Unter dem Titel Perspektiven veröffentlicht die Sächsische Zeitung kontroverse Essays, Analysen und Interviews zu aktuellen Themen. Texte, die aus der ganz persönlichen Sicht der Autoren und Gesprächspartner Denkanstöße geben, zur Diskussion anregen sollen. Heute: Die Leipziger Psychologin Heide Glaesmer hat in einer Studie herausgefunden, dass der Zweite Weltkrieg viele der älteren Menschen traumatisiert hat. Sie werden das Grauen der Kinder- und Jugendtage nicht los. Doch es gibt neue Therapiemöglichkeiten.
© Ronald BonßGedenken gegen das Trauma – alljährlich versuchen Dresdner, wie hier vor der Frauenkirche, ihre Erinnerungen an die Bombennächte zu verarbeiten.
Frau Glaesmer, Sie haben in Ihrer Studie überraschend viele traumatisierte über 60-jährige Menschen gefunden. Wie hoch ist ihr Anteil in Deutschland genau?Wir haben die leichteren Symptome einer sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit untersucht und kommen auf zwölf Prozent der über 60-Jährigen. So konnten wir zeigen, dass etwa doppelt so viele Menschen aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsgeneration traumatisiert sind als aus den jüngeren Generationen.
Sie führen die Traumatisierungen hauptsächlich auf den Zweiten Weltkrieg zurück.Ja, denn wir haben uns auch eine Schweizer Studie angesehen, die von deutlich weniger Traumatisierungen berichtet. Und wir fanden dort auch nicht diese Häufung bei älteren Menschen, die wir in unserer Studie entdeckt hatten.
Sie beschreiben das Auftreten einer PTBS als „Krieg im Kopf“. Wie muss man sich diesen Krieg vorstellen?Er besteht vor allem aus dem schmerzhaften Wiederempfinden der traumatischen Situation: Das sind zum Beispiel Albträume, auch filmartige Sequenzen, die sich tagsüber einschleichen. Man erlebt also die Situation, die einen traumatisiert hat, immer wieder. Die Betroffenen fühlen sich dabei hilflos.
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