Puppenspieler
Wenn man es realistisch betrachtet, darf man von Beate Zschäpe nicht viel erwarten. Eine Lebensbeichte scheint ebenso ausgeschlossen wie eine Entschuldigung. Zu erwarten ist eher eine Art Rechtfertigung - oder dass sie sich selbst als Opfer darstellt. Natürlich gilt dabei auch für Zschäpe die Unschuldsvermutung. Allerdings kann nach 240 Tagen Hauptverhandlung im "NSU-Prozess" inzwischen einiges als gesichert gelten. Auf dieser Grundlage begründe ich meine Thesen.
Wird Zschäpe eine Lebensbeichte ablegen?
Beate Zschäpe hat offenkundig kaum nahe Freunde und Angehörige. Ihre wichtigste Bezugsperson scheint lange die inzwischen fast 95-jährige Oma gewesen zu sein, neben den toten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - und der Familie E. Doch Familienvater André E. sitzt mit auf der Anklagebank, Mutter Susan E. gehört zu den weiteren Beschuldigten. Das Paar hat zwei Kinder, gemeinsam hat man wohl mindestens wöchentlich das Trio besucht - und ihnen wohl auch Ausweise überlassen.
In der Wohnung von Familie E. fand das BKA Fotos des Trios auf einer Art Altar. Dazu das Wort "Unvergessen" mit zwei S in der Art von SS-Runen. Nach allem, was wir wissen, dürfte eine echte "Lebensbeichte" von Zschäpe beide Eltern E. ins Gefängnis bringen. Dass sie das tut, ist für mich nicht vorstellbar.
Erleben wir die ahnungslose Zschäpe?
"Ja, sie hat mit den Uwes zusammengelebt und sich zehn Jahre lang vor der Polizei versteckt. Aber nein, von den Morden und anderen Straftaten wusste sie nichts" - eine solche Aussage würde das Gericht wohl kaum beeindrucken. Denn warum hat sie dann ihr Wohnhaus angezündet? Dass sie es tat, hat der Prozess schon jetzt ergeben. Woher ihr Wissen über "geklautes Geld", von dem sie gegenüber dem BKA sprach? Woher Fingerabdrücke auf einem Zeitungsartikel über einen der Morde? Warum der komische Satz nach der Festnahme, sie habe sich nicht gestellt, um nichts zu sagen? Beate Zschäpe dürfte selbst wissen, dass diese Erklärung das Gericht nicht überzeugen würde.
Inszeniert sich Beate Zschäpe als Opfer?
Manche Beobachter glauben, Zschäpe könnte sich selbst zum Opfer machen. Psychisch abhängig von den beiden Uwe, am Ende vielleicht sogar sexuell hörig. Eine Theorie, die es am Anfang auch in Ermittlerkreisen gab, befeuert unter anderem von einem Jugendfoto, das Zschäpe mit einem Uwe im Bett lümmelnd zeigt. Allerdings haben mehrere Zeugen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert, wie selbstbewusst, steuernd, ja sogar manipulativ Zschäpe gewesen sein soll. Familienangehörige, Freunde und Bekannte haben das gesagt, so dass es mir eher wahrscheinlich scheint, dass sie bei den Drei die Steuernde war - und nicht das Opfer.
Zschäpe als Frau des Verfassungsschutzes?
Im "NSU-Prozess" will ich eigentlich gar nichts mehr ausschließen - also auch nicht die Behauptung Zschäpes, sie habe für deutsche Nachrichtendienste gearbeitet. Belege dafür gibt es nicht. Aber im Strafprozess helfen würde es ihr auch nicht. Denn ihre Strafe könnte eine Tätigkeit als V-Frau nur mindern, wenn der Verfassungsschutz sie zu den Taten angestiftet hätte. Das wäre dann eine echte Staatskrise, für die es nicht im Ansatz einen Anhaltspunkt gibt.
Und auch, dass sie "nur" Spitzel gewesen wäre: Nach vier Jahren intensiven Ermittlungen und einem halben Dutzend Untersuchungsausschüssen ist das abwegig. Aber beim NSU ist es wie bei James Bond: "Sag niemals nie!"
Was wird sie also sagen?
In der Erklärung des Anwalts erwarte ich vage Angaben zu ihrer Rolle, zum Beispiel, dass sie nichts von konkreten Morden wusste. Und gut vorstellen kann ich mir, dass sie versucht, um die eigentlichen Morde herumzureden und ihre Rolle klein zu machen. Beispielsweise, indem sie sagt, dass sie bei der Brandstiftung in Zwickau niemals ihre Nachbarin gefährden wollte. Den Opfern und ihren Angehörigen würden solche Sätze überhaupt nicht helfen. Beate Zschäpe im Strafprozess wohl auch nicht.
Unter dem Strich dürfte deshalb stehen: Wenn Beate Zschäpe ihren Anwalt etwas sagen lassen wird, dürfte es trotzdem niemandem helfen.
Kommentar: Die Tagesschau tut ahnungslos und spekuliert munter drauf los mit den absurdesten Theorien, vergisst aber wohl bewusst zu erwähnen, dass schon lange ein riesiges Archiv existiert, in dem Dokumente, Akten, Zeugenaussagen und so allerlei Ungereimtheiten zu den NSU Morden veröffentlicht wurden, aus denen klar hervor geht, wer hier in Wirklichkeit seine Finger im Spiel hatte. Der Blog NSU Leaks hat jahrelang akribisch Daten gesammelt und ausgewertet. Wenn es noch weitere Beweise braucht um klar zu machen, auf welcher Seite die Tagesschau hier berichtet, dort findet man sie. Ein wahrer Augenöffner.
Ein etwas veralteter, dennoch gut aufbereiteter Überblick über den NSU
Hier eine kleine Auswahl an Artikeln über den NSU Fall: