hexe
© unbekanntVornehme Märtyrerinnen waren wahrscheinlich einfach „aufmüpfige“ Frauen
Kommunikatives Verhalten, Beschuldigungen der Hexerei und Europäische Frauen im Späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit

Abstract

Diese Literatur-Rezension untersucht den Zusammenhang zwischen dem kommunikativen Verhalten einer Frau und der für sie bestehenden Wahrscheinlichkeit, in verschiedenen Regionen Europas zwischen 1350 und 1650 AD als Hexe angeklagt zu werden. Die Abhandlung legt dar, welche Form der Kommunikation in jener Zeit von Frauen erwartet wurde, und welche Abweichungen von diesem normativen Kommunikationsverhalten in jenen vorhanden waren, die letztlich der Hexerei angeklagt wurden. Besprochen werden die umweltbedingten und sozio-ökonomischen Veränderungen in Europa, sowie religiöse Faktoren und die Geschichte der Hexerei, die das Kommunikationsverhalten der Frauen jener Zeit beeinflussten.

In ganz Europa wurden zwischen 1350 und 1650 AD nicht weniger als 500.000 Menschen, vornehmlich Frauen, im Zuge des Inquisitionsverfahrens als Hexen hingerichtet, und viele weitere wurden der Hexerei angeklagt und gefoltert, um ihnen ein Geständnis zu entlocken (Ben-Yehuda, 1980). Zweifellos gab es Gründe, weshalb Frauen im Allgemeinen und bestimmte Frauen im Besonderen während dieser Zeit in der abendländischen Geschichte eher beschuldigt wurden, Hexen zu sein. Sicher ist, dass zahlreiche Faktoren daran beteiligt waren, jedoch wird diese Arbeit den Zusammenhang zwischen kommunikativen Verhaltensformen und der Wahrscheinlichkeit untersuchen, bei den europäischen Hexenverfolgungen als Hexe angeklagt zu werden.

Uppity Women
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„Aufmüpfige“ Frauen aus dem Weg schaffen...

Im späten 12. Jahrhundert richtete die katholische Kirche die Inquisition als Mittel zur Bekämpfung der Häresie ein. Diese ursprüngliche Direktive wurde in den 1300ern erweitert, nachdem die Kirche bei der Auslöschung der Katharer und anderer als häretisch erachteter Gruppen Erfolg erzielt hatte (Elliott, 2004). Elliott zufolge übernahmen die Inquisitoren zwei zusätzliche Aufgaben: Die Untersuchung von Kandidaten zur Heiligsprechung sowie Hexen ausfindig zu machen und zu verfolgen. Ursprünglich wurden Hexen von der Kirche als bloße Häretikerinnen angesehen, diese Definition wurde jedoch mit dem 1487 AD in Deutschland veröffentlichten Malleus Maleficarium erweitert (Ben-Yehuda, 1980; Broedel, 2003).

Kommunikative Verhaltensweisen von Frauen zwischen 1350 und 1650 AD sind nicht einfach zu untersuchen. Viele Frauen waren Analphabetinnen, und es gibt nur wenige schriftliche Beispiele, die uns einen Einblick ins tägliche Leben sowie in die Kommunikation von und zwischen Frauen dieser Zeit geben können. Die verfügbaren Informationen sind ihrer Natur nach größtenteils präskriptiv, aus Berichten zeitgenössischer Volkskultur wie dem Theater und aus dem Malleus Maleficarium, das für andere als Anleitung dazu geschrieben wurde, wonach sie zur Identifizierung einer Hexe suchen mussten (Broedel, 2003). Wir können kommunikative Verhaltensnormen ebenfalls aus zeitgenössischer Literatur und religiösen Schriften ableiten.

Die Untersuchungen zur Europäischen Hexenverfolgung sind begrenzt. Vielleicht wurde, da die meisten Opfer Frauen waren, grundsätzlicher Frauenhass dafür verantwortlich gemacht, und bis vor kurzem wurden keine weiteren Anstrengungen unternommen, das Phänomen genauer zu verstehen (Bever, 2002). Heute werden in verschiedenen Ländern Afrikas sowie in Indien noch immer Anschuldigungen der Hexerei gegen Frauen erhoben (Oster, 2004; Whitney, 1995). Die Untersuchung unserer Vergangenheit und das Bestreben, Kommunikationsmuster zu verstehen, ist relevant für die Formulierung gegenwärtiger Kommunikationsthemen. Wissenschaftliche Bereiche wie die Frauenforschung und Feministische Philosophie sind daran interessiert, wie Macht sich mit Geschlecht und Kommunikation kreuzt und die Europäischen Hexenverfolgungen bieten einen einzigartigen historischen Hintergrund, vor dem untersucht werden kann, wie spezifische weibliche Kommunikation in einem Patriarchat zu Verfolgung führte.

