Mehr als vier Monate sind seit dem Attentat auf die Redaktion des Satire-Magazins »Charlie Hebdo« vergangen. Elf Redakteure und andere Mitarbeiter des Magazins wurden dort am 7. Januar 2015 erschossen. Es war das größte Medienereignis in Europa zu Jahresbeginn. Doch im Blätterwald der Traditionsmedien ist dazu kaum noch etwas zu finden.
wir sind heuchler, charlie hebdo, merkel, netanjahu
Mit ganz wenigen Ausnahmen. Zum Beispiel, weil die Verleihung des PEN-Preises an die Zeitschrift vor wenigen Tagen zu heftiger Kritik unter Schriftstellern führte. Ansonsten herrscht praktisch Funkstille.

Und das ist mehr als seltsam, wie Gerhard Wisnewski in seinem neuen Buch Die Wahrheit über das Attentat auf Charlie Hebdo − Gründungsakt eines totalitären Europa verdeutlicht. Demnach gibt es noch immer zahllose Fragen, Ungereimtheiten und Widersprüche, die im Raum stehen, weil niemand sie beantworten kann oder will.

Wisnewski listet sie in seinem Buch allesamt akribisch auf und stellt bohrend jene Fragen, die anderswo immer noch nicht - oder nicht mehr - gestellt werden. Zum Beispiel diese:
»Warum beging ein führender Ermittler noch in der Nacht nach dem Anschlag Selbstmord? - Weshalb ähnelten die vermummten Täter bei Charlie Hebdo so verdächtig Angehörigen eines polizeilichen Sonderkommandos? - Weshalb war die Polizei an diesem Tag - dem 7. Januar 2015 - nicht vor dem Redaktionsgebäude auf ihrem Posten? - Und: Warum hatten die vermummten Täter einen Personalausweis dabei und ließen ihn nach der Tat auch noch im Fluchtwagen liegen?«
Das sind nur wenige der zahlreichen Fragen, mit denen Wisnewski das Drama noch einmal spannend aufrollt und dabei klarmacht, wie dubios und widersprüchlich die bekannten Informationen zu dem Massaker bis heute sind. Die meisten Journalisten haben das Attentat abgehakt. Doch Wisnewski insistiert: »In Wirklichkeit ist in Sachen Charlie Hebdo gar nichts klar.«

Wie ein Staatsanwalt wühlt sich der Autor penibel und mit rigoroser Neugier durch sämtliche Facetten des Dramas. Kapitel für Kapitel verdeutlicht er dabei Zusammenhänge, die große Zweifel an der offiziellen Version jenes Anschlags wecken, an dessen Aufklärung »anscheinend niemand interessiert« ist.

Zu diesen Zweifeln gehört die berechtigte - und zentrale - Frage, wieso der Personenschützer des Chefredakteurs von Charlie Hebdo nicht frühzeitig reagierte und den Journalisten in Sicherheit brachte, obwohl die Angreifer schon vor dem Eindringen im zweiten Stock Schüsse abgefeuert hatten.

Punkt für Punkt zeigt Wisnewski die Löcher und die Ungereimtheiten in der offiziellen Version der Ereignisse des 7. Januar und den beiden darauffolgenden Tagen auf. Und mit jeder Seite im Buch wächst die Liste der unbeantworteten Fragen.

Mit fortschreitender Lektüre wächst zudem der Verdacht, dass es sich bei dem Attentat um eine Inszenierung gehandelt hat. Diesem Punkt widmet Wisnewski eines der beiden zentralen Kapitel in seinem Buch. Er nennt es »Cui bono: Wem es nützt und wem es schadet«.

Dem Islam sicher nicht, denn - wie der Autor schreibt − »die angeblichen oder auch wirklichen Attentäter haben allen Islamfeinden der Welt den größten Gefallen getan und die perfide Strategie des ›Kampfes der Kulturen‹ einen großen Schritt vorangebracht«.

Genützt hat das Attentat dagegen Charlie Hebdo und der Libération. Auch der Aufstand des Publikums gegen die »etablierte Lügenpresse« wurde für einige Zeit neutralisiert, weil die Charlie-Hebdo-Bewegung in ein gigantisches Gelöbnis für die Pressefreiheit umgemünzt wurde.

Gleichzeitig, so Wisnewski, hätten die Anschläge solche Ereignisse aus den Schlagzeilen verdrängt, »die für das westliche Imperium unangenehm waren«, darunter die miserablen Umfragewerte für Frankreichs Staatspräsident Hollande, der de-facto-»Ausstieg« der Schweiz aus dem Euro mit der aufgehobenen Franken-Bindung sowie der Wahlsieg der EU-kritischen Linken (der sich zum Zeitpunkt des Attentats abzeichnete) in Griechenland.

»Die gemeinsame Kundgebung der Staatschefs in Paris«, so der Autor, »war daher nur eine Gegenanstrengung gegen die in Wirklichkeit zentrifugalen Kräfte, die dabei waren, die EU und die Euro-Zone auseinanderzureißen.«

Und während Frankreich umgehend seine Geheimdienste aufstockte, wurde der Islam dämonisiert. Ein willkommener Effekt, wie Wisnewski argumentiert: »Das westliche Imperium brauchte laufend weitere Rechtfertigungen für seine militärischen Einsätze in zahlreichen Regionen wie dem Irak, in Syrien und Westafrika.«

Die französische Polizei stellte überdies mit der Erschießung der Kouachi-Brüder sicher, dass diese nicht aussagen konnten. Damit bleiben die einzigen Beweise für die Schuld der beiden Brüder beiden Sicherheitskräften.

Wisnewski zitiert den renommierten Strategieexperten Paul Craig Roberts, den dieser Aspekt an die »Massenvernichtungswaffen« Saddam Husseins, den »Einsatz von Chemiewaffen« durch den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und das iranische »Atomwaffenprogramm« erinnert.

Das gründliche Durchleuchten sowohl der politischen, wie auch der geostrategischen und geschäftlichen Hintergründe des Attentats legt für den Autor einen äußerst beunruhigenden Schluss zu: Das Attentat auf Charlie Hebdo war der Gründungsakt eines totalitären Europa:
»Unter dem medialen Schock nach den Attentaten versuchte man, die Einigung des krisengeschüttelten Europas einen großen Schritt voranzutreiben - oder zumindest, ein Auseinanderbrechen der kriselnden EU und Euro-Zone zu verhindern.«
Der Hintergrund: »Ein gegen den Islam geeintes Europa ist exakt der Baustein für ein Weltreich von amerikanischen Gnaden, wie es den USA vorschwebt.« Schon die ersten vier Monate seit dem 7. Januar haben deutlich gezeigt, dass die Fahrt genau in die von Wisnewski skizzierte Richtung geht.

Nach dem Attentat wurden 10 000 Soldaten in Frankreichs Straßen stationiert. Die Nationalversammlung hat ein weitreichendes Überwachungsgesetz beschlossen. Die Bildungsministerin denkt laut über mehr Autorität und nationalistische Lerninhalte in den Schulen nach. Und der Verteidigungs-Etat wird für die nächsten vier Jahre um 3,8 Milliarden Euro aufgestockt.