In Deutschland leben mehr als 500.000 Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil - das ist eine große Bürde. Noch als Erwachsene spüren sie die Nachwirkungen.
© PAKinder mit psychisch kranken Eltern müssen oft viel zu früh Verantwortung für das Familienwohl übernehmen.
Sophie* ist klein und hat ein ernstes Gesicht. Ihre aschbraunen Haare trägt sie hochgesteckt zu einem strengen Dutt. Sie kaut an ihren sorgfältig lackierten Fingernägeln. "Die Depressionen kamen immer im Winter", erinnert sich Sophie. Kurz vor Weihnachten war es meist so weit: "Wenn Mama wieder einmal ins Krankenhaus gebracht worden war, weinten meine Großmutter und ich gemeinsam in der Küche.
Es wird wieder gut, haben wir uns damals gesagt. Wie ein Mantra, immer wieder." Die Mutter kurz vor dem Schmücken des Weihnachtsbaumes noch in der Klinik zu besuchen, das gehörte für sie fast schon zum alljährlichen Ritual, sagt die heute erwachsene Sophie im Rückblick.
Inzwischen sind 20 Jahre vergangen. Der Zustand der Mutter hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil: Seit letztem Jahr lebt sie durchgehend in einer Klinik. Sie hat nun neben der manisch-depressiven Störung auch psychotische Schübe. Deswegen kann Sophie nur noch selten mit ihr telefonieren. "Ich habe mich immer schon allein gefühlt", erzählt die junge Frau mit ihrer charmanten, osteuropäischen Sprachmelodie. Ein Gefühl der Einsamkeit habe sie bis heute. Denn verlassen konnte sie sich immer nur auf sich selbst. Obwohl Mutter und Tochter sich ein Zimmer teilten, war sie für das kleine Mädchen nicht fassbar.
Kommentar: Erinnern Sie sich in diesem Zusammenhang an Joe Quinns treffende Analyse der Londoner "Krawalle":
Wo das Gummi auf die Straßen schlägt