Diese Literatur-Rezension untersucht den Zusammenhang zwischen dem Kommunikationsverhalten einer Frau und der Wahrscheinlichkeit, zwischen 1350 und 1650 in verschiedenen Teilen Europas als Hexe angeklagt zu werden. Was war es, was eine Frau vermittelte, was es für sie wahrscheinlicher machte, angeklagt zu werden? Um dies herauszufinden, werden zuerst die umweltbedingten und sozio-ökonomischen Veränderungen in Europa sowie religiöse Faktoren und die Geschichte der Hexerei besprochen, die das kommunikative Verhalten von Frauen in dieser Periode beeinflussten. Zweitens wird aufgedeckt, wie Frauen und Hexen von der Gesellschaft wahrgenommen wurden, und welche Rolle Kirchenführer und Patriarchat bei dieser Wahrnehmung spielten. Drittens werden diese Faktoren zusammengefügt, um über normatives weibliches Kommunikationsverhalten zu spekulieren und um zu bestimmen, welche Art der Abweichung von normativer Kommunikation in jenen vorhanden war, die der Hexerei angeklagt wurden.

Definitionen und Hintergründe

Kommunikationsverhalten bezieht sich in dieser Abhandlung auf verbalen und non-verbalen symbolischen Ausdruck.

In Europa ereignete sich die Haupthexenverfolgung mit kurzen Unterbrechungen und Perioden der Intensität in der Zeit zwischen 1350 und 1650 AD.

„Verfolgung“ und „Anschuldigung der Hexerei“ werden in dieser Arbeit stellenweise synonym verwendet.

Das Späte Mittelalter wird im Zeitrahmen von 1300 bis 1500 AD angesetzt, und die darauffolgenden 200 Jahre bis 1700 AD werden als Frühe Neuzeit betrachtet.

Um das Phänomen der Hexenverfolgung zu verstehen, müssen die damaligen umweltbedingten, sozio-ökonomischen und religiösen Faktoren in Europa in Betracht gezogen werden. Während dieses Zeitabschnitts war ein bedeutsamer Wandel im Gange, und viel von diesem Umbruch lag nicht unter der Kontrolle des einfachen Menschen.

Umweltbedingte Wetterveränderungen

Die Bedeutung des Wetters kann leicht übersehen werden, aber klimatischer Wandel spielt in unserer Geschichte eine entscheidende Rolle. Es werden Vermutungen angestellt, dass ein starker als die „Kleine Eiszeit“ in Europa bezeichneter Temperaturabfall zu der Rekordzahl an Todesfällen während der Pest beitrug, da das Immunsystem der Menschen durch Nahrungsmangel angegriffen war (Oster, 2004). Die Temperaturen in Europa schwankten zwischen 1520 und 1770 AD deutlich, und besonders kalte Perioden führten zu schwerwiegenden und weitverbreiteten Missernten (Oster). Oster zieht empirische Daten heran, um einen Zusammenhang zwischen extremer Kälte und der Anzahl und Häufigkeit von Hexenprozessen zwischen 1520 und 1770 AD zu belegen und erklärt, dass Hexen beschuldigt wurden, das Wetter unter Anwendung von Magie zu kontrollieren (Oster). Sie weist darauf hin, dass eine besonders kalte Periode im Jahre 1560 AD nach fast 70 Jahren relativer Passivität mit einer steigenden Anzahl an Prozessen zusammenfiel (Oster, S. 218). Osters Sicht der Hexe als Sündenbock wird in dieser Literaturbesprechung ein wiederkehrendes Thema sein.

Sozio-ökonomische Faktoren

Das Wetter war in dieser vor-industriellen Epoche, in welcher Feldfrüchte das Hauptmittel des wirtschaftlichen Austausches waren, wesentlicher an die Landwirtschaft und das ökonomische System geknüpft (Oster, 2004). Empirische Beweise zeigen den positiven Zusammenhang zwischen Temperaturen und wirtschaftlichem Wachstum auf, wobei letzteres negativ war, wenn Temperaturen kälter als normal waren und Ernten missrieten (Oster). Eine neue Urbanisierung sowie die Abnahme der ländlichen Bevölkerung, die teilweise der Pest zuzuschreiben war, trug möglicherweise zum Rückgang des Feldanbaus in dieser Periode großen Wandels bei (Oster; Ben-Yehuda, 1980).

Im 14. Jahrhundert begannen Familien in große Städte zu ziehen, wo sie sich zum ersten Mal an einer Geldwirtschaft beteiligten, und entdeckten, dass sie nicht ohne Weiteres kranke, arbeitslose oder nicht produktive Mitglieder unterstützen konnten (Ben-Yehuda, 1980). Aufgrund der Schwarzen Pest und von Urbanisierungstrends wurden 60% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Dänemark, Schweden, Norwegen und Deutschland verlassen (Ben-Yehuda). Ben-Yehuda zufolge bedeutete diese Urbanisierung zumindest kurzfristig, dass Männer nicht heiraten konnten (Gilden rieten von Ehen ab) und Frauen in der Stadt Lohnarbeit finden mussten. Entweder wurden Frauen in Klöster geschickt, fanden Arbeit in Webereien oder wurden Prostituierte (Ben-Yehuda). Sprenger, einer der Autoren des Malleus Maleficarium, kam aus Köln, wo sich diese Urbanisierung ereignete, und wo neue Gesetze zur Prostitution in den späten 1400ern eine Notwendigkeit wurden (Ben-Yehuda). Von diesem sozio-ökonomischen Wandel der Umgebung wurde Sprenger somit möglicherweise beeinflusst.

