Verteidigungsminister Guttenberg sagt, er habe in seiner Doktorarbeit nicht vorsätzlich Fehler begangen. Experten bezweifeln das, die Wissenschaft ist aufgebracht. Der Nachfolger seines Doktorvaters nennt ihn einen Betrüger.
Guttenberg-Puppe
© dpaVerteidigungsminister zu Guttenberg als Puppe bei der Verleihung des Ordens « Wider den tierischen Ernst » in Aachen

Die Wissenschaft ist wütend über Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und seine Plagiatsaffäre. Immer mehr Forscher verurteilen das Kopieren fremder Texte ohne Hinweis in Guttenbergs Doktorarbeit. Dabei gehen einige von Vorsatz aus. Die SPD legte Guttenberg erneut den Rücktritt nahe. Aus der Union kommt Unterstützung - aber auch Zweifel.

Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater, Oliver Lepsius, legte mit scharfer Kritik nach. "Der Minister leidet unter Realitätsverlust", sagte der Bayreuther Juraprofessor der "Süddeutschen Zeitung". "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat." Guttenberg habe "planmäßig und systematisch" wissenschaftliche Quellen zum Plagiat zusammengetragen und behaupte nicht zu wissen, was er tue. Lepsius ist Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle.

"Wissenschaftler teilen ihre Ideen, sie entwenden sie nicht", sagt der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Mehrere hundert Demonstranten protestierten nach Polizeiangaben in Berlin dagegen, dass Guttenberg Teile seiner Doktorarbeit einfach kopiert und deshalb nur seinen Doktortitel verloren hatte. Als sichtbaren Protest hängten sie Schuhe an den Zaun des Verteidigungsministeriums. Im Internet hatten sie zu der Aktion unter dem Motto "Wir zeigen dem Lügenbaron den Schuh" aufgerufen - eine Anspielung auf die fehlenden Fußnoten in der Doktorarbeit und zugleich im Islam ein Symbol der Schmähung.

Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, warnte vor einer Verharmlosung. "Wissenschaftler teilen ihre Ideen und Erkenntnisse, sie führen sie gemeinsam weiter, aber sie entwenden sie nicht", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Der frühere DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker sieht Guttenberg wissenschaftlich "für immer am Pranger", wie er dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel sagte.

Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Jörg Hacker, warf Guttenberg eine schlechte Vorbildrolle vor. "Wissenschaftliche Standards sind ernst zu nehmen und müssen schon früh in jeder wissenschaftlichen Laufbahn - unabhängig von der Fachdisziplin - garantiert werden", sagte der Biologe der Deutschen Presse-Agentur.

"Das war Vorsatz und kein Versehen"

Mehrere Juristen gehen davon aus, dass Guttenberg mit Vorsatz gehandelt hat. "Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war", sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem "Spiegel". Der auf Streitfälle bei Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert erklärte: "Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan."

Auch aus dem Ausland kommt Kritik. Der Moskauer Politologe Wladislaw Below glaubt, dass die Affäre dem Ruf Deutschlands als Wissenschaftsstandort einen "riesigen Schaden" zugefügt hat. "Wenn Guttenberg zurücktreten würde, könnte er damit einen echten Beitrag zur Rettung der deutschen politischen Kultur leisten", sagte der Deutschland-Experte der dpa.

SPD-Chef Sigmar Gabriel legte Guttenberg erneut einen Rücktritt nahe. "Würde er zurücktreten, könnte er in einigen Jahren seine Karriere fortsetzen. So bleibt er für immer beschädigt", sagte er der "Bild am Sonntag". Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch sagte: "Guttenbergs Verteidigungsstrategie bricht zusammen."

Erster CDU-Ministerpräsident rückt von Ex-Doktor Guttenberg ab

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hat angesichts zunehmender Vorwürfe Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs. "Ich weiß nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann", sagte er dem "Tagesspiegel". "Ich halte das Verhalten des Doktoranden zu Guttenberg weder für legitim noch für ehrenhaft."

Rückhalt bekam der Verteidigungsminister von Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). "Er ist ein ausgezeichneter Verteidigungsminister", sagte er der "Welt am Sonntag". Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte dem Magazin "Focus", Guttenberg habe "noch eine lange, große Laufbahn" vor sich".

Guttenberg hatte "gravierende Fehler" in seiner Dissertation eingeräumt, vorsätzliches Handeln aber bestritten. Die Universität Bayreuth erkannte seinen Doktortitel ab und prüft derzeit, ob er mit Vorsatz handelte. Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb, die Täuschungsprüfung könne bis zu zwei Wochen dauern.