Die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" sieht sich nach ihrer Karikatur, in der der tote Flüchtlingsjunge Aylan Kurdi thematisiert wird, einem Shitstorm ausgesetzt. Der Vorwurf: Die Zeichnung sei rassistisch, keine Satire mehr. Unser Autor widerspricht.

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© Sott.net
Ein Jahr nach den Attentaten auf Charlie Hebdo tobt in den sozialen Medien ein Shitstorm gegen die französische Satirezeitschrift. Grund ist eine Karikatur des Herausgebers und Zeichners Laurent Sourisseau, bekannt als Riss, zu dem Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi. Der dreijährige syrische Kurde ertrank auf der Flucht im Mittelmeer und wurde am 2. September 2015 an der türkischen Küste in der Nähe von Bodrum angespült.

Die Karikatur zeigt nun einen Mann mit Schweinsgesicht, der hinter schreienden Frauen herjagt. Ein kleines Medaillon zeigt noch einmal den ertrunkenen kleinen Aylan. Dieses Bild ging damals um die Welt. Viele Menschen waren tief berührt. Doch ebenso viele fanden es pietätlos, tote Kinder in den Medien zu zeigen.

Die Überschrift des Cartoons fragt: "Was wäre aus dem kleinen Aylan geworden, wenn er erwachsen geworden wäre?" Die Antwort lautet: "Arschgrabscher in Deutschland."


Riss inszeniert einen fiktiven Medienbericht

Auf Twitter und Facebook heißt es nun, Charlie Hebdo habe die Grenzen der Satire überschritten. Die Karikatur sei geschmacklos. Im Raum steht die Frage: Ist Charlie Hebdo rassistisch?


Kommentar: In diesem Moment verübt Charlie Hebdo eine Volkshetze, wie es bereits zu Hitlers Zeiten geschah; damals waren es Juden.


Wenn hier der Zeichner direkt zu uns spricht, ist er ein Rassist. Tucholsky hin oder her.

Spricht hier also Laurent Sourisseau, der beim Attentat auf Charlie Hebdo angeschossen wurde und blutend neben seinen toten Freunden unter dem Konferenztisch lag?

Nein, es ist nicht Laurent Sourisseau, der hier direkt zu uns spricht. Woran kann ich das erkennen? An einem Instrument aus dem journalistischen Werkzeugkasten. Das Instrument heißt "Dachzeile". Die Dachzeile steht in Nachbarschaft der Schlagzeile und sortiert das Thema eines Artikels in eine Schlagwort-Kategorie ein. Hier steht in der Dachzeile: "Flüchtlinge."


Kommentar: Das Magazin "diskutiert" damit ein momentan sehr kontroverses Thema und gießt damit bewußt Öl ins Feuer und verurteilt dabei ALLE Flüchtlinge und Opfer, die von ihrem Zuhause vertrieben wurden.


Riss zitiert hier parodierend den aktuellen Mediendiskurs. Er spricht uns mit seiner Zeichnung also nicht direkt an. Sondern er inszeniert einen fiktiven Medienbericht, der uns darüber informiert, was aus Aylan geworden wäre. "Diese Flüchtlinge wieder ..." Der Cartoon ist gezeichnete Rollenprosa.


Kommentar: Das ist absoluter Blödsinn und eine pietätlose Rechtfertigung gegenüber dem, was das "Magazin" veröffentlicht. Der Autor scheint nicht in der Lage zu sein, die Zeichen unserer Zeit zu lesen.


Rassismus hat Mitleid ersetzt

Ein weiteres Element aus dem journalistischen Werkzeugkasten weist auf Medien-Inszenierung hin: die kreisrunde kleine Zeichnung oben links - ein infografisches Element, das uns das Schicksal des Kurdenjungen Aylan in Erinnerung ruft.


Kommentar: Eine weitere Rechtfertigung.


Riss trifft also keine direkte Aussage über Flüchtlinge oder Aylan. Riss sagt nicht: "Alle Flüchtlinge sind Arschgrabscher." Sondern er denkt den vorherrschenden Medien-Tenor radikal zu Ende.


Kommentar: Nein, Riss machte eindeutig eine Karikatur über die Schlümpfe...


Vor vier Monaten machten die Medien Aylan zum Symbol für alle Flüchtlinge. Es ging dabei weniger um Aylan als darum, Emotionen abzuschöpfen. Jetzt sollen die Kölner Grabscher das Symbol für alle Flüchtlinge sein. Rassismus hat Mitleid ersetzt. Indem Sourisseau mit seiner Zeichnung beide zusammenführt, sagt er: Wer jetzt suggeriert, alle Flüchtlinge seien Kriminelle, der verhöhnt auch den kleinen Aylan. Sourisseau ist kein Rassist, sondern ein Humanist.