Ursus spelaeus starb vor 25.000 Jahren aus - möglicherweise war dafür sein unflexibler Speisezettel verantwortlich

Die Überreste eines ausgewachsenen Höhlenbären mit Jungtier aus den Höhlen von Goyet in Belgien.
© rbinsDie Überreste eines ausgewachsenen Höhlenbären mit Jungtier aus den Höhlen von Goyet in Belgien.
Tübingen - Mit einer Schulterhöhe von bis zu 1,5 Metern - auf allen Vieren wohlgemerkt - ist der Braunbär (Ursus arctos) eines der größten lebenden Landraubtiere der Erde. Noch vor wenigen zehntausend Jahren konnte man in Europa allerdings einer deutlich größeren Bärenspezies begegnen: Der Höhlenbär (Ursus spelaeus) erreichte eine Schulterhöhe von mehr als 1,7 Metern. Nun brachten Isotopenuntersuchungen ans Licht, dass diese pelzigen Riesen keineswegs zu den Räubern im engeren Sinn zählten. Die überraschenden Ergebnisse könnten die Frage klären helfen, warum die großen Bären vor 25.000 Jahren verschwanden.

Höhlenbären lebten in der letzten Kaltzeit vor etwa 400.000 Jahren zwischen Nordspanien und dem Ural. Trotz ihres Namens verbrachten sie ihr Dasein nicht in Höhlen, sondern hielten dort nur ihre Winterruhe. Dennoch kam es im Lauf von zehntausenden Jahren durch den gelegentlichen Tod von Tieren in verschiedenen europäischen Höhlen zu enormen Ansammlungen von Knochen und Zähnen der großen Pelzträger.

Speiseplan der Riesenbären

Einige dieser Knochen aus den Höhlen von Goyet in Belgien hat nun ein internationales Team um Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) an der Universität Tübingen genauer unter die Lupe genommen. Den Wissenschaftern ging es vor allem darum, mehr über die Ernährungsweise der Höhlenbären herauszufinden. "Uns hat besonders interessiert, was die Bären gefressen haben und ob es Zusammenhänge zwischen ihrer Ernährungsweise und ihrem Aussterben gab", erklärt der Biogeologe.

Isotopenuntersuchungen am Knochenkollagen der Bären lieferten dabei entscheidende Hinweise - und eine veritable Überraschung: Die Analysen einzelner Aminosäuren zeigen, dass sich die Bären offenbar ausschließlich vegan ernährt haben. "Ähnlich wie der heutige Pandabär waren die Höhlenbären demnach sehr unflexibel, was ihre Nahrung betrifft", sagt Bocherens. "Wir gehen davon aus, dass diese einseitige Ernährungsweise in Kombination mit dem geringeren Pflanzenangebot während der letzten Eiszeit letztlich zum Aussterben der Höhlenbären führte."

Unflexibler Spezialist

Bisher wurde viel spekuliert, warum die großen Bären verschwanden: War es die zunehmende Bejagung durch den Menschen? Die Änderung der Temperatur oder die fehlende Nahrung? "Wir glauben, dass die Bindung an eine rein vegane Lebensweise der ausschlaggebende Punkt für das Aussterben der Höhlenbären war", erklärt Bocherens.

Im Unterschied zu ihnen sind moderne Braunbären Allesfresser. Sie ernähren sich je nach Saison und örtlicher Verfügbarkeit etwa von Beeren, Pilzen, Pflanzen, Fischen, Insekten sowie von Säugetieren verschiedener Größe und Aas. Das macht sie wesentlich flexibler und anpassungsfähiger.

Die im "Journal of Quaternary Science" veröffentlichten Untersuchungen ergaben einen weiteren interessanten Aspekt: Auch das Kollagen von zwei Höhlenbär-Jungtieren deutet auf eine vegetarische Ernährungsweise hin - obwohl diese noch vom Muttertier gesäugt wurden. Die Wissenschafter deuten das als Spiegel der Ernährung der stillenden Höhlenbärmutter.

(red, 29.8.2016) Abstract Journal of Quaternary Science: "Evidence for herbivorous cave bears (Ursus spelaeus) in Goyet Cave, Belgium: implications for palaeodietary reconstruction of fossil bears using amino acid δ15N approaches."