Im 15. und 16. Jahrhundert entstand mit der Perfektionierung des Geldwirtschaftssystems ein neuer städtischer Wohlstand (Ben-Yehuda, 1980). Ben-Yehuda zufolge hatte die Pest einen großen Anteil der Arbeitskräfte dezimiert, und jene, die überlebten, waren sehr gefragt. Diese neue Mittelklasse wollte ihren neuen Wohlstand nicht durch Kinder gefährden, folglich begannen sie Schwangerschaften zu verhüten (Ben-Yehuda). Kindestötungen stiegen drastisch an, und viele Kinder wurden im 15. und 16. Jahrhundert in Kirchen ausgesetzt. Im 16. Jahrhundert waren zwischen 40 - 60% aller Frauen im Alter von 15 - 44 Jahren unverheiratet, und Frauen heirateten allgemein in späterem Alter (Ben-Yehuda). Als sich der Handel in den Städten ausbreitete, wurden Frauen an den Rand gedrängt, und sie machten alsdann einen größeren Anteil jener in Armut Lebenden aus (King, 1997). Diese Demographie trug wesentlich dazu bei, weshalb jene, die der Hexerei beschuldigt wurden, oftmals Witwen, unverheiratete Frauen und Hebammen waren, da ihr Lebensstil und ihre Tätigkeiten eine direkte Bedrohung für die Kirche, traditionelle Familienstrukturen und den patriarchischen Status Quo darstellten (Bever, 2002; Whitney, 1995). Das Patriarchat wurde durch die Entwicklung komplexer Wirtschaften gefestigt oder gestärkt, da diese sich auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirkten (Wood & Eagly, 2002).

Religiöse Faktoren

Die Religion war ein viel größerer Bestandteil des Lebens der Menschen im Mittelalter, und die Kirche verbreitete ein dualistisches System, das zu Entweder-Oder-Extremen der Weltsicht führte (Ben-Yehuda, 1980; Elliott, 2004; Whitney, 1995). Die Katholische Kirche war mit ihrer Vorherrschaft über religiöse, wirtschaftliche und politische Belange zu jener Zeit die mächtigste Institution in Europa. Die Katholische Kirche führte mittels des 4. Laterankonzils 1215 AD den Inquisitionsvollzug ein und machte die Beichte obligatorisch (Elliott). Später begann die Protestantische Reformation, wobei in verschiedenen Teilen Europas sporadische Religionskriege ausbrachen. In einigen Ländern gingen von Katholiken begonnene Hexenprozesse mit dem Schwinden des Einflusses der Katholischen Kirche an weltliche Gerichtsbarkeit über. Die Kirche und religiöse Faktoren wie etwa Ideale moralischer Lebensführung trugen außerordentlich zu der Anklage bestimmter Frauen als Hexen bei.

Hexerei

Geschichte der Hexerei

Hexenprozesse stammten ursprünglich von einer eigentümlichen Mischung altertümlicher Folklore und einer Reihe von Herausforderungen an die Vormachtstellung der Katholischen Kirche in Europa. Moralische Schranken waren in der frühmittelalterlichen Gesellschaft statisch und klar definiert gewesen (Ben-Yehuda, 1980). Der Anstieg der Urbanisierung, der drohende Zusammenbruch des hierarchischen Feudalsystems der Kirche, Häresie, sich wandelnde sozio-ökonomische und umweltbedingte Umstände, Religionskriege, die Pest und Prostitution trafen alle in einer kurzen Zeitspanne aufeinander, und die Kirche brauchte dringend ein Werkzeug, um moralische Kodizes der Lebensführung wiederherzustellen, und ein Mittel, um ihre soziopolitische Kontrolle aufrechterhalten zu können (Ben-Yehuda; Oster). Hexen stellten den perfekten Sündenbock dar (Ben-Yehuda; Oster, 2004; Whitney, 1995). Obgleich die Idee der Hexerei der Bibel zeitlich vorausgeht und in der Bibel selbst erwähnt wird, hatte die katholische Kirche historisch die Idee abgetan, dass Hexen existierten oder irgendwelche Macht besaßen (Oster). Kurz nach der Einrichtung der Inquisition wurde Hexerei plötzlich von der Kirche als ein ernstzunehmendes Übel dargestellt, und Hexen sollen sexuelle Gefährtinnen des Teufels gewesen sein (Ben-Yehuda; Broedel, 2003). Diese Strategie erwies sich, basierend auf der Anzahl der Menschen, welche direkt und indirekt davon betroffen waren, rein statistisch beurteilt, als sehr erfolgreich.

Ancient Uppity Women
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Bestrafung „aufmüpfiger“ Frauen im Altertum - die Daniaden

Statistiken zu jenen, die der Hexerei angeklagt waren

Zahlreiche empirische Forschungen haben sich damit befasst zu ermitteln, wie viele Menschen zwischen 1350 und 1650 AD als Hexen hingerichtet worden sind. Einige Wissenschaftler erfassen nur Kontinental-Europa, und andere schließen Orte wie Schottland mit ein, wo Hexenverfolgungen ebenfalls vorherrschend waren. Die angegebenen Gesamtzahlen schwanken noch beträchtlich, von 200.000 und 500.000 Menschen (Ben-Yehuda, 1980) bis zu 1.000.000 (Oster, 2004). Oster führt an, dass in Deutschland Beweise darüber vorliegen, dass an einem Tag 400 getötet wurden!

