Dass alte Bilder von Landschaften auch viel über das Wetter von früher erzählen, ist offensichtlich. Für Klima-Forscher kann das interessant sein, wie eine Schlussfolgerung des Evolutionsbiologen Josef Reichholf, bekannt u.a. durch "Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends", illustriert: Dem Naturgeschichtler zufolge ist die "kleine Eiszeit" im 16.Jahrhundert sehr schön auf Bildern der holländischen Meister dokumentiert, die vereiste Grachten zeigen, auf denen Holländer Schlittschuh laufen: "Das lernt man nicht in einem Winter. Es muss viele solche Winter gegeben haben."
Ein anschauliches Beispiel, ein ganz plausibler Schluss. Dennoch ist Vorsicht geboten, sobald man aus dem Wetter auf den Leinwänden detailliertere Erkenntnisse über die meteorologische Realität ziehen will: Rembrandt, Ruisdael und Vermeer, so hieß es in einem SZ-Artikel aus dem Jahre 2004, hätten gerne einen bestimmten Wettertyp gemalt, sonnige Landschaften und bei Seebildern Sturm: "Wetter, das es so nicht gegeben hat, wie holländische Meteorologen herausgefunden haben."
In einer Info zur CD-ROM Wolken-Malerei-Geschichte wird ein Team um Professor Werner Wehry vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin erwähnt, das die Realität von Wolkenformationen auf niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts untersuchte und dabei offensichtlich die beständige Möglichkeit vor Augen hatte, dass es sich bei den magistral hingemalten Wolkenformationen um "Phantasiegebilde" handeln könnte.
Dies im Kopf erhöht vielleicht für manchen noch den Spannungsgrad einer Forschungsrichtung, die sich im Ansatz recht originell von den gängigen Methoden der Klimaforscher abhebt. Für andere mag das, was Projektleiter Christos Zerefos und seine Kollegen vom National Observatory of Athens beabsichtigen, dagegen eine Effekthascherei sein, die der effektvollen Inszenierung von Künstlern naiv in die Falle tappt. Zerefos et al. wollen nämlich Bilder von berühmten Malern als wissenschaftliche Quellen heranziehen, um daraus Aussagen über den Klimawandel zu treffen, wie Zerefos gegenüber dem Umwelt-Korrespondenten des Guardian erklärte:
We're taking advantage of the attitudes of famous painters to portray real scenes they were looking at. This is the first attempt to analyse this old art in a scientific way, and tells the story of how our climate has varied naturally in the past.Den griechischen Forschern geht es dabei besonders um das Phänomen der globalen Verdunkelung. Manchen Expertenmeinungen zufolge könnte die Verdunkelung des Sonnenlichts, hervorgerufen durch Luftverschmutzung, der globalen Erwärmung entgegenwirken. Zerefos interessiert sich besonders für "global dimming" durch Vulkanausbrüche. So hatte etwa der gewaltige "Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora" 1815 verheerende, weltweite Effekte ("Das Jahr ohne Sommer").
Insgesamt, so die Ermittlungen des griechischen Forschungsteams, sollen 181 Künstler, besonders erwähnt werden Rubens, Rembrandt und Gainsborough, zwischen 1500 und 1900 Sonnenuntergänge gemalt haben. 554 Bilder wurden von Computern nach roten und grünen Farbwerten am Horizont untersucht. Dem wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass Sonnenlicht, das von Partikeln in der Luft gebrochen wird, rötlicher ist und Grünwerte zurückdrängt: "..the reddest sunsets indicate the dirtiest skies".
Den Forschern zufolge wurden die meisten Bilder, welche die stärksten derartigen Rot/Grün-Verhältnisse hatten, in den drei Jahren gemalt, die einem dokumentierten Vulkanausbruch folgten. Namentlich beim englischen Maler Turner, der die Auswirkungen von drei Vulkanausbrüchen (Tambora, 1815; Babuyan, Philippinen 1831; Cosigüina, Nicaragua 1835) erlebte, sei jedesmal ein scharfer Wechsel im Rot/Grün-Farbverhältnis in seinen Sonnenuntergängen deutlich sichtbar.
Die rötlicheren Sonnenuntergänge, die auf größere Luftverschmutzung hinweisen, können nach Auffassung der Wissenschaftler mit erheblicher Wahrscheinlichkeit mit Vulkanausbrüchen in Zusammenhang gebracht werden. Zumindest wurden die Schätzungen des Grades an Luftverschmutzung, welche die Forscher aufgrund der Rot/Grün-Verhältnisse bestimmten, von historischen Beobachtungen, früheren Messungen und anderen Indizien gedeckt. Inwieweit die Forscher veränderte Farben durch die Reproduktion der Bilder (oder durften sie alle 554 Bilder im Original an ihre Computer lassen?) bzw. durch zeitliche Einwirkungen - immerhin sind die Bilder über 100 Jahre alt - ins Kalkül nahmen, ist nicht bekannt.
Kommentar: Aus welchen Gründen sollten die damaligen Künstler den Himmel und die Wolken nicht so gemalt haben, wie sie es vor Augen hatten? Sie, die sonst alles bis ins Kleinste sehr naturgetreu darstellten, sollen dies beim Himmel und den Wolken anders gehandhabt haben?
Vulkanausbrüche in derselben Größenordnung wie damals der des Laki, des Tambora oder auch des Krakatau hat es in den letzten 50 bis 100 Jahren nicht gegeben. Möglicherweise können moderne Menschen sich aus Mangel an diesbezüglichen meteorologischen Daten oder vielleicht auch Erfahrungen dies heute nur nicht vorstellen? Vielleicht könnten sie einschlägige Informationen in den Beschreibungen unserer Vergangenheit finden?
Beschreibungen des Tambora Vulkanausbruches 1815 anlässlich aktueller Eruptionen: