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Victoria "F**K the EU" Nulands Besuch im vergangenen Jahr in Aserbaidschan veranlasste Analysten dazu, sich zu fragen, ob etwas im Gange sei. Während Nuland sicherlich kein Land besuchen würde, um seine Destabilisierung entlang der russischen Grenze zu beaufsichtigen (schließlich hat sie das niemals zuvor getan, nicht wahr?), würde ein hitziger Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan genau das bewirken. Der plötzliche Ausbruch dieses "eingefrorenen Konflikts" zu einer Zeit, in der sich die ökonomische und militärische Zusammenarbeit zwischen dem Iran, Aserbaidschan und Russland erheblich verbessert, bietet den Truppen der NATO und der Israelis sowohl die Mittel als auch die Motive - also eine gute Gelegenheit, Russland und den Iran auf einen Schlag zu destabilisieren.

Geschichtlicher Hintergrund

Armenien und Aserbaidschan haben wegen der Region Berg-Karabach zwei Mal miteinander im Krieg gestanden - einmal 1918 und das zweite Mal 1988, in den letzten Jahren des Bestehens der Sowjetunion. Aserbaidschaner begannen Armenier in Aserbaidschan abzuschlachten, wobei sie eine große Anzahl von Menschen dazu veranlassten, zu fliehen. Dann griffen sie das von ethnischen Armeniern besiedelte Berg-Karabach in Aserbaidschan mit modernisiertem Militär an und attackierten Menschen, die sich selbst mit Jagdgewehren zu verteidigen suchten oder mit was auch immer sie in die Hände bekamen. Die Aserbaidschaner blockierten Berg-Karabach sowie alle Transportwege und Lieferungen nach Armenien. Die Türkei schloss sich der Blockade an, während Georgien seinen eigenen Bürgerkrieg mit Abchasien führte - was Grenzüberquerungen dort sehr schwierig machte. Somit war die einzige nicht-blockierte (oder beeinträchtige) Grenze, die Armenien blieb, jene zum Iran. Die Blockade ist heute noch immer intakt, obwohl es an der georgischen Grenze im Allgemeinen ruhig geworden ist.

Azerbaijan Armenia Nagorno Karabakh
© Twitter / RFE/RL

Am 10. Dezember 1991 fand in Berg-Karabach eine Volksabstimmung für Unabhängigkeit statt, wie es nach internationalem und UdSSR-Gesetz ihr Recht war. Die Abstimmung, die in Anwesenheit internationaler Beobachter und Medien-Vertreter abgehalten wurde, wies eine Beteiligung von 82.2% der Wahlberechtigten in Berg-Karabach auf. Mit überwältigender Mehrheit bestätigten sie Karabachs Souveränität, wovon 99.89% der Stimmzettel die Unabhängigkeit unterstützten.

Als sich der Konflikt fortsetzte, begannen die Armenier Schlachten zu gewinnen, als einige freiwillige militärische Befehlshaber von Armenien selbst herüberkamen (und einige aus Übersee) und damit anfingen, die Militäroperationen zu organisieren. Sie erhielten auch einige leichte Waffen. Bei jeder Schlacht, welche die armenische Seite gewann, erbeuteten sie die Waffen von den zurückweichenden Truppen der Aserbaidschaner. Unter den konfiszierten Waffen befanden sich türkische und israelische Panzer und Geschütze und, natürlich, übrig gebliebene sowjetische Ausrüstung. Interessanterweise kämpften auch ukrainische Freiwillige an der Seite von Aserbaidschan.

Aserbaidschans Luftwaffe war nicht sehr effektiv. Die Armenier benutzten ein primitives, jedoch effektives Luftverteidigungssystem: Seilnetze, die sie über den Bergen ausbreiteten und anhoben, wenn die Kampfhubschrauber und Kampfjets sich daranmachten, ihre Positionen in den Gebirgsausläufern und Tälern anzugreifen - wodurch sie zum Absturz gebracht wurden (diese Technik wurde am meisten in Schuschi angewandt).

1992 wurde ein militärischer und strategischer Wendepunkt erreicht, als die Verteidigungskräfte von Karabach den Latschin-Korridor sicherten und eine direkte Verbindung zur Grenze mit Armenien öffneten. Von diesem Punkt stieg die Kampfmoral sprunghaft an und der Überlebenskorridor für Nachschub machte fortwährende Siege viel wahrscheinlicher.

