Zu viel Fett macht fett und krank. Sagt die Mama, sagt der Arzt, sagen eigentlich alle. Na ja, fast alle - es mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, dass diese These nie wirklich bewiesen wurde. Im Gegenteil. . .

Die Behauptung, dass zu viel Fett für Herzinfarkte verantwortlich sei, ist ein wissenschaftliches Dogma. Falsch ist es trotzdem, da ist sich der renommierte amerikanische Wissenschaftsjournalist Gary Taubes sicher. Sein neues Buch: Good Calories, bad Calories („Gute Kalorien, schlechte Kalorien“) hat in den USA für Aufsehen gesorgt.

Taubes erzählt darin nicht nur, woher das Dogma kommt und wie es sich quasi weltweit festsetzen konnte. Er zitiert zudem Studien, die ergaben: Zu viele Kohlenhydrate können für die Blutfettwerte oder Blutfette viel gefährlicher sein als zu viel Fett.

Ulrike Gonder teilt Taubes Ansicht. Die deutsche Diplom-Ökotrophologin hat sich in ihrem Buch Fett des Themas ebenfalls angenommen und sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Das Fett-Dogma ist tatsächlich nie belegt worden. Es gab und gibt keine ausreichenden Belege, dass Fett und gesättigte Fettsäuren ein Risiko für das Herz-Kreislauf-System darstellen.“

Trotzdem predigen Experten seit Jahren weltweit die „30-Prozent-Regel“: Demnach sollte der Anteil an Fett in der Gesamtmenge der zugeführten Kalorien nicht mehr als 30 Prozent betragen. Quatsch, finden inzwischen nicht nur Taubes und Gonder: „Die 30 Prozent sind ein gefühlter Wert. Wenn es 35 oder 40 Prozent sind, dann ist das auch egal“, sagt Ulrike Gonder, „Für gesunde Menschen ist diese Regel so überflüssig wie ein Kropf.“ Auch Ernährungsexperte Sven-David Müller-Nothmann schreibt in seinem Buch Moderne Ernährungsmärchen über Fett: „Fette selber können auf gar keinen Fall fett machen. Nur wenn wir generell mehr Kalorien aufnehmen, als wir verbrennen können, geben wir unserem Körper die Chance zuzunehmen.“ Und weiter: „Wer seinen Körper mit einer dauerhaften fettreduzierten Kost straft, enthält ihm wichtige Omega-3- beziehungsweise essenzielle Fettsäuren und fettlösliche Vitamine vor.“

Dazu passen folgende Zahlen: In den USA sank der durchschnittliche Fettanteil im Essen von etwa 40 Prozent auf 34 Prozent - gleichzeitig verdoppelte sich dort die Zahl der Übergewichtigen.

Heißt das, wir können jetzt Hamburger und Schokotorte mit Sahnesoße reinstopfen, bis nichts mehr geht? Natürlich nicht: „Völlerei, mangelnde Bewegung und dann auch noch Rauchen - das ist selbstverständlich ungesund“, sagt Ulrike Gonder.

Aber wer gesund ist, viel Fett zu sich nimmt, dabei aber nicht zunimmt, dem drohe nicht gleich ein Herzinfarkt - jedenfalls nicht wegen des Fettes in der Ernährung. Anders gesagt: „Wir können das Problem der Überernährung nicht dem Fett in die Schuhe schieben.“


Kommentar: Es kommt natürlich auf die Fette an, die man isst. Transfette sollten vollkommen vermieden werden.

Die Menschen, so die Ökotrophologin, reagieren sehr unterschiedlich: Manche ändern ihre Essgewohnheiten, essen weniger Fett und die Blutfette steigen. Bei anderen tut sich nichts. „Entscheidend ist die Gesamternährung und die individuelle Verträglichkeit.“ Für sie steht fest: Einen direkten Zusammenhang zwischen Fett und Herzinfarkt gibt es nicht. Vor allem warnt die Autorin vor dem Postulat „Böses Fett, gute Kohlenhydrate“ - denn: „Ich kann mich auch mit zu vielen Kohlenhydraten dick und herzkrank essen.“

Und das ist und bleibt ungesund. „Wer durch zu viel Essen dick wird und sich zu wenig bewegt, der trägt ein deutlich erhöhtes Risiko für Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall und verschiedene Krebserkrankungen“, sagt Ulrike Gonder.