sternengucker
© Joshua Erle (unplash.com)
Beim Neujahrs-Spaziergang sah ich sie wieder: Neujahrs-Jogger, die frisch motiviert ihren Vorsätzen folgend ihre Runden drehten.

Wie viele werden es noch am nächsten Wochenende sein? Und am Wochenende danach?

Wir kennen doch alle das Spiel: Zum neuen Jahr denken wir uns die tollsten, wichtigsten, größten und diesmal wirklich ehrlich gemeinten guten Vorsätze aus - und wenige Wochen später hat der Alltag und ... der innere Schweinehund uns wieder im Griff. Und die guten Vorsätze bleiben liegen.

Das gilt nicht nur für Neujahrs-Vorsätze, sondern auch für viele andere Ziele, Vorhaben und Projekte: Anfangen ist leicht, es ist das Durchhalten, was so schwer ist. Ob die Ernährung umzustellen, mehr Sport zu machen oder irgend etwas anderes im Leben zu verändern.

Dabei gibt es einen einfachen Weg, neue Vorsätze mit Erfolg und ohne große Mühe umzusetzen: Mini-Gewohnheiten!

Gute Vorsätze sind Änderungen am eigenen Autopiloten

Um zu verstehen, wieso gute Vorsätze so selten funktionieren müssen wir uns vor Augen führen, was genau passiert, wenn wir uns ein neues Ziel vornehmen und es dann quasi selber wieder sabotieren.

Gute Vorsätze, Ziele und neue Gewohnheiten sind nämlich nichts anderes als Veränderungen an sich selbst. Und hier liegt des Pudels Kern: Jede Veränderung ist schwer.

Denn unser Leben läuft zum größten Teil vollautomatisch ab: Wir stehen auf, ohne groß darüber nachzudenken, gehen ins Bad, duschen, machen Frühstück, gehen in die Arbeit, Mittagspause, Meetings, Facebook, Emails, Feierabend, Abendessen, Zähneputzen, Schlaf. Und dann wieder von vorne.

Die meisten Tätigkeiten im Leben erledigen wir vollautomatisch, ohne darüber nachzudenken. Zähneputzen. Essen. Gehen. Fahren. Schlafen. Den größten Teil unserer Zeit verbringen wir als Maschine.
Automatisch Dinge zu tun ist einfach.
Das ist nichts Schlechtes, sondern überlebenswichtig: Gerade weil der größte Teil unseres Lebens auf Autopilot läuft, hat unser Gehirn genug Kapazität, um nachzudenken: Über Projekte, das Buch, das man gerade liest, der Auftrag, für den man ein Dokument schreibt, das Projekt, Träume, Hoffnungen, Geschichten und all das, was unseren Geist und die Seele so unnachahmlich macht.

Da ist es schon praktisch, dass man nicht jeden Atemzug, jeden Bissen, jeden Schritt bewusst und bis ins kleinste Detail selber steuern muss.

Und hier scheitern die meisten guten Vorsätze: Denn im Grunde versucht ein „guter Vorsatz“ nichts anderes, als die eigenen Automatismen umzuprogrammieren: Weniger Süßes essen, mehr Sport treiben, ein neues Instrument lernen, das jeden Tag geübt werden will und so weiter.

Aber gerade weil ein Automatismus von ganz alleine läuft, ist er auch schwer zu ändern.

Das Problem: Kleinhirn schlägt Großhirn. Fast immer.

Für die Automatismen im Leben ist das Kleinhirn zuständig: Hier sitzt der Autopilot, der die meisten Tätigkeiten im Leben steuert. Keine Angst: Wir müssen keine Hirnforscher werden, um zu verstehen, was hier passiert. Alles, was wir wissen müssen ist: Die meisten Tätigkeiten im Leben laufen automatisch und unbewusst ab und hier spielt das Kleinhirn eine große Rolle.

Was ist nun, wenn wir uns etwas neues vornehmen, also einen guten Vorsatz, eine neue Gewohnheit, eine Änderung im eigenen Verhalten?
Ein (guter) Vorsatz ist nichts anderes als der Versuch, die eigenen Automatismen im Kleinhirn umzuprogrammieren.
(Das Wort „guter“ steht hier in Klammern, weil das Kleinhirn keine Ahnung hat, was „gut“ oder „schlecht“ ist, es tut einfach das, was es gelernt hat, ohne Wertung.)