Um 1993 ersuchte Aserbaidschan um Frieden. Es gab eine Waffenstillstands-Vereinbarung, die Aserbaidschan auf der Stelle zu verletzen begann. Der Waffenstillstand hielt nicht und die Kampfhandlungen wurden wieder aufgenommen. Im Frühjahr 1994 hatte Aserbaidschan so gut wie die ganze Region Berg-Karabach verloren, einschließlich strategischer Stellungen. Das Waffenstillstands-Abkommen, das von Russland und der OSZE ausgehandelt worden war, ist dem Namen nach noch in Kraft, trotz regelmäßiger doch relativ kleiner Verletzungen, die zu dem jüngsten Ausbruch von Gewalt führten.

Der Aliyev-Klan und mit ihm verbündete Oligarchen haben Aserbaidschan seit dem Zusammenbruch der UdSSR beherrscht. Die aserbaidschanische Elite hat ihre Bevölkerung einer Gehirnwäsche unterzogen, völlig paranoid zu sein und den Armeniern die Schuld für all ihre Probleme zu geben. Die Führungsschicht von Aserbaidschan terrorisiert außerdem die aserbaidschanische Bevölkerung brutal und greift gegen jeden mit abweichenden Meinungen hart durch, wobei sie diese für gewöhnlich als Verräter bezeichnet und sie beschuldigt, armenische Spione zu sein. Wie die Ukraine und die Krim war Aserbaidschan eine ursprünglich bolschewistische Schöpfung - es bestand vor 1918 nicht.

Der letzte Krieg endete demnach 1994 und Berg-Karabach befand sich in der Hand der Armenier. Das passt, da 95% in der Region ethnische Armenier sind. Doch Nachbarschaftsbeziehungen verschlechterten sich schnell, wobei die Grenzen zu Armenien von der Türkei und Aserbaidschan geschlossen wurden. Damit wurden lebenswichtige Handelsrouten abgeschnitten, über deren Blockaden sich die Türkei stur zu verhandeln weigert. Im Endergebnis gewannen die öl-reichen Aserbaidschaner die Oberhand - mithilfe massiver Waffenkäufe von Israel und indem die Hauptstadt Baku Schreckensorte der CIA beherbergt. Das Land schoss 2014 einen armenischen Hubschrauber ab, und seitdem setzen sich Verletzungen der Waffenruhe in rascher Abfolge fort.

Dann, im Laufe des März 2016, veröffentlichte das Verteidigungsministerium von Aserbaidschan zahlreiche Berichte bezüglich Armeniens zahlreicher Verletzungen des brüchigen Waffenstillstands in der Region. Doch Analysten zufolge gab es für Armenien nichts zu gewinnen, wenn es einen solchen Konflikt angefangen hätte. Sie hatten genügend eigene Probleme zu bewältigen und würden keinen Nutzen aus der Initiierung eines größeren Konflikts ziehen, der die Region destabilisieren würde.

Am 21. März machten Medienberichte deutlich, dass Aserbaidschan 2400 "Vergeltungsschüsse" auf armenische Positionen abfeuerte. Dadurch taute ein "eingefrorener Konflikt" zu einer Zeit entscheidender russisch-iranischer-aserbaidschanischer ökonomischer und militärischer Zusammenarbeit auf. Während beide Seiten einander die Schuld für die Verletzung des Waffenstillstands geben, war die von Aserbaidschan kommende Rhetorik besonders unberechenbar, wobei der Botschafter Aserbaidschans in Russland behauptete, dass das Land "bereit sei, eine militärische Lösung für den Konflikt zu finden." Der Vizesprecher der Russischen Staats-Duma, Sergei Zheleznyak, sagte es am besten als er feststellte: "Weder Aserbaidschan noch Armenien brauchen im Grunde genommen diese Konfliktverschärfung jetzt." Er sagte auch: "Es ist in jeder Hinsicht wahrscheinlich, dass diese Provokation von einer dritten Macht organisiert worden ist", und fügte hinzu, dass "Information über ihre Präsenz nach draußen zu gelangen beginnt".

Interessanterweise hielten die Mitvorsitzenden der Minsk-Gruppe, welche für die Einhaltung jenes Waffenstillstands verantwortlich sind, eine Woche vor dieser Eskalation ein Treffen hinter verschlossenen Türen ab. Doch Beobachter haben festgestellt, dass es sich von der sonstigen Veranstaltungsform darin unterschied, dass es "keine Repräsentanten der Zivilgesellschaft [aufwies], nur Experten, einschließlich jener aus westlichen Ländern." Es ist in diesem Kontext recht bemerkenswert, dass im vergangenen Dezember ein aserbaidschanischer Parlamentarier einen Gesetzesentwurf einbrachte, welcher versuchte den USA den Mitvorsitz in der Minsk-Gruppe für die Beilegung des Konflikts in Berg-Karabach aufzukündigen. Möglicherweise sah jemand einen derartigen Ausgang vorher.

