Atompilz
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Allen Beteuerungen westlicher Politiker zum Trotz, weder ihre Staaten noch die NATO seien mit Russland im Krieg, muss man spätestens heute konstatieren, dass wir in einem Krieg zwischen der NATO und Russland sind. Schon seit Beginn der Eskalation liefert der Westen der Ukraine nicht nur Waffen und bildet nicht nur deren Soldaten aus, sondern NATO-Generäle sind an der Planung der ukrainischen Militäroperationen beteiligt, wie die USA immer wieder offen eingestanden haben, und sie liefern Kiew auch Daten der Militäraufklärung.

Man stelle sich das einmal umgekehrt vor: Russland würde beispielsweise der syrischen Regierung erlauben, US-Kampfflugzeuge, die täglich den syrischen Luftraum verletzen, mit aus Russland gelieferten Luftabwehrsystemen abzuschießen. Oder Russland würde Syrien moderne Waffen liefern, um die US-Truppen, die illegal Teile Ostsyriens besetzt haben, anzugreifen und aus dem Land zu vertreiben. Und man stelle sich vor, Russland würde auch noch Soldaten schicken, um die syrische Armee zu entlasten, damit sie dafür mehr Kräfte zur Verfügung hat. Würde der Westen das als russische Kriegsbeteiligung ansehen und entsprechend reagieren?

Und wie würde der Westen reagieren, wenn Russland der syrischen Regierung erlauben würde, militärische Ziele in NATO-Ländern, die bei den NATO-Operationen in Syrien logistische Unterstützung leisten, mit aus Russland gelieferten Waffen anzugreifen? Ich denke, man braucht nicht viel Fantasie, um sich die Reaktion des Westens vorzustellen.

Ab wann ein Land Kriegspartei ist

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat schon am 16. März 2022, also etwa drei Wochen nach Beginn der Eskalation in der Ukraine, ein 12-seitiges Gutachten herausgegeben, in dem er der Frage nachgegangen ist, ab wann ein Staat Kriegspartei im russisch-ukrainischen Konflikt ist. Ich habe über das Gutachten ausführlich berichtet, meinen Artikel finden Sie hier.

Im Kern stellte das Gutachten damals zwei Themenfelder fest, bei denen Deutschland aus völkerrechtlicher Sicht zu einer Kriegspartei werden kann. Waffenlieferungen machen Deutschland demnach nicht zu einer Kriegspartei, aber:
"Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen."
Da ukrainische Soldaten in Deutschland an NATO-Waffensystemen ausgebildet werden, ist dieser Punkt schon lange erfüllt. Sowohl die US-Armee bildet ukrainische Soldaten in Deutschland aus, als auch die Bundeswehr.

Das zweite Themenfeld, bei dem Deutschland aus völkerrechtlicher Sicht zu einer Kriegspartei werden kann, ist die Übermittlung von Geheimdienstinformationen. Dazu heißt es in dem Gutachten:
"Hier sind die genauen Umstände entscheidend: Je substanzieller die Unterstützung wird und je abhängiger die unterstützte Partei, also die Ukraine in unserem Fall, davon ist, desto näher kommt man der roten Linie. Strategisch relevante Geheimdienstinformationen fallen dabei natürlich ins Gewicht. Ihrer Natur gemäß sind sie aber natürlich geheim und für die gegnerische Seite nicht oder nur schwer nachzuweisen."
Dass die USA die Ukraine nicht nur mit Geheimdienstinformationen in Echtzeit versorgen und der Ukraine bei der Auswahl von Angriffszielen helfen, sondern sogar aktiv in die militärischen Planungen der Ukraine eingebunden sind, ist schon lange nicht nur bekannt, sondern offiziell bestätigt. Die USA sind damit aus völkerrechtlicher Sicht in jedem Fall schon lange Kriegspartei gegen Russland.

Russlands Warnungen

Russland will keinen Krieg mit der NATO oder den USA, weshalb die russische Regierung zwar mit deutlichen Warnungen vor einer weiteren Eskalation durch den Westen gewarnt, aber bisher eindeutige Schritte, wie auch nur den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit einigen oder allen Ländern des Westens, vermieden hat.

Allerdings sollte der Westen nicht glauben, dass das so bleibt und dass Russlands Geduld endlos ist, denn nachdem der britische Außenminister Cameron Anfang Mai in einem Interview Angriffe mit von London gelieferten Marschflugkörpern auf Ziele in Russland unterstützt hat, hat das russische Außenministerium den britischen Botschafter in Moskau einbestellt und ihm mitgeteilt, die russische Antwort würde britische militärische Ziele auch außerhalb der Ukraine treffen.

Der Westen hat nun all die russischen Warnungen ignoriert und nun haben die meisten Länder, die entsprechende Waffen an die Ukraine geliefert haben, es Kiew erlaubt, diese Waffen gegen Ziele auf unbestritten russischem Gebiet einzusetzen. Über die ersten Reaktionen aus dem russischen Außenministerium habe ich bereits berichtet.

Russland hätte einige Möglichkeiten, auf die exakt gleiche Weise zu reagieren, indem es Ländern, die in bewaffnete Konflikte mit dem Westen verwickelt sind, Waffen liefert, damit diese Länder militärische Ziele des Westens angreifen können. Das Beispiel Syrien habe eingangs schon genannt, aber es gibt noch mehr. Russland könnte beispielsweise den Huthis im Jemen Anti-Schiffsraketen liefern, um die westlichen Kriegsschiffe, die immer wieder Ziele im Jemen angreifen, zu versenken. Und es gibt noch mehr derartige Möglichkeiten.

Wir müssen nun abwarten, wie Russland tatsächlich reagiert, wenn die ersten aus dem Westen gelieferten Waffen Ziele in Russland beschießen, aber eines ist klar: Spätestens heute kann niemand mehr die Tatsache ignorieren, dass der Dritte Weltkrieg bereits begonnen hat und dass die NATO mit Russland im Krieg ist. Die Frage ist nur noch, wie lange Russland davor offiziell noch die Augen verschließen wird.