Leipzig/Collm. Es dauerte nur wenige Sekunden, war aber am Donnerstagmorgen deutlich zu spüren: Ein Erdbeben hat um 8.38 Uhr Leipzig erschüttert. In Büros vibrierten die Computermonitore, Nutzer von LVZ-Online berichteten von wackelnden Gläsern zu Hause im Schrank. Ein Leipziger befürchtete sogar, dass sein Haus einstürze.

Erdbeben Leipzig April 2015
© Google EarthGeschätztes Schüttergebiet (rot) des Erdbebens, basierend auf Orten, von wo sich Zeugen gemeldet haben (rote “A” – Markierungen)
Der Erdstoß war im gesamten Stadtgebiet bemerkbar. Über Twitter tauschten sich die Menschen schon Minuten nach dem Naturereignis über ihre Erlebnisse aus und meldeten Erschütterungen in Böhlitz-Ehrenberg, Gohlis, Möckern und Neuschönefeld. Auch außerhalb der Stadt war die Erschütterung in Richtung Norden zu spüren. Das Geophysikalischen Observatorium am Collm verzeichnete auf den Messgeräten einen deutlichen Ausschlag.

Klaus Stammler, Seismologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover, bestätigte gegenüber LVZ-Online das Erdbeben. "Es hatte die Stärke 3,5 und das Zentrum lag bei Gröbers in der Nähe von Halle", so Stammler. Die Erschütterung habe eine natürliche Ursache und hänge mit der geologischen Störungszone von Leipzig nach Regensburg zusammen. Bei Gröbers befinde sich deren nördliches Ende. Während im Vogtland Erschütterungen dieser Stärke nicht unüblichen seien, habe die Erde im Raum Leipzig-Halle laut Stammler in den vergangenen hundert Jahren noch nicht so intensiv gebebt. Bei ihm habe am Morgen das Telefon nicht still gestanden. Besorgte Bürger hätten in der Anstalt eine Erklärung gesucht.

Stammlers Kollegen in Sachsen haben geringfügig andere Daten ermittelt. Nach Erhebungen des Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Freiberg hatte das Erdbeben eine Magnitude von 3,3. Das Epizentrum habe sich südwestlich von Delitzsch, in der Nähe von Schkeuditz befunden, teilte die Behörde. Die Seismologen im Freistaat nutzen andere Messpunkte als die Experten der Bundesanstalt.

Viele Erdbeben nicht zu spüren

Laut Petra Buchholz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Geophysikalischen Observatorium am Collm, sind leichtere Erdbeben in Leipzig nicht selten. Menschen bemerkten sie oft aber gar nicht. Buchholz erinnert sich noch an einen Vorfall aus dem Jahr 1982. Damals notierten die Physiker eine Erschütterung, die vor allem im Stadtteil Stötteritz zu fühlen war. Auf der Richterskala erschien damals ein Wert von 2,4. Zuletzt kam es Mitte 2014 bei Pegau zu einem Erdbeben der gleichen Stärke.

Nach Angaben von Ottomar Krentz vom Landesamt für Geologie gilt ein Erdbeben mit der Intensität 7 bei Gera im Jahr 1872 als das stärkste in Mitteldeutschland. Dieser Wert beschreibe, wie die Menschen das Naturschauspiel an der Erdoberfläche gespürt hätten. Genaue Messungen seien erst seit 1901 möglich, die heute gültige Richterskala wurde 1927 eingeführt. Quellen wie Kirchenbücher berichten auch aus den Jahrhunderten zuvor von teils noch heftigeren Erdbeben in Mitteldeutschland. Die Aufzeichnungen gelten aber als ungenau, weil die Werte für die Erschütterungen später aus den beschriebenen Schäden abgeleitet wurden.

Das Erdbeben vom Donnerstag ist laut Stammler in einer Tiefe von rund 20 Kilometern registriert worden. Genaue Daten lägen noch nicht vor. Tiefe Erdbeben sind meist weniger intensiv als oberflächennahe, dafür aber in einem größeren Umkreis zu spüren. Am Donnerstag haben Menschen in einem Radius von rund 60 Kilometern die Vibration bemerkt. Ein kleineres Nachbeben registrierten die Seismologen gegen 9.35 Uhr.

Erschütterung im Waldstraßenviertel

Anfang März spürten die Bewohner des Waldstraßenviertels ein angebliches Erdbeben und riefen aus Angst die Feuerwehr. Die Ursache war schnell gefunden. In der benachbarten Arena spielte die Band Kraftklub ein Konzert. Dort sprangen 8000 Fans gleichzeitig im Takt. Schuld an dem kuriosen Phänomen war offenbar der hohe Grundwasserspiegel. „Die Fans haben die Bodenplatte der Arena zum Schwingen gebracht. Über das Grundwasser haben sich die Druckwellen ausgebreitet“ erklärte Feuerwehrsprecher Joachim Petrasch. Fachleute sprechen von einem hydromechanischen Ereignis. Trotz des Vorfalls will die Arena kein Hüpfverbot erteilen.„Bei aller Liebe, da machen wir uns lächerlich“, sagte ZSL-Geschäftsführer Winfried Lonzen gegenüber LVZ-Online.