Es gab Übereinstimmung darüber, dass die große Mehrheit der Opfer der Hexenprozesse Frauen waren. Seitens verschiedener Autoren gibt es ebenfalls Mutmaßungen darüber, weshalb mehr Menschen in Deutschland, der Schweiz und Frankreich als Hexen verfolgt wurden. Einige behaupten, der größere wirtschaftliche Aufschwung in Polen, Flandern und England habe es weniger notwendig gemacht, Hexen als Sündenböcke zu benutzen (Ben-Yehuda, 1980; Oster, 2004). Andere stützen ihre Argumentation um die Kirche herum sowie auf zeitgenössische religiöse Faktoren, die als Nächstes diskutiert werden.

Wahrnehmung Frauen, Hexen gegenüber und die Rolle der Kirche

Malleus Maleficarium

Die meisten Menschen akzeptierten in mittelalterlichen Zeiten die Unterordnung der Frauen als normal, und viele Männer sahen Frauen als Besitz oder als Produktionseinheit im Haushalt an; einige erachteten Frauen auch als gefährlich, verführerisch, oder als jungfräulich und überlegen (Ben-Yehuda, 1980). Die meisten modernen Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass Menschen sogar ohne diesbezügliche Unterweisung aufgrund von in ihrer Kultur und in Texten wie dem Malleus Maleficarium (Broedel, 2003; Whitney, 1995) bestehender Voreingenommenheit dem weiblichen Geschlecht gegenüber Frauen der Hexerei bezichtigten.

Laut Broedel spiegelte das Malleus Maleficarium, angefangen bei der ursprünglichen Autorenschaft, männliche, klerikale Frauenfeindlichkeit und Widerstand gegen den Wandel der sozialen Rollen von Frauen wider. Broedel schildert im Detail, wie und warum dieses Buch geschrieben wurde.

1485 wurde in Innsbruck eine Frau namens Helena Scheuberin der Hexerei angeklagt. Sie war die Frau eines reichen lokalen Kaufmannes und Broedel zufolge „fürchtete sie sich nicht davor, ihre Meinung deutlich zu sagen“ (Broedel, 2003, S.1). Helena spuckte auf den Boden, wenn sie den neuen Inquisitor in der Stadt sah und ging nicht zu seinen Predigten. Sie riet auch anderen davon ab, an den Predigten des Inquisitors teilzunehmen und beschuldigte ihn, böse und mit dem Teufel im Bunde zu sein. Sie wurde der Hexerei angeklagt und die darauffolgende Befragung konzentrierte sich auf ihre Sexualität. Helena nahm sich einen Anwalt, der den Fall für sie mit der Begründung gewann, dass keine standardisierte Definition existiere, die einheitlich beschreibe, was eine Hexe sei. Der Inquisitor dieses Falles, ein Mann namens Henry Institoris (auch bekannt als Kramer) verfasste das Malleus Maleficarum gemeinsam mit Sprenger als Antwort auf den Ausgang dieses Prozesses.

Uppity Women
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„Hochmütige“ Frauen der Renaissance

Institoris und Sprenger porträtierten Hexen deskriptiv als weiblich und konzentrierten sich auf die Macht der Sexualität einer Hexe (Broedel). Broedel zufolge war dieses Buch um 1505 in Bibliotheken in ganz Deutschland zu finden und beeinflusste spätere Gesetze, Bücher und selbst weltliche Gerichtshöfe und Verfahren zur Hexerei.

Sexualität und die Rolle der Frau bei der Fortpflanzung

Aus der Schilderung über Helena gehen viele Muster hervor. Zuvorderst wurde Sexualität für besonders wichtig gehalten, obgleich Frau Scheuberin auf der Grundlage der vorliegenden Informationen eher aufmüpfig als sexuell war. Institoris zufolge waren Frauen willensschwach und somit prädisponiert, mit dem Teufel zu verkehren und mit ihm zu schlafen; sie entfachten die Leidenschaft der Männer, daher sei eine schöne Frau am verdächtigsten (Broedel, 2003). Einige Hexen vergifteten Menschen, töteten Kinder, tranken das Blut von Kindern und arbeiteten mit Kräutern (Broedel). Von dieser Beschreibung her waren Hebammen aufgrund ihres beruflichen Umgangs mit Kindern und pflanzlichen Arzneien wahrscheinliche Zielpersonen der Verfolgung (Broedel; Oster, 2004).

Haliczer vermittelt Einsicht darüber, wie die Sexualität bei der Identifizierung von Hexen so entscheidend wurde. In Spanien wurden Töchter oft abgesondert, zum Schutze ihrer Keuschheit, die einen Schlüsselfaktor für den Ruf einer Familie oder für deren Gesichtswahrung darstellte (Haliczer, 2002). Jede Frau, die nicht unter direkter und konstanter Kontrolle eines Mannes (Ehemann, Vater oder Sohn) stand, wurde automatisch des sexuellen Exzesses verdächtigt (Haliczer). Witwen wurden daher eher der Hexerei angeklagt, da sie autonomer waren und nicht unter der Kontrolle eines Mannes standen (Haliczer).

