Turiner Grabtuch, Negativansicht
© 1978 Barrie M. Schwortz Collection, STERA, Inc.Negativ-Ansicht der Gesichts- und Rückseite des Turiner Grabtuchs. (Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen.)

Frascati/ Italien - Fünf Jahre lang haben Wissenschaftler der nationalen italienischen Energie- und Umweltagentur (ENEA) dem Turiner Grabtuch gewidmet und kommen in ihrem nun vorgelegten Abschlussbericht von 2010 zu dem Schluss, dass es für die Merkmale des Abbildes auf dem Grabtuch, das den Körperabdruck eines Gekreuzigten zeigt, das seit Jahrhunderten von Gläubigen als Grabtuch Christi verehrt und von Kritikern als aufwändiger Schwindel bezeichnet wird, selbst mit modernsten Mitteln und Technologie nicht reproduziert werden können.

In ihren Experimenten haben die Forscher um Paolo Di Lazzaro, Daniele Murra, Enrico Nichelatti und Antonino Santoni die Verfärbungen auf bzw. in dem Leinen untersucht, durch die sich der Körperabdruck auf dem Leinen abzeichnet. Ziel der Experimente war es "zu verstehen, wie dieses Abbild auf dem Grabtuch auf eine Art und Weise entstehen konnte, dass dieses bis heute eine derart große und radikale Herausforderung (für die Wissenschaft) darstellt. (...) Wir wollten jene physischen und chemischen Prozesse identifizieren, die zu einer Verfärbung von Leinen führt, wie wir sie auf dem Turiner Grabtuch sehen", so die Wissenschaftler.

Anhand der einzigen bislang durchgeführten Analyse einer Probe aus dem Grabtuch, kam ein internationales Team interdisziplinärer Wissenschaftler 1978 (Shroud of Turin Research Project, Inc. - STURP.) zwar zu dem Schluss, dass das beidseitige Abbild des Körpers nicht aufgemalt, gedruckt oder durch Hitze auf das Tuch gebracht wurde (da sich das Abbild nur auf der absolut äußersten Zellschicht des Leinenstoffs, nicht aber darunter befindet), doch ordnete eine Radiokarbondatierung (C14) der Probe dieses Stück des Leinens dieses dem frühen 14. Jahrhundert zu und schien so das Grabtuch zunächst also als mittelalterliche Fälschung zu entlarven.

Später kamen dann jedoch nicht nur Zweifel an der Aussagekraft der Datierung für das gesamte Grabtuch auf - wurde dieses doch beispielsweise bei einem Brand in der Schlosskapelle von Chambéry im Jahre 1532 teilweise beschädigt und danach ausgebessert. Selbst der für die einstige C-14-Datierung des Grabtuch verantwortliche Oxford-Professor Christopher Ramsey gestand im Frühjahr 2008 mögliche Fehler bei der Durchführung der Analyse, wie sie nahezu exakt die zeitliche Differenz der Datierung des Tuches in das 14. Jahrhundert und seinem angeblichen Verwendung bei der Grablegung Jesu erklären kann, ein (...wir berichteten).

Die STURP-Untersuchung kam letztendlich zu dem Schluss, dass der Körperabdruck von einem bislang noch unbekannten Prozess hervorgerufen wurde, der zur Oxidation, Dehydration und (chemischen) Konjugation in der Zellulosestruktur im Leinen selbst geführt hatte. Kurz: Die Verfärbung war bzw. ist das Ergebnis eines beschleunigten Alterungsprozesses des Leinens.

Doch wie und durch welchen Prozess genau das Abbild auf dem Leinen entstanden ist, bleibt bis heute ein Rätsel. Zwar hatte es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Versuche gegeben, mit den unterschiedlichsten Methoden und Mitteln das Turiner Grabtuch zu reproduzieren (...wir berichteten 1, 2), doch gelang es keinem dieser Experimente alle mikro- und makroskopischen Eigenschaften, wie sie im Original versammelt sind, zu reproduzieren und so das Gesamtbild zu erklären.

Auch die ENEA-Wissenschaftler widmeten sich dieser Frage und gingen zunächst von zwei Möglichkeiten aus, wie das Tuch - ob nun zur Grablegung Jesu oder einer zeitgenössischen anderen Person oder im Mittelalter - auf dem Körper platziert gewesen sein könnte: Zum einen könnte der Körper mehr oder weniger frei zwischen den beiden Tuchseiten (sozusagen "auf" der Rückseite und "unter" der Vorderseite des Tuchs) gelegen haben, wobei es nur an einigen Stellen zu einem direkten Körperkontakt des Tuches gekommen wäre. Die zweite Variante geht davon aus, dass das Leinen - durch Öle und Binden gehalten - direkt an den Körper selbst gepresst wurde und somit mit diesem nahezu überall in direktem Kontakt stand.

