Die meisten Menschen ekeln sich beim Anblick einer Spinne - nicht so Professor Fritz Vollrath. Seit 40 Jahren untersucht er die Tiere, um die Wundheilung bei Menschen voranzutreiben. Mit Erfolg.
Fritz Vollrath Spinnenforschung
© Getty Images/Getty Images EuropeFür Fritz Vollrath gehören die Spinnen seit vielen Jahren zum Alltag
Dutzende goldene Radnetzspinnen hängen inmitten der üppigen Pflanzenwelt eines Gewächshauses an der Decke. Die Luft ist tropisch feucht.

Professor Fritz Vollrath hat den Tieren, deren auffälligster Vertreter die Kreuzspinnen sind, eine ungewöhnliche Unterkunft gegeben: das Dach der Oxford-Universität.

Seit 40 Jahren erforscht der in Deutschland geborene Zoologe schon die Tiere. Die Angst vor ihnen kann er daher nicht verstehen. Erst recht nicht, seitdem er entdeckt hat, dass sie fast übernatürliche Kräfte besitzen.

Die Spinnenseide, aus der das Netz besteht, ist vier Mal so belastbar wie Stahl und um das Dreifache ihrer Länge dehnbar, ohne zu reißen. Sie ist gegen Hitze beständig, wasserfest und leicht.

"Das Spinnennetz hat eine komplexe, geometrische Struktur, die die Spinne mit feinstem Material alleine produziert", erklärt Vollrath gegenüber CNN.

In Tierstudien testet er Verbände aus Spinnenseide. Die Wunde stößt sie wegen der Biokompatibilität nicht ab und wird zudem vom Körper abgebaut. Besonders für die regenerative Medizin, die sich mit der Wiederherstellung von funktionsgestörtem Gewebe beschäftigt, ist das interessant.

Schon im alten Griechenland wurden Wunden mit Spinnweben eingerieben. Die Hoffnung: Blutverlust und Infektionen zu verhindern.

Trotz Forschung noch vieles unbekannt

Die Studien des Professors über die Besonderheiten der Netze sind wegweisend. Wegen seiner Leidenschaft zu Spinnen reiste er bis nach Panama und Papua-Neuguinea, immer auf der Suche nach exotischen Arten mit seltenen Fähigkeiten.

"Ich habe viel Zeit damit verbracht, nur auf einem Stuhl im Wald zu sitzen, um Spinnen zu beobachten und ihr Verhalten zu verstehen", erzählt der Zoologe.

Hat er ein interessantes Tier mit einer ungewöhnlichen Seide gefunden, zerlegte er sie. "So kann man die Spinndrüse sehen und verstehen, wie die Seide gesponnen wird."

Nach 40 Jahren rasanter Entwicklung ist der Oxford-Professor weiterhin davon überzeugt, nur einen Bruchteil von dem entdeckt zu haben, was die Bewohner seines Gewächshauses zu bieten haben. "Spinnen gibt es seit Millionen von Jahren. Und wir können noch viel von ihnen lernen", ist sich Vollrath sicher.