Weibliche Spiritualität

Während dieser Zeit wollten Männer Frauen keine Schriften lesen lassen, da Frauen dazu bestimmt waren, ihrem Ehemann fortwährend untertan zu sein (Haliczer). Haliczer zufolge war das Zuhause das Gefängnis einer Frau, und interessanterweise wurde Religion selbst zu einem Mittel der Freiheit für Frauen in Spanien. Frauen konnten ihre Spiritualität durch Frömmigkeit ausdrücken, was sie nicht nur aus dem Haus holte, sondern sich zu einer starken asketischen Bewegung entwickelte, wobei Frauen von Mitgliedern des Königshauses ersucht wurden, als Ratgeber oder Fürsprecher zu agieren (Haliczer). Ana de Jesus wurde als prophetisch angesehen, und wurde Beraterin von Erzherzögen des Hauses Habsburg bei staatlichen Belangen (Haliczer).

Dies ist ein bemerkenswerter Kontrast zu Frauen in anderen Ländern, denen es verboten war, das Haus zu verlassen, um in die Kirche zu gehen - sogar, wenn das bedeutete, das Seelenheil der Frau aufs Spiel zu setzen (Elliott, 2004).

Zu Beginn der Frühen Neuzeit wurde weibliche Spiritualität in fast ganz Europa kriminalisiert (Elliott). So krass diese Aussage ist, stützt Elliott sie durch ihre Schilderung des Kanzlers John Gerson von der Universität von Paris. Es war Gersons Mission, Mystikerinnen zu diskreditieren und die Mystik durch den Diskurs spiritueller Einsicht in Besitz zu nehmen und der Universität selbst zu übereignen. Gerson war höchst erfolgreich, und bald wurde durch eine Frau verkörperter spiritueller Ausdruck, als Form der Hexerei kriminalisiert (Elliott). Später in seinem Leben wurde Gerson gebeten, Jeanne d'Arc bei ihrem Prozess zu verteidigen. Trotz seiner größten Bemühungen und seines aufrichtigen Wunsches, sie freigesprochen zu sehen, war er bei seiner Verteidigung erfolglos; größtenteils wegen seines früheren Erfolges. Es existierte kein akzeptables Mittel mehr, durch welches eine Frau ihre Spiritualität ausdrücken konnte (Elliott).

Joan of Arc - Witch
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Jeanne d´Arc

Die Rolle der katholischen Inquisition, die selbst als Teil des 4. Laterankonzils von 1215 gegründet wurde, befindet sich aufgrund ihrer Konzentration auf die Sakramente an der Basis der Hexenprozesse (Elliott, 2004). Die Beichte wurde zu einer Zeit obligatorisch, in der von Frauen erwartet wurde, ihren Gehorsam Gott gegenüber durch Gefügigkeit ihren Gatten gegenüber zu demonstrieren (Elliott). Elliott zufolge bestanden Ehemänner oft darauf, dass ihre Frauen zu Hause blieben, statt in die Kirche zu gehen, wo sie mit anderen interagieren und möglicherweise tratschen konnten. Dennoch konnte eine Frau, die fortwährend die Beichte versäumte, ob dieser Abwesenheit innerhalb der Gemeinschaft Verdacht erregen, und sie wurde eher der Hexerei angeklagt (Elliott).

Kommunikationsverhalten

Vorhandene Berichte

Frauen, die Lateinisch lesen und schreiben konnten, waren im Spätmittelalter üblicherweise nicht willkommen noch wurden sie dazu ermutigt, zu publizieren (King, 1997). Männer schrieben traditionell über Themen, welche die Welt der Frau oder ihre Interessen nicht betrafen. Dennoch führte der zunehmende Gebrauch der Umgangssprache zusammen mit der Druckerpresse allmählich dazu, dass mehr Frauen Literatur schrieben, und gegenwärtig sind Anstrengungen im Gange, diese Texte zu übersetzen (King). Ein bemerkenswertes Beispiel von Literatur, die von einer Frau verfasst wurde, ist das Buch der Margery Kempe, das im 15. Jahrhundert von der auf einer spirituellen Pilgerfahrt nach Jerusalem gereisten Mutter von vierzehn Kindern verfasst wurde. (Kempe, k.D.).

Normatives weibliches Kommunikationsverhalten

Die Periode zwischen 1350-17 AD repräsentiert eine Zeit, in der Frauen ihr Recht zu sprechen geltend machten, das „Zeitalter des Hervortretens der weiblichen Stimme“ (King, 1997). In der Frühen Neuzeit stellten die meisten Autorinnen, so wie es Brauch war, ihren literarischen Werken Aussagen zu ihrer eigenen Unzulänglichkeit voran (King). Sowohl die katholische als auch die protestantische Kirche schränkten die weibliche Ausdrucksmöglichkeit ein und so lernten Frauen zu schweigen, gehorsam zu sein und Anstand zu üben (King). Rhetorisch wurde Frauen erst im 17. Jahrhundert voller menschlicher Status gegeben (King).

Witch Persecution Tract
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llustration aus einem Traktat der Hexenverfolgung.

