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© ReutersKünftig völlig legal: Der BND bekommt die Flatrate für die Daten der Bürger.
Man hätte auch andere Lehren aus Snowdens Enthüllungen ziehen können. Doch anstatt die Massenüberwachung der Bürger einzustellen, wird diese einfach legalisiert. Mitte Oktober soll zu diesem Zweck das neue BND-Gesetz verabschiedet werden.

Schon Lenin witzelte Zeitzeugen zufolge: "Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas: Wenn die Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen sie sich erst noch eine Bahnsteigkarte!"

So oder so ähnlich müssen auch die Verantwortlichen der Massenüberwachung durch NSA, BND und Co. denken. Unmut in der Bevölkerung wegen massiver Eingriffe in die Privatsphäre? Da ist doch die beste Voraussetzung, um die Schnüffeleien einfach für legal zu erklären - und schon wird dem regelgetreuen Deutschen die Grundlage für die ohnehin zahme Kritik an der systematischen Überwachung genommen.

Genau das plant nun die Bundesregierung mit ihrem neuen BND-Gesetz. Netzaktivisten warnen:
"Die illegalen Überwachungsmethoden des BND sollen einfach legalisiert werden."
So soll der Vollzugriff der Dienste auf den wichtigsten Internetknotenpunkt in Deutschland, den Frankfurter DE-CIX, künftig im Rahmen der Gesetze erfolgen. Dies wäre in etwa so, als würde der Bundestag beschließen, dass der Staat künftig alle Briefe öffnen darf, welche Bürger einander im Land zuschicken, solange sie in den Postverteilzentren lagern. In digitalen Zeiten wie diesen ist der Blick in E-Mail-Konten und auf Messenger-Profile aber natürlich wesentlich ertragreicher. Auch die für den BND lästige Begrenzung bezüglich des abschöpfbaren Datenvolumens soll wegfallen. Die Schlapphüte bekommen die Flatrate und dürfen gleich die Daten ganzer Netze abschöpfen.

Wer Terroristen fangen will, muss eben wissen, was diese planen, könnten nun Überwachungsbefürworter anführen. Doch auch bei der Begründung für den Blick in das digitale Privatleben muss es der BND künftig nicht mehr so genau nehmen. Die Überwachungsziele sind dermaßen wachsweich formuliert, dass praktisch jeder ins Fadenkreuz kommen kann. Jegliche Online-Nutzung wird damit zum offenen Buch. Für das Sammeln von Metadaten muss künftig überhaupt keine Begründung mehr erfolgen. Schließlich sollen störende Kontrollinstanzen weiter abgebaut und in einer Weise organisiert werden, die möglichst innerhalb der eigenen Behördenhierarchie bleibt. Unangenehme Fragen zu den Überwachungsaktivitäten des BND oder gar Untersuchungsausschüsse würden dadurch gleich im Vorfeld verhindert.

Neben Journalistenverbänden laufen vor allem die Oppositionsparteien im Bundestag sowie zahlreiche Netzaktivisten und Juristen gegen die Pläne sturm. Doch insgesamt scheint das Vorhaben den meisten Bürgern entweder egal zu sein oder sie wissen schlichtweg nicht, was sie erwartet. So oder so belegt das Ausbleiben jeder Debatte zum Thema aufs Neue den desaströsen Zustand deutscher Medien. Eine Petition von Amnesty International gegen die Regierungspläne erreichte bislang gerade einmal 6.600 Unterschriften, eine weitere von Campact etwas mehr als 5.000. Im ähnlichen Rahmen bewegt sich eine Unterschriftensammlung von Reporter ohne Grenzen. Die Organisation sieht durch die Legalisierung der staatlichen Schnüffelei die Pressefreiheit in Gefahr.

Die Große Koalition zeigt sich ob des ausbleibenden Widerstandes erwartungsgemäß wenig beeindruckt von der inhaltlichen Kritik am eigenen Vorgehen. Schon am 18. Oktober soll die abschließende Beratung des Innenausschusses zum neuen BND-Gesetz stattfinden. Drei Tage später werden die Parlamentarier dank bequemer Mehrheit die Vorlage im Bundestag voraussichtlich abnicken.

Drei Jahre nach Snowdens Enthüllungen kann Regierungssprecher Steffen Seibert dann überzeugter als je zuvor verkünden: "Der BND macht nichts Illegales" - ein Satz, der für jeden Überwachungskritiker dann allerdings wie blanker Hohn klingt.