Zbigniew Brzezinski
© ReutersDer ehemalige Berater für Nationale Sicherheit Zbigniew Brzezinski bei seiner Ankunft in einer Anhörung des Auswärtigen Ausschusses im Senat, Washington, 1. Februar 2007.
Wie kaum ein anderer Außenpolitiker beeinflusste Zbigniew Brzezinski die amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert. Wie kaum ein anderer verband Brzezinski strategischen analytische Schärfe mit von Moral befreiter politischer Konsequenz.

Am Freitag starb Zbigniew Brzezinski mit stolzen 89 Jahren in einem Krankenhaus in Virginia. Außenpolitiker werden gerne in Tauben und Falken unterteilt. Die New York Times nannte ihn den „falkenartigsten strategischen Theoretiker“. Allerdings handelte es sich bei Brzezinski nicht nur um einen Mann der Theorie. Er saß für zahlreiche Regierungen in dem strategisch wichtigen Nationalen Sicherheitsrat. Zuletzt veröffentlichte er am 20. Februar einige Ratschläge an die amerikanische Außenpolitik.

In dem Text erinnerte er an das bekannte Credo der realistischen Schule in der amerikanischen Außenpolitik. Die Welt versinke im Chaos, deshalb brauche sie eine starke Führung. Bei aller Kritik an Donald Trump müsse sich Amerika daher hinter ihn stellen. Im Mittelpunkt einer außenpolitischen Strategie sollten die großen Militärmächte Russland, China und die USA stehen.
„Amerika muss sich auch der Gefahr bewusst sein, dass China und Russland eine strategische Allianz bilden könnten. Aus diesem Grund müssen die Vereinigten Staaten darauf achten, sich gegenüber China nicht zu benehmen, als ob es sein Untergebener wäre. Das würde fast zwangsläufig zu einer engeren Verbindung zwischen China und Russland führen.“
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Zbigniew Brzezinski die Welt immer noch durch die Brille der Nixon-, Carter- oder Reagan-Regierung sieht, dass er ein Mann des 20. Jahrhunderts geblieben ist. Tatsächlich haben seine damaligen Entscheidungen jedoch Auswirkungen bis heute. Als er in den späten 1970er Jahren Nationaler Sicherheitsberater für Präsident Jimmy Carter war, marschierte die Sowjetunion in Afghanistan ein.

Die USA schufen zusammen mit Pakistan und Saudi-Arabien die Operation Cyclone. Mit Milliarden an Dollar rüsteten sie Mudschahedin aus, welche die sowjetischen Truppen angriffen und schließlich besiegten. Die ausländischen Kämpfer, die über Saudi-Arabien rekrutiert wurden, beschäftigen die Welt bis heute. Auf die gleiche Weise schuf die US-Außenpolitik in dieser Zeit überall auf der Welt Söldnerarmeen, um den Kommunismus zu bekämpfen.

Die Contras in Nicaragua, die kolumbianischen Paramilitärs, die UNITA im südliche Afrika: Überall auf der Welt fanden skrupellose Söldner schnell einen Arbeitgeber, wenn es darum ging, die Aufstände und Befreiungskämpfe einzudämmen, die mit der Befreiung vom Kolonialismus begonnen hatten. Kein Diktator war schmutzig genug, um nicht von der amerikanischen Außenpolitik eingesetzt zu werden. Diese Art von schmutzigen Kriegen wurde zum Markenzeichen von Außenminister Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski.

Gleichzeitig begründeten sie einen westlichen Menschenrechtsdiskurs gegenüber der Sowjetunion, der bis heute der Markenkern des westlichen Selbstverständnisses geblieben ist. Auch wenn ihrer Außenpolitik kein Verbrechen zu ungeheuerlich war, achteten sie doch sorgfältig darauf, dass diese Verbrechen möglichst von Proxy-Partnern ausgeführt wurden, von denen sich die US-Regierung immer wieder milde distanzieren konnte.