Das Problem hier ist, dass Automatismen sich nur langsam und mit viel Mühe umprogrammieren lassen: Jede Änderung im Kleinhirn-Programm ist zäh, dauert lange und erfordert viele Wiederholungen. Kleinhirne zu programmieren kostet Mühe und macht keinen Spaß. Das ist der Preis der Automatisierung: Ein Automatismus im Gehirn ist nichts anderes als ein Muster, das durch viele, viele Wiederholungen entstanden ist und das die Neuronen in immer den gleichen Pfaden feuern lässt, die durch diese Wiederholungen erst entstanden sind.

Software umzuschreiben geht schnell. Neue Hardware zu installieren dauert länger. Automatismen sind in Hardware gegossene Software, können also nur sehr langsam geändert werden. Auch in der Biologie.
Das eigentlich Schwere ist also, die eigenen Automatismen umzuprogrammieren, weil sie genau wegen ihrer Starrheit automatisch funktionieren.
Wenn wir also etwas unbewusst tun, also automatisch, dann tun wir das ohne nachzudenken. Das ist ja gerade der Vorteil.

Wenn wir aber etwas tun wollen, was nicht unserem Automatismus entspricht, müssen wir unser Gehirn stärker anstrengen: Eben weil wir (noch) keinen Automatismus für den neuen Vorsatz haben, also das Großhirn das Kommando bewusst über das Kleinhirn übernehmen muss - und das fällt schwer.

Schwerer als wir denken: Denn das Kleinhirn ist mächtig: Schließlich ist es auch für Herzschlag, Flucht, Verdauung, Atmen und viele andere überlebenswichtige Dinge zuständig. Da braucht man viel Energie, um das Kleinhirn dazu zu bringen, Dinge anders zu tun, als es gewohnt ist, es also umzuprogrammieren.

Der innere Schweinehund hat also einen Namen und er heißt: Kleinhirn. Und das Kleinhirn ist störrisch und lässt sich ungefähr so einfach umprogrammieren wie ein Hund beim Stöckchen-Spielen.

Zurück also zu unserem Vorhaben: Wenn wir also nach Neujahr einen neuen Vorsatz wirklich umsetzen wollen, wie können wir das tun?

Ganz einfach: Indem wir das Kleinhirn überlisten.

Den inneren Schweinehund umgehen, wenn er mal nicht hinguckt.

Wenn wir unsere guten Vorsätze genau betrachten, dann bestehen sie fast immer aus zwei Komponenten:
  1. Eine neue Gewohnheit. Also ein neuer, regelmäßig wiederkehrender Automatismus, wie z.B. jede Woche, jeden Tag, nach dem Aufstehen usw.
  2. Ein Schwierigkeitsgrad, der mess- und regelbar ist, der unsere neue Gewohnheit „schwerer“ oder „leichter“ machen kann: (10 km laufen, 30 Liegestütze, lange kochen statt Pizzadienst anrufen, usw.).
Meistens versuchen wir, über „Motivation“ („Tschakka, Du schaffst es!“) einen guten Vorsatz umzusetzen. Das ist nichts anderes als der Versuch, das Kleinhirn durch die Willenskraft des Großhirns mit Gewalt zu zwingen, bis es die neue Gewohnheit verinnerlicht hat.

Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass Willenskraft Energie kostet: Und zwar messbare, wissenschaftlich belegte und nur begrenzt zur Verfügung stehende Willenskraft-Energie.

Schlauer ist es, dem Kleinhirn ein Schnippchen zu schlagen, den Schweinehund zu umgehen, wenn er gerade schläft und ihm eine neue Gewohnheit quasi nebenbei unterzujubeln: Indem wir die beiden Komponenten unserer Vorsätze voneinander trennen und uns zunächst nur auf die regelmäßige Gewohnheit konzentrieren und dabei die Schwierigkeit bewusst sehr klein wählen. Geradezu lächerlich klein.

Ein paar Beispiele für solche Mini-Gewohnheiten:
  • 1 Liegestütze am Tag. (Wenn Du keine Liegestütze schaffst: Stütze Dich an einem Stuhl ab).
  • Ein Glas Wasser pro Tag (statt Cola, Alkohol, etc.).
  • Die Laufschuhe 1 x am Tag anziehen (Laufen ist nur freiwillig).
  • Jeden Sonntag ein Spiegelei zum Frühstück braten, statt Brot zu schmieren.
  • 1 Seite in einem Buch lesen.
1 Liegestütze am Tag: Ist das nicht lächerlich?

