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© Friedemann Vogel/Getty ImagesFlut in Hamburg im November 2007: Teile des Fischmarktes sind überschwemmt.
Aus Protest gegen Klimaskepsis stieg Hans von Storch aus einer Studie der Technikakademie acatech aus. Im Interview rät er, sich negativen Klimafolgen endlich anzupassen.

ZEIT ONLINE: Die Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) stellt heute in Berlin eine Überblicksstudie zur Anpassung an den Klimawandel vor. Wer sie liest, bekommt den Eindruck, das Problem sei für Deutschland nicht besonders drängend. Gesellschaft und Wirtschaft hätten zunächst kaum etwas zu fürchten, die negativen Auswirkungen der Erderwärmung seien "beherrschbar". Stimmt das?

Hans von Storch: Vermutlich wird man viele nötige Anpassungsmaßnahmen nebenbei erledigen können - aber es gibt schon einige Themen, die eine echte Herausforderung darstellen.

ZEIT ONLINE: Was hat denn Deutschland vom Klimawandel zu erwarten?

von Storch: Zunächst einmal wird es wärmer.

ZEIT ONLINE: Das klingt nicht gerade besorgniserregend.

von Storch: Der Spaziergänger im Wald oder der Urlauber an der Nordsee mag sich freuen. Aber für den Wald können höhere Temperaturen problematisch werden. Für unsere Küsten wird der Anstieg der Meeresspiegel ein gravierendes Problem - noch nicht in zwanzig Jahren, aber sicherlich zum Ende des Jahrhunderts. Für Norddeutschland ist zum Beispiel damit zu rechnen, dass die Winter trockener und die Sommer feuchter werden, dass wir stärkere Regengüsse bekommen, wofür die Kanalisation vieler Städte erst noch ausgelegt werden muss.

ZEIT ONLINE: Die Forschung warnt auch vor mehr Hitzewellen, während derer sich Städte extrem aufheizen. Das könnte auch gesundheitlich viele Menschen belasten ...

Von Storch: ... andererseits fallen ja beispielsweise in Marseille die Leute nicht um wie die Fliegen, weil es zu heiß ist. Irgendwie überleben die das ja auch! Insofern kann Hamburg mit steigenden Temperaturen durchaus klarkommen - wenn es entsprechend gemanagt wird.

ZEIT ONLINE: Weiß die Wissenschaft schon genug über den Klimawandel, um konkrete Anpassungsmaßnahmen vorschlagen zu können?

von Storch: Natürlich ist die Klimaforschung noch nicht am Ende, aber weitgehend unstrittig ist: Die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre führt zu einer Erwärmung. Steigt die Konzentration sehr stark, steigen auch die Temperaturen sehr stark. Diese Erwärmung wird einhergehen mit einer Veränderung des Meeresspiegels. Und so weiter. Wenn wir aber fragen, um wie viele Zentimeter der Meeresspiegel steigen wird oder wie große Teile der Antarktis oder Grönlands abschmelzen könnten - dafür müssen Wissenschaftler noch eine Weile forschen.


Kommentar: In der Antarktis hat das Eis einen Höchststand zu verzeichnen:

Eisrekord im antarktischen Ozean - So viel zum Thema Klimaerwärmung


ZEIT ONLINE: Aber wie soll man die richtigen Deiche bauen, wenn noch niemand weiß, wie hoch das Meer steigt?

von Storch: Man kann vorsorgen, und zwar auf zweierlei Weise: Erstens durch das allgemeine Prinzip, sich künftige Möglichkeiten nicht zu versperren. In Schleswig-Holstein oder Hamburg zum Beispiel werden Küstenschutzanlagen bereits so gebaut, dass man sie später noch erhöhen oder verbreitern kann. Zweitens muss man schon heute eine öffentliche Diskussion darüber führen, welche Probleme der Klimawandel bringen und wie der Mensch darauf reagieren könnte.

ZEIT ONLINE: Sie haben anfangs an der Acatech-Studie mitgearbeitet - sind dann aber mit drei anderen Klimaforschern unter Protest ausgestiegen. Warum?

von Storch: Ein fundamentaler Dissens zwischen uns und den Aussagen des Papiers besteht in der Einschätzung der Belastbarkeit der Ergebnisse der physikalischen Klimaforschung. Hier sind die wesentlichen Fragen weitgehend beantwortet, dies gilt insbesondere für die Perspektiven der weiteren Emission von Treibhausgasen. Bei mir kam hinzu, dass der Entstehungsprozess des Textes nicht nachvollziehbar war. Ich habe immer wieder Texte zugeliefert, die dann verändert wurden - wobei nicht klar war, wer da warum was ändert. Ein wirkliches Gespräch mit Leuten, die vielleicht andere Meinungen haben, gab es nicht.

"Ein Herr Vahrenholt kann nicht hinter dem Vorhang sitzen und Aussagen modifizieren"

ZEIT ONLINE: Die Studie bekam klimaskeptische Töne?

von Storch: Es wurden ständig Vorbehalte zum "Stand der Wissenschaft" formuliert. Natürlich ist es korrekt, dass sich Forschungsergebnisse ändern können - aber das war immer etwas merkwürdig ausgedrückt und öffnete Raum für Missverständnisse.