Kissinger und Brzezinski waren im Ausland geboren, er stammte aus Polen, Kissinger war in Deutschland geboren. Wie auch George Soros, um den dritten aus dem Bunde zu nennen, machte auch ihn seine Herkunft zu einem pathologischen Antikommunisten und Russland-Hasser. Aufgrund seiner politischen Biographie gehörte Brzezinski nominell zur Demokratischen Partei. Er sprach sich gegen zu starke Ungleichheit aus, warnte vor der „Gier“ und war einer der wenigen außenpolitischen Experten, die im Jahr 2003 gegen die Invasion im Irak auftraten.

Solche Argumente hatten jedoch immer einen rationalen oder realistischen Kern. Die kritisierten Maßnahmen waren in Brzezinskis Welt nicht falsch, weil sie etwa moralisch verwerflich wären, sondern weil er sie für eine ineffiziente Strategie bei dem Partei übergreifenden Ziel hielt, Amerikas Vorherrschaft in der Welt mit allen verfügbaren Mitteln zu sichern.


Kommentar: Das ist eines der Merkmale von (politischen) Psychopathen oder pathologischen Machtmenschen: Über Leichen gehen, um die Macht auszuspielen bzw. zu mehren, mit der sie sich identifizieren (im Fall von Brzezinski Amerikas Vormachtstellung und Macht über US-Präsidenten).


So war er trotz seines ausdrücklichen Antikommunismus bereit, in den 1970er Jahren mit der Volksrepublik China zu verhandeln. Dies ging nicht etwa auf Sympathien für das dortige System zurück. Er bemühte sich unter der Carter-Regierung erfolgreich darum, die amerikanisch-chinesischen Beziehungen zu verbessern, damit es nicht zu einer russisch-chinesischen Annäherung kommt. Mit Blick auf Kambodscha ermutigte die US-Außenpolitik seinerzeit etwa China, das mörderische Pol-Pot-Regime weiter zu unterstützen, einfach um das kleine Nachbarland Vietnam zu schädigen.

Diese Art von strategischen Überlegungen entwickelten sich zum zentralen Merkmal von Brzezinskis Auftritten, noch lange nachdem er nicht mehr in offiziellen Funktionen war. Sein Buch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ gehört bis heute zur Pflichtlektüre für alle, die verstehen wollen, wie aus den Zentren der Macht moderne Außenpolitik gestaltet wird.

In dem Buch erläuterte Zbigniew Brzezinski ausführlich die amerikanische Perspektive auf Russland und Europa. In Westeuropa, so Brzezinski, müssen die USA darauf achten, dass weder Deutschland noch Frankreich zu stark werden. Gleichzeitig richtete Zbigniew Brzezinski alle außenpolitischen Überlegungen darauf aus, wie sich Russland aus Europa heraushalten lässt. Die NATO-Osterweiterung und die Politik, von den baltischen Republiken bis nach Turkmenisten möglichst viele Länder aus dem Einflussbereichs Moskaus herauszulösen, gehen zu wesentlichen Teilen auf ihn zurück.
„Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang, dass Russland die Unabhängigkeit der Ukraine, deren Grenzen und eigenständige nationale Identität ohne Wenn und Aber anerkennt und respektiert.“
Zusammen mit anderen "Realisten" in der amerikanischen außenpolitischen Debatte, wie etwa John Mearsheimer, gehörte der kalte Zyniker der Macht zu den engeren Beratern von Barack Obama. Dessen diskrete außenpolitische Strategie lässt sich mit Blick auf Russland und China gut unter der Brille von Zbigniew Brzezinski verstehen.

Insofern prägte Brzezinski die letzten 50 Jahre der amerikanischen Außenpolitik wesentlich mit, und auch in den kommenden Jahren wird sein Denken kaum weniger einflussreich sein. Zumal unter dem politischen Nachwuchs weniger Personen zu finden sind, die seine Entschlossenheit und seine intellektuelle Größe erreichen, auch wenn es in Washington natürlich nicht an Menschen mangelt, die ähnlich weitgehend von moralischem Empfinden befreit sind.