom französischen Staat als Flüchtlingslager anerkannt, er gilt als illegale Siedlung. Deshalb gebe es keine offiziellen Hilfsorganisationen vor Ort und dementsprechend keine Kontrollen.

Die lokalen Wohltätigkeitsorganisationen könnten selbstverständlich den „Sündern" die Tür weisen. Wenn diese aber als unabhängige Helfer zurückkehren würden, die nicht im Rahmen eines Hilfswerks arbeiteten, so dürften die Hilfsorganisationen ihnen nicht verbieten, das Flüchtlingslager zu betreten.

Der von der UNHCR angewendete Verhaltenskodex verbietet sexuelle Beziehungen zwischen Mitarbeitern der Hilfsorganisationen und deren Nutznießern streng, da die Migranten von der geleisteten Hilfe und den Personen, die sie leisten, völlig abhängig sind.

Das illegale Flüchtlingslager „Dschungel von Calais" war Mitte der 2000-er Jahre in der französischen Hafenstadt entstanden. In dem Flüchtlingscamp wohnen Migranten, die per Fähre oder durch den Eurotunnel weiter nach Großbritannien ziehen wollen. In den letzten Jahren bekam der „Dschungel von Calais" seine eigene Infrastruktur wie Kaufhäuser, Schulen und religiöse Einrichtungen. Seit dem Beginn der jüngsten Flüchtlingskrise ist die „Dschungel"-Bevölkerung abrupt angestiegen und hat 10.000 Bewohner erreicht, wobei die Bevölkerung der Stadt Calais lediglich 70.000 beträgt. Die französischen Behörden hatten mehrmals versucht, den „Dschungel" abzureißen, bislang waren diese Versuche aber erfolgslos.