In Spanien wurden Frauen als fromm bewertet, wenn sie oft beteten, enthaltsam und ernst waren, körperliche Buße und sogar Geißelung und Fasten praktizierten (Haliczer, 2002). Klatsch war allgegenwärtig in der frühneuzeitlichen Welt (Horodowich, 2005). Klatsch wurde als weiblich angesehen (obwohl gleichermaßen auch von Männern betrieben), und er wurde als Mechanismus weiblicher Solidarität betrachtet und als etwas, das zum Schweigen gebracht werden musste (Horodowich). Gesetzesschreiber in Venedig behaupteten, Zeugenaussagen zweier Frauen seien gleich dem Zeugnis eines Mannes, da auf die Stimmen der Frauen kein Verlass sei (Horodowich).

Das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit waren sehr hart, und außerhalb der Oberschicht grassierte zwischenmenschlicher Konflikt, der in Klatsch, Beleidigungen, Schelte, Drohungen, Verwünschungen, Gerichtsverfahren, körperlichen Angriffen und Bedrohung durch rituelle Magie ausgedrückt wurde (Bever, 2002). Eifersucht und wirtschaftliche Ungleichheit waren oft der Konfliktgrund, und Frauen konnten nicht wie Männer auf Gerichte zurückgreifen (Bever). Körperlicher Angriff war üblich; eine Frau nahm sich mittels Zwangs das, was man ihr schuldig war, vor allem, wenn sie keinen Mann hatte, der ihr dabei helfen konnte, Streitfälle vor Gericht zu schlichten (Bever). Stadtfrauen drückten ihre Sexualität in der Frühen Neuzeit wahrscheinlich offener aus (Ben-Yehuda, 1980), und dieses Kommunikationsverhalten fand sicherlich die Missbilligung von Männern innerhalb der Kirche oder der Gemeinschaft. Eine ideale Frau hielt in einer patriarchalen Gesellschaft ihre Stimme „sanft, ruhig und leise“ (Larner, 1984, S. 62), und verhielt sich keusch (Haliczer, 2002).

Zusammenhang zwischen Kommunikationsverhalten und Beschuldigungen der Hexerei

Eine Frau, die zu sehr von der männlich definierten Norm abkam, wurde als Hexe identifiziert (Larner, 1984). Selbstbehauptung (sexuell oder körperlich) und Aggression treten deutlich als das Kommunikationsverhalten hervor, welches bei den Frauen, die der Hexerei beschuldigt wurden am meisten abwich; ironischerweise waren sowohl Angeklagte als auch die Ankläger selbst oftmals weiblich (Bever, 2002).

Der Stereotyp einer Hexe war eine unabhängige Frau, die sich um ihren Ehemann und/oder Kinder nicht kümmerte oder diese nicht liebte, und welche die Macht der Worte hatte, „sich selbst zu verteidigen oder andere zu verfluchen“ (Larner, 1984, S. 84). In Württemberg, Deutschland, war die Beschuldigung des Giftgebrauchs die gebräuchlichste Anklage, die zu Prozessen führte (Bever, S. 960), und Bever zufolge drohten Frauen wirklich damit, andere zu vergiften.

Körperlicher Angriff wurde als Hexerei betrachtet, wenn späterer Schaden damit in Verbindung gebracht werden konnte. Zusätzlich zu verbalen Verfluchungen konnten Gesten oder Ausrufe des Zorns als Zufallsmagie angesehen werden, falls emotionaler Stress oder Angst zu psychosomatischen Symptomen führte (Bever, 2002). Bever stellt auch einen Zusammenhang zwischen der Menopause, dem Alter und der Reizbarkeit her, die in dieser Lebensphase einer Frau auftreten, was eine Beschuldigung der Hexerei auslösen konnte, da das Maß an Selbstbehauptung oder Reizbarkeit in dieser Phase von der sozialen Norm abwich. Der Versuch, Schwangerschaften zu verhüten, anderen Frauen zu sagen, wie das gemacht wurde und das Praktizieren der Kindestötung waren eindeutig riskante Verhaltensweisen (Bever).

Der Malleus Maleficarium besagt, eine Hexe gebe sich durch eine zweideutig formulierte Drohung zu erkennen (Broedel, 2003, S. 142). Broedel erläutert, dieser Text habe die Behauptung aufgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen Feindseligkeit, verbalen Drohungen und Hexerei bestehe, wobei spezifische Formen der Kommunikation entscheidend dafür gewesen seien, eine Hexe zu identifizieren: Ärgerliches Brummen, drohende Worte, und das Anfassen eines Tieres oder einer Person. Ein viertes Drohmittel gegen jemanden sei es gewesen, einem anderen im Traum zu erscheinen (Broedel, S. 143). Broedel geht davon aus, dass das Gerücht bei der Hexenverfolgung von zentraler Bedeutung war.

Frauen konnten bei einzelnen Predigten fehlen, aber die Abwesenheit von der Beichte führte aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Anklage der Hexerei (Elliott, 2004). Frauen hatten fromm zu sein (Haliczer, 2002) und Tratsch zu vermeiden (Horodowich, 2005). Eine Frau in der Öffentlichkeit als Hexe zu beschimpfen war als eine Form der Beleidigung üblich. Falls die Frau eine solche Verhöhnung ignorierte und später der Hexerei angeklagt wurde, wurde ihr Unterlassen, diese Verhöhnung vorher diskutiert zu haben, vor Gericht als Beweis gegen sie verwendet (Whitney, 1995). Es scheint deutlich zu sein, dass eine Frau gut daran tat, sich zur Vermeidung von Konflikten in keiner Weise hervorzutun, und ebenso wenig ihren Reichtum oder ihre Bildung zur Schau zu stellen, um von möglichen Anschuldigungen frei zu bleiben.

Mögliche Erklärungen und Alternative Beweggründe

Ein Mittel kultureller Anpassung

Die Hexenprozesse können Teil einer Kampagne gewesen sein, um die Bevölkerung zu christianisieren und die Autorität der Kirche zu erweitern, und dabei das Patriarchat im Allgemeinen abzustützen (Bever, 2002). Bever sieht Hexenprozesse als eine Methode der Akkulturation an, wobei über Generationen hinweg die Gesellschaft mittels Unterdrückung umgestaltet wird. Frauen waren zu Beginn dieser Hexenprozesse sehr aggressiv, aber Generationen der Verfolgung dienten zur Unterminierung der Macht der Frauen und zur Stärkung derjenigen der Männer (Bever). Frauen lernten, sich ihrer Sexualität zu schämen und zwischenmenschlichen Konflikt zu meiden (Bever). Einige Wissenschaftler meinen, dass der Ärztestand diese Prozesse genutzt habe, um die Praxis der Kräuterheilkunde und Geburtshilfe zu marginalisieren oder stufenweise zu eliminieren (Oster, 2004), aber Bever ist davon nicht überzeugt.

Arresting Uppity Women
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Verhaftung einer Hexe - wahrscheinlich eine Bedrohung für den ärztlichen Berufsstand.

Macht über Frauen

Whitney schreibt die Hexenverfolgungen einem größeren Hervortreten des modernen Staates und des Individualismus zu, wobei der Konflikt mit den Hexenprozessen zwischen männlich beherrschten „öffentlichen“ und weiblichen „häuslichen“ Sphären, ausgetragen wurde (Whitney, 1995). Sie weist darauf hin, dass der wirtschaftliche Wandel der Katalysator gewesen sein kann und konzentriert sich darauf, wie es dazu kam, dass vornehmlich Frauen andere Frauen der Hexerei bezichtigten - was lediglich patriarchale Normen der Weiblichkeit untermauerte (Whitney). Sie erinnert uns daran, dass das Patriarchat vorsätzlich Frauen spaltet, indem es jene mit mehr Macht belohnt, die den Status Quo aufrechterhalten, während es andere Frauen durch das Aufzwingen patriarchischer Normen systematisch entrechtet (Whitney, S. 88). „In Hexenprozessen Neu-Englands wurden Frauen, die der Hexerei angeklagt waren, als Querulantinnen beschrieben, die sich weigerten, ihren Platz in der sozialen Hierarchie zu akzeptieren, und die sich des Ärgers, des Neides, des Stolzes, der Bösartigkeit, des Lügens und des Verführerischseins schuldig gemacht hatten“ (Whitney, S. 85).

Gewalt gegen Frauen

Whitney betrachtet Hexenprozesse aufgrund der Methoden, mit denen Folter zum Herausholen von Geständnissen benutzt wurde, als eine Form der Gewalt gegen Frauen (Whitney, 1995). Sie ist der Meinung, dass weiblichen Geschlechts zu sein ein Kennzeichen für Abweichung gewesen sei, und dass mit der Reformation ein intensiviertes Bedürfnis aufgekommen sei, die Natur zu kontrollieren (die Natur wurde traditionell mit dem Weiblichen assoziiert) (Whitney, S. 87). Viele der Hexerei beschuldigten Männer und Kinder, wurden bloß vor Gericht gestellt, weil sie in direkter Beziehung zu Frauen standen, die dessen bereits angeklagt waren - eine Form von Schuld durch Beziehung (Whitney, S. 88). Während Whitney uns nicht das gesamte Bild dessen vermittelt, inwieweit Hexenprozesse gewaltsam waren, liefert Barstow eine große Menge Details und spezifische Beispiele der sexuell gewaltsamen Mittel, mit denen Frauen traktiert wurden (Barstow, 1994).

Barstow zufolge war öffentliche Demütigung üblich. Sie berichtet über einen Vorfall im Jahre 1649 AD in Newcastle, als dreißig „gute“ aufrechte Frauen mehr oder weniger wahllos auf einem Stadtplatz zusammengedrängt, entkleidet und mit scharfen Objekten gestochen wurden. Wenn sie - mit ihren Kleidern um ihren Kopf - nicht feststellen konnten, wo sie gestochen worden waren, wurden sie der Hexerei beschuldigt; die Tatsache, dass sie vor Angst und Demütigung benommen waren, wurde unberücksichtigt gelassen (Barstow, S. 130). Barstow zufolge wurden in Nürnberg unverheiratete Mütter, die angeklagt waren, ihr Kind umgebracht zu haben, mittels eines spezifischen Prozesses dazu gezwungen zu gestehen, dass sie Hexen waren. Die unverheiratete Mutter musste ihre Brüste öffentlich auf das Vorhandensein von Milch überprüfen lassen; falls welche gefunden wurde, holte die Hebamme das tote Kind, ganz gleich wie lange es bereits tot war oder in welchem Zustand sich der Körper befand. Sie brachte das tote Kind zu seiner Mutter, als Mittel dafür, diese durch Schock zum Geständnis zu bringen. Zwischen 1576 und 1617 AD wurde neunzehn Frauen auf diese Weise der Prozess gemacht, und nach ihrem Geständnis wurden sie alle als Hexen ertränkt oder gehängt (Barstow, S. 133). Frauen sowie Mädchen, die noch nicht in der Pubertät waren, wurden im Gefängnis vergewaltigt (Barstow). Barstow ist die erste Wissenschaftlerin, welche die übliche Vorgehensweise aufzeigt, dem Staatsschatz des Bischofs das Vermögen der hingerichteten Hexe zu übersenden, was eine eher auf Gewinnsucht beruhende Ursache impliziert, Frauen [der Hexerei] zu beschuldigen, die keinen männlichen Verwandten als Erben ihres Besitzes hatten (Basrtow, S. 19).

