bittere Aprikosenkerne
Der Streit um die Sache mit den bitteren Aprikosenkernen ist schon fast ao alt, seit ich denken kann. Zu diesem Thema nahm ich erstmals 2010 Stellung, als im WISO Magazin (ZDF) darüber berichtet wurde. Im WISO-Beitrag vom 23. März 2009 ging es um eine Krebspatientin, die nach dem Verzehr von bitteren Aprikosenkernen unter Atemnot litt und den Verdacht hatte an Vergiftungserscheinungen zu leiden. Daraufhin alarmierte die Patientin den Giftnotruf. Dort riet man ihr, die Einnahme der Aprikosenkerne sofort zu unterlassen.

Zehn Aprikosenkerne könnten bereits tödlich sein?

Laut Aussage des Toxikologen Uwe Stedtler von der Vergiftungsinformationszentrale Freiburg könnten schon zehn Kerne tödlich wirken. Könnte? Gibt es Belege dafür? Und was ist da eigentlich giftig?

Giftig ist die Mandel im Aprikosenstein, die wie alle Bittermandeln Cyanid in gebundener Form enthält. Nach der Einnahme wird im Körper Blausäure freigesetzt. Cyanid unterbricht durch eine Enzym-Blockade die Atmungskette in allen Körperzellen, wodurch es zur innerlichen Erstickung kommt. Daher wirkt Cyanid unspezifisch giftig auf alle Zellen, anstatt gezielt die Krebszellen zu töten, was der Händler der Kerne vollmundig versprochen haben soll.

Mittlerweile untersagte das Landratsamt Karlsruhe den Verkauf und verhängte ein Bußgeld gegen die Firma. Die zuständige Lebensmittelkontrolleurin begründete dies mit dem Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz: Lebensmittel (um die handelt es sich bei Aprikosenkernen) dürften nicht mit krankheitsbezogenen Angaben beworben werden. Zudem erklärte Markus Horneber vom Klinikum Nürnberg Nord, dass Untersuchungen keinen Nachweis für bittere Aprikosenkerne als Antikrebs-Mittel erbracht hätten.

Aprikosenkerne gegen Krebs?

Der Wirkstoff, um den sich die Diskussion um Schaden und Nutzen der Aprikosenkerne dreht, ist das Amygdalin. Darin ist Cyanid chemisch gebunden und wird von Darmbakterien enzymatisch abgespalten.

Das dafür erforderliche Enzym ß-Glucosidase dient den Mikroben hauptsächlich zur Verdauung von Cellulose. Innerhalb menschlicher Zellen konnte das Protein bisher nicht nachgewiesen werden (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20528582?dopt=Abstract).

In früheren Hypothesen gingen Alternativmediziner davon aus, dass ß-Glucosidase auch in Tumorzellen gebildet wird. Damit sollte die spezifische Wirkung von Amygdalin erklärt werden. Diese Theorie musste nach einigen Untersuchungen verworfen werden. Hingegen bleibt die Freisetzung von Blausäure im Gastrointestinaltrakt ein Risiko, weil die Aufnahme des Cyanids schnell gefährlich werden kann. Die Abgabe reinen Amygdalins in Apotheken ist aus diesem Grund verboten.

Verzehr von Aprikosenkernen in gewissen Grenzen unbedenklich

Der Verzehr von Aprikosenkernen ist in Grenzen unbedenklich. Bei welcher Menge diese Grenze liegt ist allerdings umstritten.
Die Firma DryFruit (selbst Lieferant von bitteren Aprikosenkernen), veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Gegendarstellung. Angeführt werden Untersuchungen des Bayrischen Landesuntersuchungsamt Erlangen aus dem Jahre 2002, wonach 0,5 bis 3,5 mg Cyanid pro Kilogramm Körpergewicht ungefährlich seien.

Das entspräche einer Menge von 36 - 172 Kernen pro Tag für einen 60 kg schweren Erwachsenen. Zudem würde ein Zuviel an Cyanid vom menschlichen Körper abgebaut und über den Urin ausgeschieden. Deswegen wird auch die Salbe Regviderm mit dem Inhaltsstoff Vitamin B12 bei Problemen mit Neurodermitis und Schuppenflechte im homöopathischen Bereich besprochen. Der Vitalstoff spaltet ebenfalls Cyanid ab.

