Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass durch die von der EU verhängten Russland-Sanktionen allein in Deutschland ein Schaden von Milliarden Euro entstanden, Firmen insolvent und Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Einer der Autoren der Studie, Professor Udo Ludwig von der Universität Leipzig, sieht vor allem den Maschinenbau betroffen.
industrie, wirtschaft,produktion
© AFP 2016/ Christof Stache
Herr Prof. Ludwig, wie hoch ist geschätzt der Schaden durch die Russland-Sanktionen für Deutschland?

Allein in den Jahren 2014 und 2015 kam es zu einem Exportverlust nach Russland von etwa 7,5 Milliarden Euro. Das ist der Verlust, der allein auf die Sanktionen zurückzuführen ist.

Welche Bereiche und Warengruppen sind besonders betroffen?

Es wurden ja von beiden Seiten Sanktionen ausgesprochen. Von europäischer und damit auch von deutscher Seite betreffen sie insbesondere militärische und sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl militärisch, als auch zivil genutzt werden können. Außerdem sind eine ganze Reihe von Maschinen und Anlagen betroffen, die in einer Beziehung stehen zur Öl- und Gasförderung. Von russischer Seite wurde als Sanktion ein Import von Nahrungsgütern aus der EU ausgesprochen.

In einer Rangfolge der betroffenen Bereiche würden ganz oben die Maschinenbauer stehen und eher am unteren Ende die Hersteller von Nahrungsgütern.

Also schaden die EU-Sanktionen gegen Russland der EU mehr als die Sanktionen von russischer Seite?

Das ist genau so. Der Grund dafür ist, dass die Herstellung von Maschinen und übrigens auch von Kraftwagen oder Autos, die indirekt mitbetroffen sind, über die Zulieferindustrie viel stärker verflochten ist innerhalb der deutschen Wirtschaft. Über diese indirekten Effekte sind die Schäden für die Maschinenbauer bedeutend höher als bei Nahrungsgütern, die in erster Linie aus der Landwirtschaft kommen.

Und regional, gibt es Bundesländer, die besonders betroffen sind?

Das steht zwar nicht in der Studie, aber das habe ich auch separat untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass die sächsischen Maschinenbauer überdurchschnittlich stark betroffen sind.

Sind ganz konkret Arbeitsplätze weggefallen durch die Sanktionen?

Es gab einige Insolvenzen aufgrund der Sanktionen. Da sind natürlich Arbeitsplätze weggefallen. Den meisten Firmen ist es allerdings vorläufig gelungen, Alternativen zu finden, indem sie auf andere Märkte gegangen sind. Sie waren gezwungen, sich neu zu orientieren. Es ist ja eh so, dass die Firmen ihre Kunden diversifizieren, um nicht nur von einem Markt abzuhängen.

Hoffen die betroffenen Firmen weiter auf eine Aufhebung der Sanktionen?

Man wartet und hofft. Die russische Wirtschaft kommt ja auch langsam wieder aus der Rezession. Die Nachfrage, auch in den Bereichen, wo Deutschland stark ist, wie dem Maschinenbau oder dem Automobilbau, wird wieder steigen. Und was die Sanktionen betrifft: das, was weg ist, kann ja nicht nochmal wegfallen. Die sanktionierten Güter wurden ja nicht mehr hergestellt. In dem Bereich müsste also die Talsohle erreicht sein. Die Sanktionen werden ja sicher irgendwann wieder aufgehoben werden. Und dann ist die Chance da, wieder auf dem russischen Markt aktiv zu werden. Allerdings dürfte das dann schwieriger werden, weil auch die Russen inzwischen Importsubstitution betrieben haben. Allerdings hat Deutschland hochspezialisierte Maschinen im Angebot, mit denen wir immer gute Chancen auf dem Weltmarkt haben.

Meinen Sie, die Sanktionen haben die russisch-deutschen Handelsbeziehungen nachhaltig geschädigt?

Sie waren sicher in den letzten drei Jahren eine Belastung und können durchaus auch nachhaltig für Schaden für die deutschen Hersteller gesorgt haben, weil sich die Marktlücken für sie in Russland geschlossen haben und von anderen Herstellern aus Russland oder aus Ländern, die keine Sanktionen ausgesprochen haben, gefüllt wurden. Insofern kann man schon von nachhaltigem Schaden reden.

Sanktionen dienen ja eigentlich dazu, einem anderen Land zu schaden. Schneiden sich die EU und Deutschland nicht mit diesen Sanktionen ins eigene Fleisch?

Rein wirtschaftlich gesehen, ja. Aber die Sanktionen wurden ja aus politischen Gründen verhängt. Es ist natürlich dabei die Frage, ob politische Ziele mit wirtschaftlichen Sanktionen erreichbar sind.

Interview: Armin Siebert