Uppity Women as Witches
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Eine „Hexe“ vor Gericht.

In hervorragender Analogie liefert Whitney ein heutiges Beispiel dazu, wie Hexerei die Stellung eines Mannes im Gonja-Stamm in Afrika aufwertet, während weibliche Hexen desselben Stammes gefürchtet und gehasst werden; dies ist Whitneys Methode zur Unterstützung ihrer Behauptung, dass es Frauen lediglich in ihrer Fürsorge für ein Kind gestattet ist, Aggression auszudrücken, da weibliche Aggression unter allen anderen Umständen die männliche Dominanz und das Patriarchat in Frage stellt (Whitney, 1995, S. 90).

Die Grenzen vorhandener Studien

Wäre eine größere Anzahl von Frauen geschriebener historischer Berichte vorhanden, könnten diese codiert und quantitativ untersucht werden, um mehr über spezifisches Kommunikationsverhalten von Frauen jener Zeit zu erfahren. Einige der in dieser Literaturbesprechung angegeben Quellen zitieren einander mit gewisser Regelmäßigkeit, denn der Zugang zu ursprünglichem Quellenmaterial ist begrenzt, was aus offensichtlichen Gründen problematisch ist.

Ratio

In einem patriarchischen System wird Macht über Frauen oft durch die Kontrolle der Sexualität einer Frau, durch Kontrolle ihres Zugangs zu Ressourcen sowie ihrer Autonomie ausgedrückt (Wood & Eagly, 2002), und es war eine Notwendigkeit für die Kirche und die Männer, die sie betrieben, dieses System periodisch zu untermauern. Hexenprozesse stellten definitiv ein effektives Mittel dar, um dieses Ziel zu erreichen.

Dieser Literaturrezension zufolge waren die Hexenprozesse ein Mittel, durch welches Frauen und insbesondere junge Mädchen dahingehend sozialisiert wurden, ihren Ehemännern sexuell gehorsam zu sein (Haliczer, 2002; Wood & Eagly). Aus dieser Perspektive gesehen war es logisch, dass Frauen, die nicht unter der konstanten Kontrolle eines Vaters oder Ehemannes standen, eher der Hexerei beschuldigt wurden. Es ist klar, dass das Ausdrücken von Gedankenfreiheit oder freier Meinungsäußerung, von Sexualität, Aggression, Selbstbehauptung oder von Autonomie dazu führte, dass eine Frau Beschuldigungen der Hexerei gegenüber angreifbarer war. Eine Analogie unserer Zeit wären Frauen, die in einigen Kulturen heutzutage wegen Ehebruchs gesteinigt werden, oder aber manchmal hingerichtet, eingesperrt oder gemieden werden, weil sie Opfer einer Vergewaltigung sind.

Frauen in Europa hatten keine wirkliche Wahl. Um der Verfolgung als Hexen zu entgehen, mussten sie ihren Wunsch nach Autonomie opfern. Die Durchführung einer Analyse kontemporärer Hexenprozesse und anderer historischer Hexenverfolgungen, die zu anderen Zeiten und an anderen Orten stattfanden, wäre interessant, um Muster der Ähnlichkeit oder des Unterschieds aufzufinden. Es wird prognostiziert, dass eine Studie gegenwärtiger Hexenprozesse an Orten wie Indien oder in verschiedenen afrikanischen Nationen zeigen würde, dass Frauen, die eine „exzessive“ Selbstbehauptung, Sexualität, Aggressivität oder Autonomie durch verbales und non-verbales Kommunikationsverhalten ausdrücken, eher der Hexerei beschuldigt würden als jene, die sich an die in ihrer jeweiligen Gesellschaft vorgeschriebenen Normen weiblichen Verhaltens halten.

Falls diese spezifischen Arten des Kommunikationsverhaltens heutzutage in diesen Kulturen wirklich eher zu Beschuldigungen der Hexerei führen, könnte dieser kulturübergreifende Vergleich den Ansatz stützen, dass das Patriarchat und die Kontrolle der Autonomie und/oder Sexualität von Frauen hinter den Anschuldigungen der Hexerei in Europa standen.

Uppity Women Unite
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Übers.: „Kecke Frauen - Vereinigt euch!“

Quellen
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Deborah M. DeCloedt Pinçon, University of Wisconsin Milwaukee
16 December 2007