Probleme bei gestörtem Cyanidstoffwechsel

Ungefährlich zu sein, das gilt jedoch nicht für Personen mit gestörtem Cyanidstoffwechsel, bei denen bereits weit weniger Kerne Übelkeit, Schwindelgefühl und Erbrechen auslösen können. Laut Aussage von DryFruit wurde dennoch bislang kein einziger Todesfall im Zusammenhang mit der Einnahme von bitteren Aprikosenkernen nachgewiesen.

Die krebshemmende Wirkung sei dagegen belegt durch Studien der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärswesen Dresden. Zurückgeführt werden könnte die Wirkung auf den Vitalstoff Rhodanid (= Thiocyanat), der im Körper aus der Vorstufe Cyanid gebildet wird.

Dem Rhodanid wird eine Schutzwirkung gegen toxische sowie karzinogene Substanzen nachgesagt. Es soll die Immunabwehr stärken und Regenerationsprozesse fördern. Der menschliche Organismus bildet diesen Stoff normalerweise selbst aus Aminosäuren und Glucose.

Als Ergänzung empfehlen Dr. Hohlfeld und Dr. Hübner eine Zufuhr über die Nahrung von bis zu sechs Milligramm täglich.

Diese Menge (sie entspricht sieben bis acht Aprikosenkernen), sei absolut unbedenklich. Dennoch ging es DryFruit nach eigenem Bekunden nicht darum, für den Verzehr von bitteren Aprikosenkernen zu werben.

Größtes Problem bei der Aufnahme von Aprikosenkernen ist also eine mögliche Vergiftung durch Cyanid. Die Wirkung von Amygdalin gegen Krebs ist nach wie vor zwischen Schulmedizin und der alternativen Heilkunde umstritten. Neben dem Rhodanid-Effekt führen Unterstützer der Amygdalin-Therapie noch eine andere Hypothese an. Derzufolge soll das intakte Amygdalin und nicht dessen Abbau-Produkte die Krebs-Zellen im Wachstum hemmen. Belege dafür liefern mehrere wissenschaftliche Untersuchungen.

Aprikosenkerne bei Dickdarmkrebs

Dickdarmkrebszellen in einer Gewebekultur reagierten auf die Gabe von Amygdalin mit einer Änderung der Genexpression. Beeinflusst wurde die Freisetzung einiger Gen-Produkte, die den Zellzyklus steuern, wodurch die Zellteilungsrate drastisch sank. Die Forscher sprachen sogar von einem Wachstumsstillstand (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16127745).

Prostatakrebs

Ähnliche Ergebnisse zeigen Forschungen an isolierten Prostata-Krebszellen. Nach der Behandlung mit Amygdalin produzierten die Zellen verstärkt einige Regulator-Proteine des Zellzyklus. Bemerkenswerterweise waren dies Effektoren, die die Apoptose (programmierter Zelltod) auslösen. Demnach konnte Amygdalin in dem Experiment Krebszellen abtöten (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16880611).

Gebärmutterhalskrebs

Dasselbe Resultat erbrachten Studien an Zellen vom Gebärmutterhalskrebs. Die Wissenschaftler bewiesen die Wirkung sogar mit in-vivo-Versuchen. Die Ergebnisse aus den Gewebe-Kulturen lassen sich offensichtlich auch auf die krebshemmende Wirkung des Amygdalins im Organismus übertragen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23137229).

Trotz der toxischen Eigenschaften von Amygdalin (Lätril) scheint die biogene Verbindung in bedachter Dosierung die Krebstherapie unterstützen zu können.

Die Literatur-Sichtung chinesischer Forscher ergibt allerdings die Tatsache, dass nicht in allen Fällen eine Besserung zu erwarten ist. Woran das liegt, kann zurzeit nicht gesagt werden. Eine Dosis von 1 Gramm Amygdalin soll nach Ansicht der Wissenschaftler nebenwirkungsfrei und verträglich sein. Erst 4 Gramm am Tag sind riskant (http://www.cancerjournal.net/article.asp?issn=0973-1482;year=2014;volume=10;issue=5;spage=3;epage=7;aulast=Song).

Fazit

So eindeutig wie im WISO Beitrag und vom Toxikologen dargestellt, ist die Sache mit den bitteren Aprikosenkernen sicher nicht. In meinem Beitrag Vitamin B17 bei Krebs?, gehe ich noch ausführlicher auf die Sache ein.