Kivalina vor Alaska liegt vier Meter über dem Meeresspiegel, 400 Bewohner stehen nun vor der Umsiedlung. Die Herbststürme setzen der Insel zu. Doch das schützende Eis gibt es nicht. Es ist zu warm.
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© courtesy relocate-ak.org
Wenn die Herbststürme über Kivalina hereinbrechen, werde es richtig schlimm, sagt Colleen Swan, die ihr gesamtes Leben hier verbracht hat. Dann treiben heftige Winde Eiswasserwellen gegen das gefährdete Gestade und richten die winzige Insel an Alaskas Nordwestküste übel zu. Nur vier Meter über dem Meeresspiegel der Tschuktschensee, einem Randmeer des Nordpolarmeeres, gelegen, ist die Insel regelmäßig Überschwemmungen ausgesetzt. Bei schlechten Wetterverhältnisse ist sie vom Luft- und Seeverkehr abgeschnitten.

Früher war die Meeresoberfläche noch gefroren, wenn die Stürme die Insel erreichten und das Eis konnte die Wellen abblocken. Aber wegen der Klimaerwärmung bildet sich das Eis jetzt erst später im Jahr - zu spät, um Kivalina zu schützen. Nachdem sie jahrelang Wind und Wetter ausgesetzt war, bröckelt die Insel samt ihrem Dorf langsam ins Meer.


Der Klimawandel macht Kivalina nahezu unbewohnbar für seine 400 Einwohner, die meisten von ihnen Inupiat-Eskimos. "Wir haben keine andere Wahl", erklärt Swan, die als Mitglied der Dorfverwaltung auch die Umsiedlung der Inselgemeinde organisiert, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir müssen die Insel verlassen."

Die Einwohner Alaskas lebten an "vorderster Front" des Klimawandels, sagt US-Präsident Barack Obama in einem Video zu seinem Alaskabesuch (31. August bis 2. September). Die Temperatur in Alaska steigt doppelt so schnell wie die weltweiten Durchschnittstemperaturen. Die Wintertemperaturen sind fast 3,5 Grad höher als in den 50er Jahren.

Schrumpfende Eisberge, schmelzendes Meereseis und das Aussterben von Tierarten wirken sich auf das Leben der Landbevölkerung aus, die vom Jagen und Fischen lebt. Ihr Schicksal sei ein "Vorgeschmack dessen, was den Übrigen von uns passieren wird, wenn wir nicht handeln", sagt Obama. "Es ist ein Weckruf." Zwar ist noch kein Präsidentenbesuch in Kivalina geplant, aber die Inselbewohner hoffen, ihn am 1. September in der nahe gelegenen Stadt Kotzebue zu sehen.


Kommentar: Was für ein ironischer Name für dieses Treffen.


184 Gemeinden bedroht, 12 sollen dringend umsiedeln

Die Ureinwohner Alaskas haben jahrhundertelang als Jäger auf dem Festland nahe Kivalina gelebt und sind auf der Suche nach Wild und essbaren Pflanzen von Siedlung zu Siedlung gezogen. Aber vor rund hundert Jahren baute die US-Behörde für die Belange der Ureinwohner eine Schule in Kivalina, weil es dort guten Zugang zu Trinkwasser gab, und verpflichtete Eltern, sich dort niederzulassen, damit ihre Kinder zum Unterricht gehen konnten. Wegen des Klimawandels stehen die Gemeinden Alaskas jetzt erneut auf unsicherem Boden.


Kommentar: Damit wurden die Ureinwohner gezwungen sesshaft zu werden, die sich sonst entsprechend ihrer verändernden Natur stets anpassten und von vornherein diese Insel als festen Lebensplatz ablehnten.


Studien im Auftrag der Regierung haben 184 Ureinwohnergemeinden in Alaska als bedroht eingestuft und 12, einschließlich Kivalina, empfohlen, dringend umzusiedeln, heißt es in einem Artikel der Brookings Institution, einer Denkfabrik in Washington DC. Leider ist die Umsiedlung einer Gemeinde genauso schwer, wie es sich anhört.

Der Bau eines neuen Kivalina samt Zugangsstraßen soll über 89 Millionen Euro kosten. Die Behörden auf Orts-, Staats-, Bundes- und Stammesebene streiten darüber, wie die Umsiedlung vonstattengehen und wer sie finanzieren soll. "Sie haben uns hier angesiedelt, dann sollen sie uns auch wieder umsiedeln", sagt Swan.

Colleen Swan hofft, Obama von ihren Sorgen berichten zu können. Sie schätzt seinen Kampf gegen den Klimawandel. "Es ist gut, dass sie über nachhaltige Lösungen reden", sagt sie. Leider seien in Gemeinden wie Kivalina langfristige Lösungen bereits zu spät. "Die Situation ist so weit fortgeschritten, dass es erst schlimmer wird, bevor es besser werden kann", sagt sie. "Wenn wir das Problem jetzt nicht lösen, werden wir es an unsere Kinder weitergeben."

dpa