Braut sich im medialen Windschatten von Flüchtlingskrise und Syrien-Krieg im Baltikum ein neuer Konflikt an? Seit längerer Zeit spricht der Kreml von einer »beispiellosen Erhöhung der Aktivitäten der NATO« vor seinen Grenzen. Ist das Propaganda oder stimmt das? Und wenn die russischen Vorwürfe stimmen, heißt das, die USA wollen hier an der nördlichen Ostsee eine Krise inszenieren?

NATO-Erweiterung seit 1991
© fr-online.deWie die NATO es auf einen Konflikt mit Russland anlegt ...
Sehen wir uns die Fakten an: Im kommenden Jahr will die Bundeswehr Soldaten in Kompaniestärke zu »Ausbildungszwecken« nach Estland schicken. Das teilte der Verteidigungsminister des baltischen Staates mit, wie die Nachrichtenagentur Sputnik unter Berufung auf die Zeitung Maaleht berichtet.

Erst vergangene Woche verlegten Briten und Amerikaner weitere Kriegstechnik - unter anderem 40 Kampfpanzer - in die ehemalige Sowjetrepublik.

Das Wall Street Journal meldet Pläne des Pentagon, jeweils 800 bis 1000 zusätzliche US-Soldaten in den vier Bataillonen in Estland, Lettland, Litauen und Polen zu stationieren. »Wir suchen keinen Streit, wir versuchen nicht, ihn zu provozieren«, sagte ein hochrangiger Pentagon-Vertreter mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin.

»Aber wir versuchen sicherzugehen, dass er versteht: Wir sind in Europa unabkömmlich, wir sind in Europa leistungsfähig und wir werden die NATO verteidigen. Das ist die Nachricht.«


Kommentar: Dieser Pentagon-Vertreter widerspricht sich im gleichen Atemzug, trägt ziemlich dick auf und provoziert sehr wohl. Denn "Verteidigung" bedeutet in der Geschichte der NATO in Wahrheit Provokation und Angriff. Das ist es, worin sie wirklich glänzen:

Bereits am 25. September berichteten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten von neuen Kriegsspielen und Notfallplänen des Pentagon für einen möglichen Konflikt mit Russland in den baltischen Staaten. Neben Cyberangriffen und hybrider Kriegsführung gehe es dabei auch um den Einsatz von Atomwaffen.


Die neuen US-Pläne für das Baltikum bestehen aus zwei Teilen: Zum einen umfassen sie Aufgaben, welche die USA innerhalb der NATO zum Schutz der baltischen Staaten ausüben können. Zum anderen beschreiben sie auch die Möglichkeit von militärischen Alleingängen der USA.

Der Fokus der neuen Pläne liegt auf der Abwehr sogenannter hybrider Kriegsführung. Dabei handelt es sich um den Einsatz irregulärer Truppen, wie sie von Russland zuletzt bei der Übernahme militärischer Stützpunkte auf der Krim eingesetzt wurden. Außerdem beinhaltet sie die gezielte Destabilisierung der Region durch organisierte Massenproteste und den Einsatz von Cyberattacken auf kritische Infrastruktur.


Kommentar: Die Aussage, Russland habe militärische Stützpunkte auf der Krim mithilfe irregulärer Truppen übernommen, könnte zur Unterstützung der falschen Ansicht der "Annexion" der Krim beitragen. Es handelte sich dabei jedoch nicht um eine Annexion, wie man uns weismachen will, sondern um eine Sezession, die durch freiwillige Entscheidung der Krim-Bevölkerung in einem Referendum zustande kam.

Außerdem setzen die USA selbst Spezialtruppen ein, die Regionen destabilisieren und Blut vergießen - im Gegensatz zu dem russischen und ukrainischen Militär auf der Krim, das gänzlich ohne Blutvergießen auskam. Eine weitere Spezialität von ihnen sind die Organisation von Farbrevolutionen und Massenprotesten, um unliebsame Regierungen zu putschen bzw. auszuwechseln. Das Internet ist Dreh- und Angelpunkt ihrer Aktivitäten, um sich ins öffentliche Bewusstsein einzuschleusen und die Massen dazu zu bekommen, für sie zu arbeiten.


Als Grund für die neuen Kriegspläne des Pentagon muss erneut der angebliche russische Einmarsch in der Ukraine herhalten. »Russlands Invasion der östlichen Ukraine brachte die USA dazu, ihre Notfallpläne abzustauben. Sie waren ziemlich veraltet«, zitiert die US-Zeitschrift Foreign Policy Michèle Flournoy, Mitbegründer des Center for a New American Security (CNAS). Der Think-Tank mit Sitz in Washington ist einer der einflussreichsten Organisationen bei militärischen Fragen. Er wird durch Steuergelder sowie durch Zuschüsse vom Rockefeller Brothers Fund finanziert.


Die Kriegsspiele des Pentagon sehen vor, dass Russland zunächst den politischen Druck auf Estland, Lettland und Litauen erhöht. Anschließend treten russische Provokateure auf den Plan, die Proteste in der Bevölkerung auslösen. Und schließlich besetzen irreguläre Truppen die Regierungsgebäude. Verantwortlich für die Durchführung dieser Kriegsspiele, die bisher im Pentagon und in der US-Militärbasis Ramstein in Deutschland stattfanden, war David Ochmanek. Er ist Militärstratege im US-Verteidigungsministerium und bei der RAND Corporation. Der US-Think-Tank berät die Regierung seit Jahren bei sicherheitspolitischen Fragen.

