Dieser Rücktritt sprengt eine zweitausendjährige Tradition, er sprengt das Selbstverständnis des katholischen Papsttums. Überall sonst aber hat Benedikt XVI. an den Ketten der Tradition nicht gerührt, da und dort hat er diese Ketten sogar verstärkt. Die Kirche war selten so reformbedürftig wie am Ende des Pontifikats von Papst Benedikt.
© Mr. FishDer Papst entschied, dass es Zeit ist sich zur Ruhe zu setzen. Weil er sich nicht mehr der göttlich übermenschlichen Aufgabe wie Pädophile zu verstecken, Stimmen zu hören, Zensur zu umarmen, an Geister zu glauben, Reichtum mit Göttlichkeit gleichzusetzen ... Juden, Anthropologen, Schwulen und Atheisten gewachsen fühlt
In der gewaltigen Kuppel des Petersdoms zu Rom steht in zwei Meter hohen Buchstaben das gewaltige Zitat aus dem Matthäusevangelium, das mit den Worten "Tu es Petrus . . ." beginnt und auf Deutsch wie folgt lautet: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und dir gebe ich die Schlüssel des Himmelreiches." Es ist ein Wort von ungeheurem Anspruch, ein Wort von magischer Autorität, ein Jahrtausendwort, das den Papst erhebt, das über ihm schwebt, das aber auch fordernd auf ihm lastet. "Petrus" zu sein, der Fels also, auf dem die Kirche ruht - das ist eigentlich keine Aufgabe, die man ablegen kann. Umso ungeheuerlicher für die katholische Welt ist der Rücktritt des deutschen Papstes Benedikt.
Dieser Rücktritt sprengt eine zweitausendjährige Tradition, er sprengt das Selbstverständnis des katholischen Papsttums. Dieses Selbstverständnis sieht die 264 Päpste seit Petrus als Nachfolger dieses Apostels, als Vicarius Jesu Christi, als Stellvertreter Gottes auf Erden. Ein Stellvertreter außer Dienst, ein Vicarius a. D., ein Ex-Papst, war bisher undenkbar. Es gibt nur ein einziges Beispiel für einen solchen Rücktritt aus eigenem Antrieb, Papst Coelestin V., im Jahr 1294. Nun hat Benedikt, gut siebenhundert Jahre später, im Bewusstsein der Schwäche seines Alters, das bisher Undenkbare gewagt. In seiner Ermattung und Entkräftung zeigt Benedikt Kraft und historische Größe, er überwindet sein autokratisches Führungsverständnis, das einen Rücktritt eigentlich nicht zulässt.