Ja, das ist lächerlich. Das ist ja genau der Trick!

Der Witz bei solchen Mini-Gewohnheiten ist nämlich, sie so klein zu machen, dass das eigene Kleinhirn nicht merkt, dass es sich verändert. Die erste Liegestütze fällt nicht auf. Die zweite am Tag danach auch nicht. Aber nach 100 Tagen Liegestütze hat sich ein neues Muster einprogrammiert, ein neuer Automatismus eingeschlichen.

Plötzlich schrecken wir kurz vor dem Einschlafen auf, weil wir unsere Liegestütze beinahe vergessen hätten. Schnell noch die Liegestütze für den Tag machen!

Trick Nummer 2 kommt sofort danach: Es bleibt selten bei nur einer Liegestütze (oder was auch immer man sich vorgenommen hat). Denn das schwerste an einer neuen Sache ist immer nur das Anfangen. Wenn die erste Liegestütze vollbracht ist, dann kann man auch eine Zweite machen. Oder eine Dritte. Oder zehn?

Mit Mini-Gewohnheiten das Kleinhirn erobern.

Probier es selber aus!

Such Dir einen guten Vorsatz und minimiere ihn auf das Kleinstmögliche. Etwas, das so lächerlich einfach ist, das Dein Unterbewusstsein es getrost ignorieren kann. Etwas so simples, das der bloße Gedanke, es nicht zu tun mehr Kraft kostet, als es einfach zu machen. Und wenn Dir nichts einfällt, dann fang einfach bei einer Liegestütze pro Tag an.

Dann werden es vielleicht mal zwei, oder drei, fünf, zehn, oder hundert?

Die wichtigsten Regeln:
  • Mach Deine Mini-Gewohnheit so klein, dass es keine Ausrede mehr gibt!
  • Wenn Du Dein Minimum absolviert hast, bist Du fertig: Du hast es geschafft! Tschakka! Du bist die Heldin! Du kannst Dich feiern! Alles weitere ist nur freiwillig.
  • Sei 100 % konsequent. Nicht 99 %. Kein einziges mal aussetzen. Wenn es einen Grund gab, an einem Tag auszusetzen, dann war die Mini-Gewohnheit nicht klein genug. Es darf wirklich keine Ausreden mehr geben und das Ziel ist 100 %-iger Erfolg.
Wenn die neue Gewohnheit für Dich so selbstverständlich geworden ist wie das Zähneputzen, dann hast Du das Kleinhirn erfolgreich auf Deiner Seite. Dann kannst Du anfangen, mehr zu machen, auf Leistung zu gehen oder die Latte irgendwie anders höher zu legen. Es kann gut sein, dass das von ganz alleine passiert.

Im Sommer las ich das Buch: Mini Habits: Smaller Habits, Bigger Results* (Auf Deutsch: Viel besser als gute Vorsätze: Wie Sie mit Mini-Gewohnheiten Maxi-Erfolge erleben*) gelesen und sofort angefangen, 1 Liegestütze pro Tag zu machen. Jetzt bin ich bei 129 Tagen, an denen ich durchgehalten habe, ohne einen einzigen Tag auszulassen. Mal habe ich 5, mal 10, mal nur 1 Liegestütze gemacht.

Das klingt für die Power-Sportler unter Euch sicher nach einer lächerlichen Leistung (ist es auch), aber das ist nicht der Punkt: Mir geht es um die Gewohnheit, den Automatismus, die Selbst-Programmierung. Ich bin sicher, dass ich mit dieser 1-Liegestütz-Gewohnheit mehr Konsistenz geschafft habe, als 95 % meines Bekanntenkreises. Der Weg ist geebnet, mein Kleinhirn ist verdrahtet, jetzt muss ich nur noch die bestehenden Pfade breiter treten.

(Leistung gezeigt habe ich schon genug. Die atemberaubende Anzahl von Wiederholungen reiche ich später nach.)

Mit welcher Mini-Gewohnheit fängst Du noch heute an? Was wolltest Du schon immer „schaffen“, was dann doch nicht geklappt hat und wie kannst Du das so klein machen, dass Du es jeden Tag „schaffst“?

Vielleicht fängst Du heute etwas ganz Kleines an, was sich über die Zeit zu etwas ganz Großem aufsummieren kann?

Schreib Deine Ideen in die Kommentare!