Nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit Anwohnern entsteht im Münchner Viertel Neuperlach ein großes Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Als letzten Kompromiss sagte die Stadt die Errichtung einer vier Meter hohen Mauer auf dem Gelände zu - aus Lärmschutzgründen. Nicht wenige Lokalpolitiker empfinden die Mauer als ein unglückliches Symbol.
Mauer vor Flüchtlingsheim München
© dpa/ Sven HoppeAnwohner hatten die Mauer als Lärmschutz im Stadtteil Neuperlach durchgesetzt.
Eine Stadt, die im September 2015 noch Flüchtlinge mit offenen Armen am Hauptbahnhof empfing, will sich nun von ihnen abgrenzen: Das ist zumindest der Eindruck, der beim Blick auf das neugebaute Flüchtlingsheim im Münchner Stadtteil Neuperlach-Süd entstehen könnte. Denn die Unterkunft in der Nailastraße und die umliegenden Häuser der Anwohner werden durch eine vier Meter hohe Mauer getrennt.

Offiziell geschieht dies aus Lärmschutzgründen: Seit mehr als zwei Jahren streiten sich mehrere Anwohner mit der Stadt München um den Bau des Flüchtlingsheims. Zuletzt hatten sechs Bewohner der anliegenden Berghamer Straße und der Eigentümer eines ebenfalls anliegenden Grundstücks gegen die Baugenehmigung geklagt. Ihr Argument: Die Bauauflagen berücksichtigten nicht ausreichend die Lärmschutz-Regelungen, die Anwohner befürchteten andauernde Ruhestörungen.

"Monster von Mauer"

Als Kompromiss einigte sich die Stadt mit den Anwohnern auf die Errichtung der Vier-Meter-Mauer. Der Bau des Flüchtlingsheims ist damit gesichert. Doch Lokalpolitiker Guido Bucholtz ist "regelrecht erschrocken, als ich das Monster von einer Mauer gesehen habe". Das sagte Buchholtz, stellvertretender Vorsitzender im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach, zu FOCUS Online.

Eine riesige Mauer, die Anwohner vor minderjährigen Flüchtlingen schützen soll, und sei es nur wegen des Geräuschpegels: Bucholtz empfindet diese Lösung als höchst unglücklich. "Man schirmt die Flüchtlinge regelrecht ab", gibt er zu bedenken. Für ihn ist der Lärmschutzwall das Ergebnis einer Rhetorik, die sich im öffentlichen Raum immer weiter gegen Asylbewerber gewandt hat. "Die ganze Propaganda gegen Flüchtlinge ist zum Kotzen!", schimpft Bucholtz.

Umstrittenes Schallschutzgutachten

Der Lokalpolitiker betreibt nebenbei eine Internet-Seite namens "Film Neuperlach", in der er sein Viertel mit Hilfe von Drohnen aus der Vogelperspektive zeigt. In einem Video hält er auch die Mauer an der Nailastraße fest - und vergleicht sie mit der Mauer in Berlin, dem berüchtigsten Schutzwall überhaupt. Die Mauer in Neuperlach ist 40 Zentimeter höher. Auch die Grünen-Stadträtin Gülseren Demirel sagte der tz, die extreme Abgrenzung unter Vorwand des Lärmschutzes sei grundsätzlich schwierig.

Die Höhe von vier Metern wurde durch ein Schallschutzgutachten ermittelt. Darüber hinaus wurde die Mauer so gestaltet, dass die sich nicht als Tor zum Fußballspielen und auch nicht als Kletterwand eignet. Streetball-Plätze an der Mauerseite wurden gestrichen. Allerdings liegen zwischen dem Gelände der Unterkunft und den Häusern der Anwohner ohnehin bereits 25 Meter, durch einen Radweg und einen dicht bewachsenen Grünstreifen.

Zweijähriger Rechtsstreit

Die Stadt jedenfalls ist froh, sich im zwei Jahre andauernden Streit um den Bau des Flüchtlingsheims überhaupt durchgesetzt zu haben. Zunächst gelang es den Anwohnern, mit mehreren Petitionen die Unterbringung von erwachsenen Flüchtlingen in der Unterkunft zu verhindern. Ihr Argument: Die Lage des Heims in einem Gewerbegebiet am Stadtrand sei Gift für die Integration der Asylbewerber. Als Kompromiss sollen nun minderjährige Flüchtlinge in der Anlage unterkommen.

ps/flr