Am 7. April berichtet die Webseite von Stratfor, dass sich die Außenminister von Russland, Iran und Aserbaidschan treffen würden, um miteinander die weitere ökonomische und politische Zusammenarbeit zu erörtern. Mehr dazu weiter unten.

Geopolitische Perspektive

Im März hatten der Iran und Aserbaidschan damit begonnen, äußerst kritische Vereinbarungen bezüglich wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit sowie bezüglich der gemeinsamen Nutzung von Rohstoffen zu unterzeichnen, von denen eine zu einer Eisenbahntrasse führen soll, die darauf abzielt, russische, iranische und aserbaidschanische Territorien miteinander zu verbinden. Diese hätte an sich zu einem großen Schritt vorwärts für die Eurasische Integration werden und den sich überall einmischenden Einfluss der Türkei/NATO in der Region schwächen können:
Wenn man den breiteren regionalen Kontext des Besuchs des aserbaidschanischen Präsidenten im Iran betrachtet, kommen zwei wichtige Entwicklungen den russischen Interessen sogar noch mehr entgegen als den iranischen Interessen. Auf der einen Seite benutzt Russland die aserbaidschanisch-iranischen Transport-Gespräche als Vorwand, um ein trilaterales Treffen ihrer Außenminister vorzuschlagen (APA, 29. Februar). Diese Art von Treffen auf der trilateral-ministerialen Ebene hat etwas von dem Markenzeichen türkischer Auslandspolitik in der Region.

Demzufolge scheint diese Entwicklung in Anbetracht der gegenwärtigen Pattsituation in den russisch-türkischen Beziehungen, gepaart mit Teherans eigener Angst vor Ankara, eine gemeinsame Initiative von Moskau und Teheran zu sein, die potentiell auf die Schwächung der aktiven Diplomatie der Türkei im Südkaukasus ausgerichtet ist. Baku bleibt in dieser Hinsicht wenig Handlungsspielraum.
Der Iran hatte ebenfalls eine militärische Beziehung zu den Aserbaidschanern entwickelt:
Im April 2015 gaben der Iran und Aserbaidschan ihre Entscheidung bekannt, eine gemeinsame Verteidigungskommission zu bilden; ein Zug, der eine auffällige geopolitische Verschiebung im Südkaukasus anzeigen könnte. Im Mai 2015 hat der stellvertretende Leiter für internationale Angelegenheiten des Büros des Obersten Führers der Iranischen Islamischen Revolution, Mohsen Qomi, die Bereitschaft seines Landes bekundet, Aserbaidschan zu unterstützen. Er teilte dem Vorsitzenden des Aserbaidschanischen staatlichen Komitees der religiösen Vereinigungen, Mubariz Gurbanli, bei seinem Besuch in Teheran mit: "Wir sind bereit, Aserbaidschan jederzeit zu unterstützen."
In Anbetracht all dieser Dinge ist es kein Schock, dass der NATO-Pitbull Türkei an der Seite ihres aserbaidschanischen Partners zum Vorschein gekommen ist, und Israel dabei seine übliche Rolle hinter den Kulissen spielt.

Vor einigen Wochen war eine türkische Lobbyingfirma damit beschäftigt, ein Schreiben speziell für US-Gesetzgeber zu entwerfen - ein Schreiben, das sie auf Konflikt einstimmte, indem man behauptete, dass "die Russen kommen und Armenien ihnen hilft." Nun entsendet die Türkei Söldner und Ausbilder, um die Flammen des Konflikts weiter anzufachen, wobei Novorussia Today berichtet, dass Israel und die NATO hochentwickelte Waffen senden - in Vorbereitung auf eine Eskalation des Konflikts.

Damit ist es dann keine Überraschung, dass der jordanische Außenminister Nasser Judeh, diese gar nicht so kryptische Bemerkung macht:
Saudi-Arabien war "sehr gut darin, die Flügel der Auslandsaktivitäten des Iran, einschließlich in Afrika, zu stutzen", und er stellte fest, dass die Saudis sich "in Aserbaidschan und in Asien erneut betätigen, damit sie dem Iran standhalten können".
Da Russland mit Armenien verbündet ist, besteht die sich bedrohlich abzeichnende Gefahr darin, dass eine groß angelegte Auseinandersetzung Russland in den Krieg an ihrer Seite ziehen wird - mit verhängnisvollen Folgen. Ohne Zweifel hat Russland dies kommen sehen und ist bereit, seine Karten auszuspielen, da es die letzte Großmacht zu sein scheint, die gegenüber den dunkelsten Pathokratien der Welt mutig Stellung bezieht.