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© Sputnik/Sergei Guneev

Trump, Merkel, Erdogan, Putin - welche Politiker haben im scheidenden Jahr die internationale Palette am meisten und am spektakulärsten bestimmt? Mit dieser Frage beschäftigt sich der russische Auslandsexperte Fjodor Lukjanow.


In einem Gastbeitrag für die Onlinezeitung gazeta.ru schreibt Lukjanow, auf seiner persönlichen und subjektiven Rankingliste stehe der philippinische Präsident Rodrigo Duterte als neues Gesicht der Weltpolitik ganz oben: „In einer outrierten Form verkörpert er den Welttrend, der durch Donald Trump, die führenden Befürworter des Brexit und weitere als Populisten bezeichnete Akteure vertreten ist.“

Ein Politiker von dieser Art lehne demonstrativ und betont das nationale und weltweite Establishment ab, wolle nicht an der Political Correctness festhalten und zeige sich bereit, die außenpolitischen Grundsätze zu ändern. Konkret im Fall Duterte gehe es dabei um seine Absicht, die Beziehungen mit China auszubauen, obwohl dies der bisherigen Allianz mit den USA schade, so Lukjanow.


Kommentar: Mehr Informationen zu Duterte gibt es hier.


„Für gewöhnlich (zumindest bis vor Kurzem) wäre ein solcher Politiker zu einer baldigen Niederlage und zu einem Abgang verurteilt worden. Doch nun kann alles anders sein, denn sowohl der äußere Kontext (die Konstellation weltweit) als auch die Stimmung der Menschen wandeln sich“, so der Kommentar.

Für eine charakteristische Figur hält Lukjanow auch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: „Seine Politik aus den 2010er Jahren hat große Spannungen im Land und in der Region provoziert. Die Regierung in Ankara geriet sowohl innen- als auch außenpolitzisch in eine Sackgasse. Trotz seiner ausgeprägten Ambitionen und seines fehlenden Wunsches, einen Rückzieher zu machen, schaffte es Erdogan, eine drastische Wende in den Beziehungen mit seinen wichtigen Nachbarländern Israel und Russland zustande zu bringen. Dann nutzte er die Gelegenheit, die ihm die Putschisten mit ihrem gescheiterten Versuch im Sommer gewährten.“


Eine besondere Kategorie machen laut Lukjanow jene Vertreter des politischen Mainstreams aus, die die Stimmungen in ihren eigenen Ländern falsch eingeschätzt hätten: „Der britische Ministerpräsident David Cameron und sein italienischer Amtskollege Matteo Renzi wollten die Meinung der Wähler nutzen, um die bestehenden Verwaltungs-Aufgaben zu lösen, und haben verloren. Wenn die Unzufriedenheit mit den ‚Obrigkeiten‘ zunimmt, bedeutet die Ausschreibung eines Referendums nicht bloß Risiken, sondern eine faktisch garantierte Niederlage.“

Eine besondere Stellung in Europa nehme auch Angela Merkel ein. Sie verkörpere eine stabile Politik - sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Einerseits kontrolliere sie trotz aller „tektonischen Verschiebungen“ um sie herum die Situation. Andererseits komme ein nationaler Charakterzug der Deutschen auch in der Politik immer deutlicher zum Vorschein, und zwar das hartnäckige Festhalten an einem Kurs und die mangelnde Bereitschaft, ihn zu korrigieren, selbst wenn sich wichtige Umstände ändern.

„Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern sind in Deutschland keine drastischen Änderungen der politischen Landschaft zu erwarten - es gibt keine Alternative zu Merkel. Neue Faktoren sind allerdings auch in diesem Land aufgekommen. Eine Aktion gegen die Einwanderung und gegen den Schwund an der nationalen Identität der Deutschen wäre im Zentrum von Berlin vor ein paar Jahren noch unvorstellbar gewesen - nun ist das Routine“, so Lukjanow weiter.


Kommentar: Diese Aspekte waren vor - sagen wir, vier - Jahren auch noch kein weitläufig 'brennendes' Thema hierzulande. Wie sich diese Entwicklungen auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr auswirken, ist allenfalls (spekulativ) vorauszuahnen, muss jedoch ansonsten weiterhin genau beobachtet und abgewartet werden.


Auch Barack Obama beende seine Amtszeit nicht gerade spritzig. In die Geschichte werde er wahrscheinlich als Politiker eingehen, der zwar einen Wandel gespürt, aber sich nicht einfallen lassen habe, was damit getan werden soll. Trump verspreche nun, den Nachlass seines Vorgängers im Amt umfassend zu korrigieren. Ob dies gelinge, stehe nicht fest. Obamas Amtszeit sei jedenfalls ein Übergang gewesen - von einem Versuch, die Welt aufgrund des US-Sieges im Kalten Krieg zu gestalten, zu einer neuen Phase, wo der Ausgang jener Konfrontation nicht mehr entscheidend sei, hieß es.


Wladimir Putin habe seinen Ruf als mächtigster Staatschef weltweit gefestigt: „Diese Vorstellung von ihm hat ihren Höhepunkt erreicht. Nun werden ihm nicht bloß ausgeklügelte geopolitische Intrigen und gekonnte strategische Überraschungen bescheinigt, sondern die Fähigkeit, über das Schicksal der Demokratie in den führenden Staaten der Welt zu entscheiden. Seit Sommer 2016 wurde ja immer wieder davon geredet, dass sich Russland in den US-Wahlkampf eingemischt haben soll.“


Kommentar: Mehr Informationen zu Putin.


Das Hauptergebnis des Jahres 2016 ist laut Lukjanow der „Wandel im Kern des Weltsystems“, nämlich in den westlichen Ländern. In der dortigen Gesellschaft nehme die Abneigung gegen jenen Kurs zu, den die regierende Klasse für alternativlos halte. Dies verwirre die Nomenklatura, die nun gezwungen sei, den Kurs zu korrigieren: „Das muss schnell getan werden: Wenn sich das Establishment selbst nicht den Stimmungen anpasst, wird es nicht mehr gelingen, die ‚Populisten‘ zu stoppen.“