venus express
© ESAVenus Express umkreist seit 2006 unseren Nachbarplaneten.
Durch Auswertung von Daten der europäischen Venussonde "Venus Express" haben Astronomen entdeckt, dass unser sonnennäherer Nachbarplanet sich offenbar etwas langsamer um die eigene Achse dreht als bei früheren Messungen. Ihnen war nämlich aufgefallen, dass sich Strukturen auf der Oberfläche des Planeten nicht dort befanden, wo sie eigentlich sein sollten.

Die 2005 gestartete Sonde Venus Express der europäischen Weltraumagentur ESA befindet sich seit April 2006 in einem Orbit um unseren sonnennäheren Nachbarplaneten. Mit Hilfe des Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer (VIRTIS) an Bord der Sonde können Planetenforscher auch die Oberfläche der Venus untersuchen, da das Instrument im Infraroten durch die dichte Atmosphäre des Planeten schauen kann.

Bei solchen Untersuchungen ist den Wissenschaftlern jetzt etwas Bemerkenswertes aufgefallen: Die Positionen von Strukturen auf der Oberfläche des Planeten unterscheiden nach den aktuellen Daten von Venus Express offenbar um bis zu 20 Kilometer von den Positionen, an denen sie eigentlich zu sehen sein müssten, wenn man die allgemein anerkannte Rotationsgeschwindigkeit der Venus zugrunde legt. Diese basiert auf Messungen der NASA-Sonde Magellan von Anfang der 1990er Jahre.

Die Venus rotiert im Vergleich zur Erde sehr langsam um die eigene Achse: Ein Venustag entspricht, so ergaben die Messungen von Magellan, 243,0185 Erdtagen. Magellan hatte unseren Nachbarplaneten mit einem Radar abgetastet und eine globale Radarkarte des Planeten erstellt. Gleichzeitig konnte mit Hilfe dieser Daten auch die Rotationsgeschwindigkeit der Venus sehr präzise ermittelt werden. Die Untersuchungen mit Venus Express ergaben jetzt, dass bestimmte Oberflächenmerkmale auf dem Planeten nur dann mit denen von Magellan beobachteten Strukturen in Übereinstimmung zu bringen sind, wenn der Venustag im Schnitt 6,5 Minuten länger ist als von Magellan gemessen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit jüngsten Radarbeobachtungen von der Erde überein.


"Als die zwei Karten nicht in Deckung zu bringen waren, dachte ich zunächst, dass ich irgendeinen Fehler bei den Berechnungen gemacht habe, da mit Magellan die Rotationsdauer schließlich sehr genau bestimmt wurde", erzählt Nils Müller, ein Planetenwissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der auch Hauptautor eines Fachartikels über die Untersuchung in der Zeitschrift Icarus ist. "Wir haben dann alles auf alle möglichen Fehler hin überprüft." Ein Rechenfehler entdeckten die Wissenschaftler allerdings nicht.

Die exakte Tageslänge der Venus ist nicht nur für etwaige zukünftige Venus-Missionen von Bedeutung, die einen exakten Wert für die Rotationsperiode benötigen, um einen vorher ausgesuchten Landeplatz auch sicher ansteuern zu können. Die Messungen verraten den Wissenschaftlern auch etwas über das Innere des Planeten, etwa darüber, ob er einen festen oder flüssigen Kern hat. Falls die Venus über einen festen Kern verfügt, muss die Masse des Planeten mehr im Zentrum konzentriert sein. Damit wäre die Rotation der Venus unempfindlicher gegen externe Kräfte, wie die Reibung der Oberfläche an der dichten Atmosphäre mit ihren Wettersystemen.

Über die Gründe für die offenbar langsamer gewordene Rotation unseres Nachbarn rätseln die Wissenschaftler noch: Zufällige Schwankungen der Tageslänge auf relativ kurzen Zeitskalen aber - so ergab eine andere Studie - können das Resultat wohl nicht erklären, da sich solche Variationen über längere Zeiträume gegenseitig aufheben sollten.

Aktuelle Computermodelle der Venusatmosphäre haben allerdings gezeigt, dass es auf dem Planeten Wetterzyklen geben kann, die sich über Jahrzehnte erstrecken und eventuell dessen Rotationsperiode über ähnlich lange Zeiträume beeinflussen können. Aber auch andere Ursachen, wie Wechselwirkungen zwischen Erde und Venus, wenn sich beide Planeten relativ nahe kommen, lassen sich nach Ansicht der Wissenschaftler nicht ausschließen.