Energiekonzern Vattenfall
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Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verklagt Deutschland aufgrund des vorzeitigen Automausstiegs und der Verluste, die die Firma in Deutschland durch die frühzeitige Abschaltung seiner Kraftwerke zu erwarten hat vor einem Schiedsgericht in den USA.

Nach dem Seebeben vor der japanischen Küste und der dadurch ausgelösten Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011, die ganze Landstriche durch ausgetretene Radioaktivität verseuchte, beschloss die deutsche Regierung den Atomausstieg.

Mit dieser augenscheinlichen Anlassgesetzgebung setzte das Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowohl den Atomkompromiss außer Kraft, den die Regierung des Amtsvorgängers Gerhard Schröder 2000 mit den Konzernen ausgehandelt hatte, als auch den Beschluss zur Laufzeitverlängerung, den Merkels Regierung selbst erst wenige Monate zuvor zu Gunsten der Versorger veranlasst hatte.

Eine Entscheidung, die ihr nun zum Verhängnis wird: Der schwedische Energieriese zerrt die Bundesregierung vor ein amerikanisches Schiedsgericht. Seine Begründung: Nachdem die Bundesregierung dem Konzern noch im Jahr zuvor eine langjährige Restlaufzeit zugesichert hatte, habe Vattenfall in die AKWs von Brunsbüttel und Krümmel im Vertrauen auf die Bestandskraft der Regelung sehr viel Geld investiert. Dadurch seien frustrierte Aufwendungen in Milliardenhöhe entstanden.

Wie kommt aber nun eine Klage eines schwedischen Unternehmens gegen den deutschen Staat in den USA zustande? Da es sich nicht um eine deutsche Firma handelt, die auf den innerstaatlichen Rechtsweg angewiesen wäre, darf Vattenfall Deutschland auch vor den Internationalen Schiedsgerichtshof in Washington, D.C. zerren. Die Bundesregierung sieht sich mit ihrer Entscheidung im Recht.

Die Klage in den USA ist ein Vorgeschmack darauf, was Regierungen in der nahen Zukunft zu erwarten hätten, sollte das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP Geltung erlangen. Denn TTIP sieht eine Anbindung von Klagen an den internationalen Schiedsgerichtshof (ICSID) vor.

Das seit 1966 bestehende Schiedsgericht soll eine unabhängige Plattform bieten, um internationale Investitionen abzusichern. Auf Grund dieser Regelung im TTIP könnten 75.000 multinationale Konzerne indirekt auf die Gesetzgebung anderer Länder einwirken und am Ende dem Steuerzahler in diesen Ländern tief in die Tasche greifen.

Befürworter dieser Regelung sehen darin einen wichtigen Schutz vor willkürlichen Verschlechterungen und gesetzgeberischen Schnellschüssen. Gesetze wie jenes zur Energiewende in Deutschland müssten, um Schadensersatzforderungen standhalten zu können, mit wesentlich längeren Übergangsfristen versehen werden. Kritiker meinen, der rechtliche Spielraum von Regierungen werde auf diesem Wege ausgehebelt. Somit spiele TTIP Konzernen Macht in die Hände, die es ihnen ermöglichen würde, Staaten in den Ruin zu treiben.

Die Gegner des TTIP in der EU werden unterdessen immer lauter und vor allem immer mehr. Eine Studie von Bertelsmann stellte fest, dass die Zustimmung zu dem Freihandelsabkommen innerhalb der deutschen Bevölkerung von noch 55 Prozent im Jahr 2014 auf mittlerweile nur noch 17 Prozent gefallen ist. In Angela Merkel hat TTIP eine mächtige Befürworterin. Ihr Ziel war es, das Abkommen noch unter Barack Obama zu verabschieden. Dazu wird es jedoch nun nicht mehr kommen.

Vattenfall macht indessen vor, wovon andere bis dato noch träumen. So könnten künftig auch US-Investoren bei drohender Verlustgefahr infolge gesetzgeberischer Schritte europäische Länder nach Washington zerren. Erst 2015 wurde am Beispiel Ecuador deutlich, wie ein Land durch Investorenklagen in den Ruin getrieben werden kann. In den Jahren zuvor musste das Land nicht weniger als 39 Schiedsgerichtsverfahren über sich ergehen lassen. So wurde unter anderem entschieden, dass Ecuador 1,1 Milliarden Dollar an die amerikanische Ölfirma Occidental Petroleum Corp. zu zahlen hat.

Schweden ist wiederum ein Land, welches für seine Liebe zur Natur bekannt ist. Aber gilt dies auch für Vattenfall? In Wedel schneit es gelegentlich. Die Partikel aber sind keine Freude für die Kinder, sie sind gesundheitsschädlich und entstammen dem 50 Jahre alten, von Vattenfall betriebenen Kohlekraftwerk.

Die Anwohner waren an die Asche schon gewöhnt. Neuerdings weisen die Flocken aber eine gelbliche und grünliche Färbung auf. Vattenfall hat zur Klärung oder Beseitigung der Ursache bisher wenig unternommen und entzieht sich der Verantwortung. Im Jahr 2017 soll es eine Verbesserung bei den Schornsteinen geben. Das zuständige Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) will unterdessen keine unabhängige Untersuchung einleiten. Der Verursacher sei eindeutig, daher bedürfe es keiner weiteren Nachforschung, heißt es aus der Behörde.

Ein Urteil im Rechtsstreit "Vattenfall gegen Bundesrepublik Deutschland" ist frühestens im nächsten Jahr zu erwarten. Bis jetzt hat der Streit den Steuerzahler bereits über acht Millionen Euro gekostet. Die mündlichen Verhandlungen laufen noch bis zum 21. Oktober. Sie können größtenteils sogar live mitverfolgt werden. Die Chancen auf einen positiven Ausgang des Verfahrens für den Konzern stehen Experten zufolge gut.