Jahre nach dem Verschwinden kann Manuela B. ihren Sohn Marvin in die Arme schließen. Die Polizei entdeckte ihn in einem Schrank.

vermisster junge
© Marcel Kusch / dpa
  • Seit 2017 wurde der junge Marvin aus Duisburg vermisst - von dem damals 13-Jährigen fehlte jede Spur
  • Nur durch einen Zufall ist der heute 15-Jährige vergangene Woche in einem Kleiderschrank eines Pädophilen entdeckt worden
  • Nach zwei Jahren trafen Mutter und Sohn wieder aufeinander
  • Der Junge war in einem äußerst schlechten Zustand
Auf diesen Moment hat Manuela B. aus Duisburg so lange gewartet. Zweieinhalb Jahre fehlte von ihrem Sohn Marvin jede Spur. Die Zeit des Banges und Hoffens hat nun ein Ende: "Marvin ist mir in die Arme gefallen und hat mich gedrückt und gedrückt und gedrückt", berichtet Manuela B., die Mutter des am Freitag nur per Zufall aufgespürten verschwundenen Jungen.

Als die Polizisten Marvin entdeckten, soll er dieselbe Kleidung wie am Tag seines Verschwindens getragen haben, erzählt seine Mutter.

"Er ist fast zwei Köpfe größer als ich und wollte mich überhaupt nicht mehr loslassen und ich ihn auch nicht", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. "Ich habe mir zweieinhalb Jahre dieses Gefühl vorgestellt, wie es sein wird, wenn ich Marvin jemals wiedersehe. Aber was ich gesehen habe, erinnerte mich an den Spruch, dass jemand ein gebrochener Mann ist."

Vermisster Junge Marvin in "schlechtem Zustand"

Der Junge sei in einem "schlechten Zustand" gewesen, ungepflegt und mit langen Fingernägeln, so habe es die Polizei geschildert. Am Samstag, als die Mutter ihr Kind wieder in die Arme schließen konnte, seien zumindest die äußeren Spuren von Verwahrlosung verschwunden.

Manuela B. kaufte ihm eilends ein paar frische Sachen für die Klinik, will vor Weihnachten noch mal richtig los, um ihn neu einzukleiden. Schwarze Klamotten habe er sich gewünscht, die soll er auch bekommen.

Mutter erkennt Sohn Marvin kaum wieder

"Was in der Klinik sitzt, erinnert mich nicht an meinen Sohn", sagt die Mutter. Er habe einen geschwollenen Kopf - und trage dieselben Sachen wie am Tag seines Verschwindens. Die Mutter befürchtet, dass man ihm in der Wohnung in Recklinghausen Substanzen verabreicht habe. Die Gerichtsmedizin habe ihn bereits ausführlich untersucht, auch um Rückstände im Blut zu analysieren.

Die Tatsache, dass der Junge in der Wohnung des Tatverdächtigen geblieben ist, begründet sie mit dem Stockholm-Syndrom. Das ist ein psychologisches Phänomen, bei dem sich Entführungsopfer den Tätern nahe und verbunden fühlen.

In diesem Haus in Recklinghausen wurde Marvin gefunden. Die Polizei hatte die Wohnung eines 44-Jährigen durchsucht, der unter Kinderpornografie-Verdacht steht. Der 15-Jährige Junge, seit zweieinhalb Jahren vermisst, war in einem Schrank versteckt.
Foto: Marcel Kusch / dpa Vermisster Marvin: Er verschwand im Sommer 2017

Im Sommer 2017, wenige Tage vor dem Verschwinden, habe ihr Sohn ihr in einem WhatsApp-Chat von Männer-Bekanntschaften erzählt. Da habe sie so ein komisches Gefühl gehabt und ihren Sohn vor Pädophilen gewarnt. Es scheint nichts genützt zu haben.

Für die Duisburger Polizei, die zumindest die Vermisstenakte jetzt schließen kann, hat die Mutter lobende Worte: "Die Sachbearbeiterin hat mich wirklich gut aufgebaut, immer und immer wieder." Sie habe regelmäßig angerufen und den Kontakt gehalten.

"Langer, schwerer Weg" zurück ins Leben

Auch die Facebook-Seite, über die Manuela B. nach ihrem Sohn gesucht hat, hat ein Update bekommen: "Gefunden" steht auf einem dicken pinken Banner quer über dem Titelbild. Hier teilt die Mutter am Wochenende alle Artikel, in denen es um ihren Sohn geht.

"Was haben diese Menschen mit meinem Kind gemacht?", fragt sie da mit einem weinenden Emoji und über ein Bild des festgenommenen Tatverdächtigen schreibt sie: "Ich könnte kotzen und sterben in der Sekunde." Kein Emoji.

Junge wurde seit 2017 vermisst

"Dieser Schmerz, den ich spüre, den wünsche ich niemandem auf dieser ganzen Welt", sagt Manuela B.. Sie konnte die Ungewissheit über zweieinhalb Jahre schon kaum ertragen, hatte sich deshalb zu einer psychosomatischen Reha angemeldet, die sie im neuen Jahr unter völlig neuen Bedingungen antreten wird. Da will sie sich die Kraft holen, die sie braucht, um ihren Sohn ins Leben zurück zu begleiten.

Dass es "ein langer, schwerer Weg" wird, ist ihr völlig klar. Aber sie ist auch zuversichtlich: "Ich habe schließlich auch den ersten Weg geschafft zweieinhalb Jahre lang, da schaffe ich auch diesen Weg mit Marvin."