»Unsere Frage lautete: Ist die NATO in der Lage diese Länder zu verteidigen? Wir haben 16 Mal mit acht verschiedenen Teams gespielt und das Ergebnis war immer das Gleiche: Wir sind nicht in der Lage, diese Länder zu verteidigen. Wir haben einfach nicht die Truppenstärke in Europa«, so Ochmanek gegenüber Foreign Policy.


Kommentar: Sie müssen immer wieder das gleiche Spiel spielen, um ihre Ambitionen zu verwirklichen - denn Psychopathen neigen nicht zu Kreativität. Das macht sie leichter durchschaubar - vor allem wenn man weiß wie sie funktionieren. Da können sie sich noch so sehr der Kreativität anderer bedienen. Denn Wissen entlarvt (und schützt dadurch), und immer Gleiches hat einen besseren Erkennungswert.


Die USA haben bereits 2014 zusätzliche Panzer und Artillerie in den baltischen Staaten stationiert. Im vergangenen Jahr wurden über 3200 Militärtransporte allein über österreichisches Bundesgebiet durchgeführt, obwohl Österreich kein NATO-Mitglied ist und sich in seiner Verfassung zur Neutralität verpflichtet hat.

Auch Deutschland spielt bei den NATO-Plänen eine Schlüsselrolle. In der Ukraine führte das westliche Militärbündnis kürzlich die Manöver »Rapid Trident« und »Sea Breeze« durch, an denen auch die Bundeswehr teilnahm. Der Militärstratege Ochmanek gibt sich zuversichtlich, dass die NATO Russland bei einem möglichen Konflikt im Baltikum langfristig zurückdrängen würde.

»Am Ende habe ich keine Zweifel, dass sich die NATO durchsetzen und die territoriale Integrität aller NATO-Länder wiederherstellen wird. Aber ich kann nicht dafür garantieren, dass es einfach oder ohne großes Risiko sein wird.«


Ein anderes Szenario

Eine ungewöhnliche Experten-Simulation hat das US-Onlinemedium Vox Ende Juni erstellt: Ein mögliches Kriegsszenario zwischen Russland und der NATO. Ausgangspunkt der Simulation waren Proteste in der estnischen Grenzstadt Narva, die überwiegend von Russen bewohnt ist. Als Begründung dafür schrieb Vox: Wenn westliche Politologen und Beobachter die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen den USA und Russland besprechen, gehe es meistens um das Baltikum.

Vox verweist auch auf Stephen Saideman von der Carleton University (Kanada). Er ist der Ansicht, dass der Mittelpunkt fast jeder potentiellen Weltkrise ein kleines Land sein würde. Die Politologen Graham Allison und Dmitri Simes bezeichneten in einem Essay für die Zeitschrift The National Interest das Baltikum als die Achillesferse der NATO.

Dass die Wahl der Experten auf Estland fiel, hängt damit zusammen, dass ein Viertel der Einwohner dieses Landes ethnische Russen sind. Es ist auch deswegen erste Expertenwahl, weil Estland im Unterschied zur Ukraine NATO-Mitglied ist. Ein russischer Angriff würde nach Artikel 5 des NATO-Statuts die USA und die meisten europäischen Länder dazu zwingen, Moskau den Krieg zu erklären.

In dem Vox-Bericht heißt es, dass im Baltikum noch nie da gewesene militärische Aktivitäten seit der Zeit des Kalten Krieges zu beobachten sind. »Das ist ein klassisches Beispiel dafür, was Politologen ein Sicherheitsdilemma nennen - jede Seite betrachtet ihr Vorgehen als Verteidigungsmaßnahme. Die Aktivitäten des Gegners werden als Offensivmaßnahmen gedeutet. Beide Seiten antworten auf angebliche Provokationen mit einer größeren Eskalation«, wird erklärt. Damit entsteht ein Konfliktsystem, in dem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein Krieg entstehen kann, wie das beim Ersten Weltkrieg der Fall war.

Das Szenario beginnt - wie schon erwähnt - mit Protesten der russischen Minderheit in der estnischen Grenzstadt Narva. Der erste Zug wird von der NATO gemacht, die Allianz hat zwei Varianten - ein diplomatischer Aufruf zur Ruhe oder die sofortige Entsendung eines Militärkontingents wegen den Befürchtungen eines »russischen Eingriffs«.


Dann hängt alles von den Handlungen Moskaus ab - falls Russland Truppen losschickt, ist ein sowohl zufälliger als auch ein beabsichtigter Zusammenstoß der beiden Armeen nicht ausgeschlossen. In diesem Fall beginnt ein offener Krieg zwischen Russland und der NATO in Estland.

Falls der Konflikt in Narva auf Eis gelegt wird und das Konfliktgebiet zu einer umstrittenen Provinz mit engen Verbindungen zu Russland wird, wird die Unfähigkeit der NATO, den Prinzipien der kollektiven Verteidigung zu entsprechen, offensichtlich. Russland würde durch ein solches Szenario an Einfluss in Osteuropa gewinnen.

Falls es zu einem direkten Atomkrieg käme, gäbe es vier Szenarios. Jedes von ihnen führt zum Tod von Millionen Menschen und dem Sieg einer Seite. Dem schlimmsten Szenario zufolge wird nach einer Konfrontation zwischen Russland und der NATO »der nukleare Winter« beginnen.