"Die erste Methode wird durch den Umstand gestützt", zitiert der "vaticaninsider.lastampa.it" aus dem ENEA-Bericht, "dass es ein präzises Verhältnis zwischen der Intensität des Abbildes und der jeweiligen Abstände des Körpers auf dem Tuch gibt. Zudem ist das Abbild auch an Stellen vorhanden, an welchen der Körper in diesem Szenario wahrscheinlich nicht in direktem Kontakt zu Tuch stand. Die zweite Methode ist deshalb unwahrscheinlicher, weil geometrische Verformungen eines dreidimensionalen Körpers, wie sie typischerweise in Kontakt mit einem zweidimensionalen Tuch auftreten, auf dem Turiner Grabtuch nicht vorhanden sind. Aus diesem Grund gehen wir davon aus, dass das Abbild also nicht durch den direkten Kontakt des Körpers mit dem Leinen entstanden ist."
Turiner Grabtuch; Positiv- und Negativansicht
© Public DomainPositiv- (l.) und Negativansicht (r.) der Kopfpartie des Turiner Grabtuches

Diese Vermutung werde durch die Abwesenheit von Pigmenten auf dem Tuch selbst gestützt, weswegen die Forscher einen chemischen Prozess durch den Kontakt des Körpers (ob nun auf natürlichem, künstlich herbeigeführtem oder übernatürlichem Wege) zustande gekommen ist ausschließen. "Es gibt zudem kein Bild an jenen Stellen des Tuchs, die mit Blut befleckt sind. Das bedeutet, dass diese Blutspuren auf das Leinen gekommen waren, bevor das Bild entstand. Das Abbild des Körpers selbst entstand also erst nachdem der (die Blutflecken erzeugende) Körper auf das Leinen gelegt wurde. Da die Blutflecke selbst alle saubere Ränder aufweisen und nicht verschmiert wurden, wurde der Körper danach offenbar auch nicht mehr (vom Leinen) bewegt." Zudem fänden sich auf dem Tuch keine Anzeichen eingetretener Fäulnis rund um die Positionen der Körperöffnungen, wie sie für gewöhnlich etwa 40 Stunden nach dem Tod auftreten. "Aus diesem Grund gibt es also auch keine Hinweise darauf, dass das Abbild von Fäulnisgasen hervorgerufen wurde. Zudem lag der Körper also auch nicht länger als zwei Tage auf bzw. in dem Leinen."

Offen für eine Vielzahl bereits kontrovers diskutierter Entstehungsmöglichkeiten des sonderbaren Körperbildes, untersuchten die ENEA-Forscher auch die Theorie, nach der das Abbild durch eine - wie auch immer geartete - Form von elektromagnetischer Energie - etwa durch einen ebenso kurzen wie starken Blitz kurzwelligen Lichts - auf das Tuch gebracht wurde. Eine solche Erklärung könnte zumindest zahlreiche Eigenschaften des Abbildes auf dem Tuch - etwa die hauchdünne Verfärbung oder den Umstand, dass das Abbild auch an jenen Stellen des Tuchs zu sehen ist, die offenbar nicht direkt mit dem Körper in Kontakt waren sowie die Abwesenheit von Pigmenten, erklären.

In ihren Experimenten versuchten die Forscher sich an der Herstellung einer vergleichbaren Verfärbung mit Hilfe eines CO2-Lasers. Hierbei entstanden jedoch ein zu tief ins Gewebe eingedrungenes Abbild und zahlreiche angekohlte Fasern, wie sie nicht Teil des Turiner Grabtuchs sind.

Stattdessen erbrachten Versuche mit Hilfe einer kurzen aber intensiven Vakuum-Ultraviolett-Be-Strahlung (VUV), dass auf diese Weise entsprechendes Leinen derart verfärbt werden kann, wie sie zahlreichen Eigenschaften des Turiner Grabtuchs entspricht, darunter etwa Farbschattierungen, die Oberflächenverfärbung, die nur die absolut äußerte Faserschicht betrifft sowie die Abwesenheit von Fluoreszenz.

Allerdings heben die ENEA-Wissenschaftler den Umstand hervor, dass "die hierzu notwendige Stärke der VUV-Strahlung auf die (Körper-)Oberfläche des Abbildes auf dem Leinen übertragen, einer Intensität von Vierunddreißigtausendmilliarden Watt entsprechen würde, wie sie selbst mit heutigen entsprechenden Lasern Einzellasern nicht erreicht wird."

Auch wenn sie also eine ähnliche Verfärbung von Leinen reproduzieren konnten, so erläutern die Forscher abschließend, dass es ihnen "nicht gelungen sei, alle Merkmale des Turiner Grabtuch zu reproduzieren." So sei beispielsweise der Farbgradient, also der Farb- bzw. Helligkeitsübergang, wie er auf dem Original zu sehen ist, nicht erreicht worden.

Die eigene Unfähigkeit, die Merkmale des Turiner Grabtuchs selbst unter Anwendung modernster Technologien und im Labor zufrieden stellend zu reproduzieren, lässt die Forscher resümieren, dass es ihnen nicht möglich sei, eine glaubwürdige Hypothese dafür zu formulieren, wie das Abbild auf den Leinen gekommen sei.

- Die vollständige ENEA-Studie zum Turiner Grabtuch finden Sie hier.

Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / enea.it / vaticaninsider.lastampa.it