ZEIT ONLINE: In der Steuerungsgruppe saß auch der ehemalige RWE-Manager Fritz Vahrenholt, der im Frühjahr in einem Buch der Klimaforschung Manipulationen vorgeworfen hat. Wie wesentlich war er für Ihren Ausstieg?

von Storch: Wir haben sehr früh gesagt, dass Herr Vahrenholt durch das Buch seine Unparteilichkeit eingebüßt hat und deshalb keine Moderatorenrolle oder gar Steuerungsrolle mehr einnehmen kann. Natürlich darf und soll er immer seine Meinung sagen, natürlich hätte er als normales Mitglied der Arbeitsgruppe mitwirken können - aber er kann eben nicht hinter dem Vorhang sitzen und Aussagen modifizieren, was er wohl tat.

ZEIT ONLINE: Das Thema Anpassung hat bisher in der Klimapolitik keine große Rolle gespielt. Offenbar hatte man Angst, schon durch bloßes Reden darüber den Druck zur Vermeidung von Treibhausgasen zu mindern.

von Storch: Das war natürlich von Anfang an eine dumme Position. Denn selbst wenn es uns wirklich noch gelingen sollte, die Erderwärmung auf die angestrebten zwei Grad Celsius zu beschränken, bekommen wir erhebliche Klimaänderungen. Wir haben ja jetzt schon eine Erwärmung um 0,7 Grad, was bereits manch üble Folge hat - wenn in den nächsten Jahrzehnten noch mal 1,3 Grad dazukommen, müssen wir natürlich mit Anpassung reagieren! Aber durch die Tabuisierung des Themas wurde auch diese, in jedem Fall nötige Anpassung unter den Tisch gekehrt.


ZEIT ONLINE: Ist Anpassung eher eine Frage für die Wissenschaft oder für die Politik?

von Storch: Das ganze Klimathema ist eine politische Frage. Fälschlicherweise wurde in der Vergangenheit auch von öffentlichkeitsfreudigen Forschern suggeriert, aus bestimmten wissenschaftlichen Ergebnissen folgten bestimmte politische Entscheidungen. Dieses Missverständnis hat uns einen unendlichen Streit um wissenschaftliche Details beschert: Denn wer heute eine bestimmte Klimapolitik ablehnt, zweifelt einfach die Klimaforschung an. Aufgabe der Wissenschaft ist nicht zu sagen, wie Lösungen aussehen - sondern sie soll aufzeigen, welche Lösungsoptionen welche Konsequenzen hätten. Sodass dann in einem politischen Prozess jene Lösungen ausgewählt werden können, die dem Wertemix in der Gesellschaft entsprechen.

"Die Forschung war dumm, sich wichtiger machen zu lassen, als ihr zusteht"

ZEIT ONLINE: Politikern scheint es recht, Verantwortung abzuwälzen: Bei unpopulären Maßnahmen sagen sie halt, die Wissenschaft erzwinge bestimmte Dinge.

von Storch: Die Forschung war dumm, dieser Versuchung nachzugeben und sich wichtiger machen zu lassen, als ihr zusteht ...

ZEIT ONLINE: ... und muss sich nun mit überhöhten Erwartungen herumschlagen, etwa zur Präzision und Sicherheit ihrer Aussagen.

von Storch: Natürlich, das ist die Konsequenz, wenn man sagt, der Umgang mit dem Klimawandel hänge wesentlich von Details der wissenschaftlichen Ergebnissen ab. Eigentlich müssten die Forscher nicht besonders akkurat sein: Allein die Erkenntnis, dass wir das Klima umso mehr ändern, je mehr Emissionen wir verursachen, sollte ja einiges an politischen Entscheidungen ermöglichen. Damit ist eigentlich klar, dass eine Gesellschaft ihre Emissionen so weit herunterfahren sollte, wie sie es sich leisten kann oder will - in Anerkenntnis anderer gesellschaftlicher Sorgen.


Kommentar: Diese Erkenntnisse sind nicht bestätigt und eher Lügen. Dies eröffnet die Frage: Was macht die Forschung, Forscher und Forscherinnen, die dies weiterhin behaupten und unterstützen?

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ZEIT ONLINE: Wie sollte eine Gesellschaft die Frage der Anpassung an den Klimawandel entscheiden?

von Storch: Als Klimaforscher kann ich dazu keine Ratschläge geben, höchstens als Bürger. Und da erinnere ich mich zum Beispiel an die Konflikte um den Nationalpark Nordfriesisches Wattenmeer. Da hieß es anfangs auch, die Wissenschaft verlange dies oder jenes - und es gab erhebliche Widerstände. "Das Wattenmeer ist die Lebensgrundlage der Fischer und nicht die Spielwiese der Wissenschaftler", war damals ein Protestslogan. Der Konflikt konnte gelöst werden, indem man die Bürger in sehr weitgehenden Partizipationsprozessen in die Entscheidungen einbezogen hat. Man hat klar gesagt: Die Wissenschaft steckt nur Randbedingungen ab. Was daraus folgt und was konkret gemacht wird, muss die Gesellschaft auf Basis ihrer Präferenzen und Werte abwägen.

Hinweis: In einer früheren Fassung des Interviews hieß es zunächst, dass durch den Klimawandel in Norddeutschland die Winter trockener und die Sommer feuchter werden. Umgekehrt ist es korrekt: Die Winter werden feuchter, die Sommer trockener.